Generalstreik und Proteste

Den Griechen reicht's: Keine neuen Flüchtlingslager

26.02.2020

Tausende Bewohner der griechischen Inseln Lesbos, Chios und Samos protestieren gegen den Bau neuer Flüchtlingslager. Alle Regional- und Kommunalbehörden sowie viele Geschäfte bleiben geschlossen.

Zur Vollversion des Artikels
 
Zur Vollversion des Artikels
Aus Protest gegen den Bau neuer Flüchtlingseinrichtungen sind am Mittwoch auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios und Samos alle Regional- und Kommunalbehörden sowie die meisten Geschäfte geschlossen worden. Die Streiks stehen unter dem Motto "Wir wollen unsere Inseln zurück", wie das Staatsfernsehen (ERT) berichtete.
 
Um die Mittagszeit gingen Tausende Demonstranten in der Hauptortschaft von Lesbos, Mytilini, sowie auf Chios auf die Straße und skandierten: "Keine Migrantencamps mehr auf den Inseln".
 

Zusammenstöße zwischen Einwohnern und Polizei

 
Am Mittwoch war es auf Lesbos und Chios den zweiten Tag in Folge zu Zusammenstößen zwischen aufgebrachten Einwohnern und der Polizei gekommen. Die Beamten setzten Pfefferspray, Tränengas und Schlagstöcke ein, um Straßensperren von Einwohnern zu beenden, die versuchten, den Bau neuer Lager zu verhindern. "Bereitschaftspolizei raus", forderten die Demonstranten lautstark, wie örtliche Medien berichteten. Auch Schüler gingen auf die Straße und verurteilten Gewaltanwendung seitens des Staates. "Mit Schlagstöcken gibt es keine Hoffnung", skandierten sie.
 

Forderung: Alle Lager sollen geschlossen werden

 
In und um die Registrierlager auf den Inseln der Ostägäis harren inzwischen knapp 42.000 Menschen aus. Die Camps können aber nur rund 8.000 Menschen aufnehmen. Und täglich setzen Dutzende von Migranten aus der Türkei zu den griechischen Inseln über, um so in die EU zu kommen. Nach dem Willen der Insulaner soll Athen dafür sorgen, dass die Neuankömmlinge nach ihrer Registrierung zum griechischen Festland gebracht werden. Alle Lager sollten geschlossen werden. Nach fünf Jahren Migrantenzustrom könnten die Insulaner nicht mehr, sagten Demonstranten.
 
Der österreichische Migrationsforscher und Mit-Initiator des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals Gerald Knaus, warne davor, dass die angespannte Lage in den griechischen Flüchtlingslagern "ganz leicht zu der größten Krise der EU" werden könnte. 2020 sei ein "entscheidendes Jahr" in Sachen Migrationspolitik, betonte er bei einer Diskussionsveranstaltung am Dienstagabend in Wien. Auch seiner Ansicht nach sind die Ägäis-Inseln mit der großen Zahl an Geflüchteten und deren Asylanträgen überfordert, die Situation sei "komplett unhaltbar". Knaus trat für eine Umverteilung auf das griechische Festland und mehr Unterstützung für Athen und der Türkei seitens der EU ein.
 

"Migranten sollen auf EU verteilt werden"

 
Auf der Insel Samos leben am Rand der Inselhauptortschaft Vathy mit rund 7.000 Einwohnern mehr als 7.100 Migranten. "Das hält kein Mensch aus. Die Ordnung und die Infrastruktur brechen zusammen", sagte Giorgos Stantzos, der Bürgermeister von Vathy, der Nachrichtenagentur dpa. Auch das neue Lager, das zurzeit auf Samos gebaut wird, werde die Lage nicht verbessern. Die Migranten müssten nach ihrer Registrierung in der EU gleichmäßig verteilt werden. Mit Blick auf die Insulaner fügte er hinzu: "Wir haben auch Menschenrechte."
 
Die Regierung der bürgerlichen Partei Nea Dimokratia (ND) unter Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hat angesichts dieser Zustände das Asylverfahren beschleunigt und massiv verschärft. Die konservative Partei will nun neue "geschlossene" Registrier- und Abschiebelager öffnen. Migranten werden diese Lager nur mit Genehmigung verlassen können. Athen verspricht, die vorhandenen, überfüllten Lager zu schließen und Asylanträge rasch zu bearbeiten. Wer kein Asyl bekommt, soll in die Türkei abgeschoben werden.
 
Griechenland war im vergangenen Jahr erneut das Hauptziel von Migranten und Flüchtlingen in Europa. Nach UNO-Angaben kamen mehr als 55.000 von ihnen über den Seeweg und mehr als 14.000 über den Landweg über die Türkei. Die meisten Betroffenen fliehen vor Krieg oder Armut in Syrien, Südasien und der Sub-Sahara-Region Afrikas.
Zur Vollversion des Artikels