Brandrede
Trump-Vize mit schweren Vorwürfen gegen Europa
14.02.2025US-Vizepräsident JD Vance wirft europäischen Regierungen vor, die Demokratie einzuschränken und Angst vor der eigenen Bevölkerung zu haben.
In seiner gut 18-minütigen Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz verzichtete Vance am Freitag weitgehend auf die erwarteten Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben und konzentrierte sich fast ausschließlich auf angebliche Demokratiedefizite. In Anspielung auf die AfD sagte er: "Es gibt keine Berechtigung für Brandmauern."
Zuvor hatte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Regierung von US-Präsident Donald Trump aufgefordert, damit aufzuhören, alle Regeln zu brechen. "Selbst die Stärksten, auch die USA, werden in diesem 21. Jahrhundert auf Bündnispartner angewiesen sein." Demokratie sei kein beliebiges Geschäftsmodell. "Als Demokrat macht es mir größte Sorge, wenn eine kleine unternehmerische Elite die Macht, die Mittel und den Willen hat, einen wesentlichen Teil der Spielregeln liberaler Demokratien neu zu bestimmen", warnte er. "Und erst recht macht mir Sorge, wenn einige aus dieser Elite aus ihrer Verachtung für Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl machen."
Vance selbst hatte am Freitagvormittag bei einem Treffen mit Steinmeier noch erklärt, dass "Deutschland ein großartiger Verbündeter der USA" sei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sagte nach einem Treffen mit Vance, dass beide "die besondere Bedeutung der transatlantischen Beziehungen bekräftigt" hätten. Er habe vorgeschlagen, "dass als vertrauensbildende Maßnahme vor Beginn der Gespräche mit Russland ein Waffenstillstand in der Ukraine vereinbart werden sollte", schrieb Merz auf X.
Teil der Botschaften des Vertreters von Trump war auch ein Interview im "Wall Street Journal", in dem er die Zusammenarbeit mit der AfD und den Stopp der "Massenmigration" fordert. Die neue US-Regierung und ihr Berater, der umstrittene Milliardär Elon Musk, unterstützen rechtsgerichtete Regierungen und Parteien in Europa. Kritik an diesem Kurs weisen sie als undemokratisch zurück. Vance nannte in seiner Rede etwa angebliche Demokratie-Defizite in Ländern wie Großbritannien oder Schweden. "Die Redefreiheit in Europa ist auf dem Rückzug", sagte er. Tatsächlich gelten aus historischen Gründen seit Jahrzehnten unterschiedliche Regelungen auf beiden Seiten des Atlantiks: In den USA ist beispielsweise offene Nazi-Werbung anders als in Deutschland mit seiner Verantwortung für den Holocaust erlaubt.
Kaum Applaus für Vance
Vance bekam auf der Sicherheitskonferenz kaum Applaus von den normalerweise transatlantisch ausgerichteten Zuhörern in München. Anders als der chinesische Außenminister Wang Yi erlaubte der US-Vizepräsident zudem keine Fragen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betonte in Anspielung auf die Ablehnung einer Koalition aller Parteien mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften AfD, dass man in Deutschland schon selbst über Koalitionen entscheide.
Der US-Vizepräsident spielte den Einfluss Russlands auf Wahlen herunter. "Sie können glauben, dass es falsch ist, wenn Russland Werbung in den sozialen Medien kauft, um Ihre Wahlen zu beeinflussen", sagte er. "Aber wenn Ihre Demokratie mit ein paar hunderttausend Dollar digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht sehr stark." Er kritisierte, dass in Rumänien Präsidentschaftswahlen wegen angeblicher russischer Einflussnahme annulliert worden waren. Sicherheitsbehörden aus den USA und Europa haben dagegen über Jahre gewarnt, dass Russland Wahlen in westlichen Demokratien beeinflusse, um ihnen genehme Parteien zu fördern.
Die eigentlich erwartete Auseinandersetzung über die Ukraine-Politik fand nicht statt. "Während die Trump-Administration sehr besorgt über die europäische Sicherheit ist, glauben wir, dass wir zu einer vernünftigen Lösung zwischen Russland und der Ukraine kommen können", sagte Vance nur. "Und wir glauben auch, dass es für Europa in den kommenden Jahren wichtig ist, in großem Umfang für seine eigene Verteidigung zu sorgen."
Kritik aus Europa an Trumps Kurswechsel der US-Politik
Europäische Regierungen hatten bereits in den vergangenen Tagen den Kurswechsel der US-Politik unter Präsident Trump kritisiert. Der Vorstoß für Verhandlungen mit Russland über die Ukraine erfolgte ohne Abstimmung mit europäischen- und NATO-Partnern. Trump hat zudem Irritationen mit Gebietsansprüchen von Grönland bis zum Gazastreifen ausgelöst. Die Europäer seien sehr wichtige Verbündete, betonte Vance in München, fügte aber hinzu: "Wir glauben auch, dass es wirklich wichtig ist, zu erkennen, dass Europa in Zukunft eine größere Rolle für seine eigene Sicherheit übernehmen muss. Und natürlich wird Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa dabei eine wichtige Rolle spielen."
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius kritisierte indes die Äußerungen von Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz als "nicht akzeptabel". "Er spricht von der Annullierung der Demokratie und wenn ich ihn richtig verstanden habe, vergleicht er Zustände in Teilen Europas mit denen in autoritären Regierungen. Das ist nicht akzeptabel", sagte der SPD-Politiker am Freitag zu Beginn seiner Rede über Sicherheitspolitik in München.
Pistorius warf Vance vor, ein Zerrbild der Demokratie in Europa und Deutschland zu zeichnen. Die Demokratie ermögliche es gerade, in Teilen extremistischen Parteien wie der AfD ganz normal Wahlkampf zu machen, genau wie jede andere Partei. Pistorius erinnerte an die TV-Auftritte von AfD-Co-Chefin Alice Weidel. Anders als woanders würden in Deutschland auch Medien zugelassen, "die russische Propaganda verbreiten". "Demokratie bedeutet aber nicht, dass die laute Minderheit automatisch recht hat und die Wahrheit bestimmt", betonte der deutsche Verteidigungsminister. Eine Demokratie müsse sich wehren können gegen die Extremisten, die sie zerstören wollen.
In München haben sich 60 Staats- und Regierungschefs sowie 150 Minister angemeldet sind. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Samstag erwartet.