Streit in Italien

Ladinische Gemeinden wollen nach Südtirol

30.10.2007

Eine Abstimmung in drei ladinischen Gemeinden sorgt für Streit in Italien. Mehr als zwei-Drittel der Bewohner wollen zu Südtirol gehören.

Zur Vollversion des Artikels
© APA
Zur Vollversion des Artikels

Im noblen Wintersportort Cortina d'Ampezzo knallten die Sektkorken. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 77 Prozent in Cortina und über 80 Prozent in den kleinen Gemeinden La Plié/Buchenstein und Colle Santa Lucia/Col hatte sich die ladinische Bevölkerung für ein Verlassen der Region Venetien und für eine "Wiedervereinigung" mit der Region Trentino-Südtirol ausgesprochen. Das entspricht etwas mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten. Für viele Ladiner ist damit der Traum eines "gemeinsamen Hauses Ladinien" wahrscheinlicher geworden.

"Der Weg ist noch steil, aber wir haben zumindest einen Pflock eingeschlagen", freute sich der Referendumsbetreiber, der langjährige Präsident der "Union di Ladis de Ampezzo", Siro Bigantina, nach der zweitägigen Volksabstimmung vor den Fernsehkameras. Bis zum Übertritt zur autonomen Region Trentino-Südtirol müssen aber noch zahlreiche Hürden überwunden werden.

Streitbarer Präsident
Querschüsse kommen vor allem vom streitbaren Präsidenten der Region Venetien, Giancarlo Galan. "Keiner wird weggehen", drohte er den ladinischen Separatisten. Sollte Bozen der Angliederung zustimmen, will Galan den italienischen Verfassungsgerichtshof und den Europäischen Gerichtshof anrufen. "Wer Wind sät, erntet Sturm", so seine Botschaft an die Abtrünnigen. Äußerst verärgert zeigte sich der Forza Italia-Politiker auch über den Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder. Denn der SVP-Politiker hatte den Anliegen der Ladiner aus Belluno ein offenes Ohr geliehen. Die drei Gemeinden gehörten bis 1918 bereits 400 Jahre lang zu Südtirol, ermutigte der gewandte Politiker die Ladiner vor der Abstimmung. "Wir fordern nicht ihre Angliederung an Südtirol, aber wir heißen sie gerade aufgrund unserer gemeinen Geschichte hier willkommen." Das Ergebnis des Referendums bezeichnete Durnwalder nicht nur als Bekenntnis zur ladinischen Identität, sondern auch als eine Anerkennung für die Arbeit des Landes zugunsten der ladinischen Minderheit und des ländlichen Raums.

Wiedergutmachung?
Auch der SVP-Landtagsabgeordnete Karl Zeller verwies darauf, dass die Ladiner im Zuge des Faschismus auf drei Provinzen aufgeteilt wurden, eine Rückkehr wäre deshalb "eine Wiedergutmachung faschistischen Unrechts". Andere in Südtirol sehen diese Bestrebungen skeptischer. Etwa 3.500 "neue" Ladiner kämen zur derzeit 22.000-köpfigen Sprachgruppe hinzu. Damit wüchse der Anteil der Ladiner in Südtirol von derzeit vier auf fünf Prozent an. Der Ladiner-Landesrat Florian Mussner sieht darin Probleme für die Autonomie-Regelung, die auf 116 Gemeinden begrenzt ist. Durnwalder selber will sich zwar für Grünes Licht an die Ladiner einsetzen, verwies aber darauf, dass bei Grenzveränderungen zwischen den Regionen auch Österreich wegen seiner Schutzfunktion informiert werden müsse. Andere wiederum bezweifeln wiederum die "Ladinität" Cortinas. Gerade noch 30 Prozent der Bevölkerung dort spricht Ladinisch.

Wirtschaftsinteressen
Hinter dem Referendum steht nicht nur der Wunsch nach einem gemeinsamen "Ladinien", auch handfeste Wirtschaftsinteressen sind im Spiel. Eine Angliederung brächte beiden Seiten Vorteile. Allein die Tourismushochburg Cortina d'Ampezzo würde die Kassen Südtirols mit zusätzlichen Steuergeldern in Höhe von 13 Millionen Euro füllen. Die Autonomieregelung sieht vor, dass die Südtiroler 90 Prozent ihres Steueraufkommens von Rom wieder zurückerhalten. Die hohen Transferzahlungen an den Mezzogiorno, den armen Süden Italiens, die andere norditalienische Provinzen leisten müssen, fallen bei ihnen weitgehend weg.

Aber auch Cortina würde der Übertritt zwei Millionen Euro jährlich mehr Subventionen wegen der höheren Pro-Kopf-Überweisungen bringen, rechnet eine Studie vor. Leidtragender wäre der italienische Staat, dem 15 Millionen Euro verloren gingen. Auf die Steuerprivilegien Südtirols schielen die Nachbarprovinzen denn schon lange mit einem gewissen Neid. Der klare Sieg der Separatisten ist daher nicht zuletzt ein Signal an Rom, mehr für die Berggemeinden in Venetien zu tun.

Zukunft ungewiss
Ob die Erweiterung Südtirols jemals Wirklichkeit wird, steht noch in den Sternen. Denn es müssen nicht nur die Landtage von der Autonomen Provinzen Bozen und Trient sowie Regionalrat zustimmen, sondern voraussichtlich auch die Bevölkerung der betroffenen Provinzen, einschließlich der Provinz Belluno. Anschließend müsste die römische Regierung ein entsprechendes Gesetz für den Regionenwechsel dem Parlament zur Annahme vorlegen. Und die italienischen Gesetzesmühlen mahlen bekanntlich langsam. In Rom werden die Abspaltungstendenzen ohnehin mit Sorge verfolgt. Immerhin wollten bisher 25 Gemeinden im ganzen Land die Region wechseln. Gelungen ist es bisher noch keiner einzigen.

Zur Vollversion des Artikels