Libanon

Leben in Ruinen

31.08.2006

Lokalaugenschein in Beirut: Medikamente gehen aus.

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„Einen Tag gibt es Benzin, am nächsten Tag nicht. Lebensmittel sind knapp, viele Medikamente aus“, sagt Tankwart Mah-moud. Vor seiner Tankstelle stauen sich die Autos.Während des Krieges hatten die meisten Tankstellen geschlossen, jetzt haben fast alle wieder geöffnet.

Offiziell wurde die Rationierung von Benzin mittlerweile aufgehoben. Vor dem Waffenstillstand bekam jedes Auto nur für 10.000 libanesische Pfund, etwa fünf Euro, Sprit. Jetzt können die reicheren Autofahrer ihre Tanks wieder zur Gänze füllen. Theoretisch. In Wahrheit gibt es oft tagelang kein Benzin in Beirut – und der Dieseltreibstoff ist extrem knapp.

Die Luft- und Seeblockade, die von den Israelis trotz Waffenstillstand seit Beginn des Krieges noch aufrecht erhalten wird, macht den Libanesen immer mehr zu schaffen. Zwar gibt es noch keinen Hunger in den Ruinen. Der zerbombte Libanon erzeugt noch genug, um sich selbst zu erhalten. Lebensmittel werden aus der Bekaa-Ebene nach Beirut und die anderen großen Städte an der Küste gebracht. Aber Güter, die aus dem Ausland importiert werden, sind knapp.

Keine Medikamente
Dazu gehören vor allem Medikamente. „Unsere Lager leeren sich immer mehr“, sagt Christina Kater, Ärztin am Saint Charles Hospital in Beirut, zu ÖSTERREICH. „Vor allem Medikamente mit kurzer Haltbarkeitsdauer werden immer knapper. Die Patienten spüren das bereits.“

Die Spitäler leiden zunehmend unter dem Dieselmangel. Wenn die Stromversorgung ausfällt, müssen die Krankenhäuser auf Dieselgeneratoren umstellen. Vor allem im Süden, wo die Stromausfälle am häufigsten sind, leeren sich die Tanks der Spitäler.

Die ganze Industrie des Libanon, soweit sie überhaupt noch steht, bricht derzeit wegen des Rohstoffmangels zusammen. Die Regale in den Supermärkten werden leerer und leerer. Kleidung ist kaum noch kaufbar. Die Wohnungspreise explodieren.

Einstweilen sieht es nicht so aus, als würde sich an der derzeitigen Situation etwas ändern. Zwar drängte UN-Generalsekretär Kofi Annan bei seinem Besuch in Israel erneut Premier Ehud Olmert, die Blockade aufzuheben. Doch Israel wies die Forderung nach einer Beendigung barsch zurück. Ein Ende der Blockade des Libanon sei erst mit der Umsetzung der gesamten UN-Resolution möglich, sagte Olmert nach dem Gespräch. Einer der Hauptpunkte der Resolution ist die Entwaffnung der Hisbollah. Doch die will ihre Waffen nicht freiwillig abgeben.

31.000 Euro pro Ruine
Dafür hat der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora seinem Volk Entschädigungszahlungen für die zerstörten Häuser zugesichert. Er will rund 31.000 Euro für jede Ruine bereitstellen. Im Krieg wurden etwa 130.000 Häuser zerbombt. Jetzt soll beim Wiederaufbau mit Geld der Geberkonferenz geholfen werden.

Aber die Hisbollah war schneller: Rund 11.000 Helfer sind in ihrem Auftrag im Süden bereits im Einsatz. Sie räumen Schutt mit Bulldozern weg und verteilen Hilfsgelder an obdachlos gewordene Familien. Der Dank ist ihnen sicher.

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