Frankreich

Lehrer boykottieren Sarkozy

22.10.2007

Scharfer Protest gegen Sarkozy: Dieser hatte verfügt, einen Brief an einem Gedenktag in Schulen verlesen zu lassen. Die Lehrer weigern sich.

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© AP
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Die Einführung eines französischen Gedenktages für einen 1941 von den Nazis hingerichteten jungen Kommunisten ist am Montag zu einem Protesttag gegen Präsident Nicolas Sarkozy geworden. Sarkozy hatte angeordnet, den persönlichen Abschiedsbrief des Jugendlichen Guy Moquet an seine Eltern vor allen Oberstufenschülern zu verlesen. Zahlreiche Lehrer wehrten sich aber gegen die "staatlich verordnete Geschichtsinterpretation".

Teilnahme abgesagt
Sarkozy sagte die Teilnahme an der Zeremonie an der Pariser Carnot-Schule kurzfristig ab. Lehrer und Schüler demonstrierten vor der Schule gegen die "politische Instrumentalisierung" des Märtyrers. Justizministerin Rachida Dati wurde bei der Gedenkzeremonie in einer Schule in Villejuif bei Paris ausgepfiffen. Sarkozys Redenschreiber Henri Guaino sprach von einer "kleinen Minderheit von Lehrern" mit "ideologischen Absichten" und forderte patriotisches Verhalten ein. "Mit der Einwanderung, der Globalisierung und der Desintegration der Arbeit gibt es ein Identitätsproblem", sagte Guaino. "Die Nation ist wieder zum grundlegenden politischen Thema geworden."

Die Lehrergewerkschaft SNES hatte die Pädagogen aufgerufen, das Verlesen des Briefes zu boykottieren. Der konservative Lehrerbund SNALC hatte zwar Bedenken angemeldet, sich aber nicht gegen den Staat stellen wollen. Manche Lehrer ließen den Text still lesen, andere machten eine Unterrichtseinheit zum Widerstand daraus oder folgten dem Boykottaufruf.

Moquet 1940 verhaftet
Moquet war 1940 von den französischen Behörden wegen Agitation für die verbotene Kommunistische Partei inhaftiert worden. Sein Vater, ein früherer KPF-Abgeordneter, war ebenfalls interniert. Nach einem Anschlag auf einen deutschen Offizier wurde Môquet am 22. Oktober 1941 als Repressalie von den Deutschen mit 47 anderen Geiseln erschossen. Der 17-Jährige war dafür zusammen mit anderen als "gefährlich" eingestuften Häftlingen von den französischen Behörden selektiert worden.

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