Hadhita-Massaker
US-Soldaten wegen Mordes angeklagt
21.12.2006
Ein Jahr nach dem mutmaßlichen Massaker in der irakischen Ortschaft Haditha sind erste Mordanklagen erhoben worden.
Der Einsatzführer wurde am Donnerstag in Camp Pendleton in Kalifornien nach Angaben seines Anwalts des mehrfachen Mordes beschuldigt. Auch die Anwälte zweier weiterer Soldaten gaben am Donnerstag bekannt, dass sich ihre Mandanten vor dem Militärtribunal verantworten müssen.
Anklage gegen acht Soldaten
Insgesamt droht acht
Marineinfanteristen eine Anklage. Ihnen wird vorgeworfen, in Haditha
nördlich von Bagdad bis zu 24 irakische Zivilpersonen willkürlich erschossen
haben. Auslöser soll der Tod eines Soldaten bei einem Bombenanschlag gewesen
sein.
Der Truppenführer muss sich in 13 Punkten verantworten, erklärte Anwalt Neal Puckett. Dabei geht es den Angaben zufolge um die Ermordung von zwölf Irakern bei dem Militäreinsatz am 19. November 2005 sowie in einem weiteren Vorwurf um den Tod von sechs Irakern, die bei der Stürmung eines Hauses in Haditha getötet wurden. Der beschuldigte Soldat soll dabei die Anweisung gegeben haben, "erst zu schießen und dann Fragen zu stellen". Weiter soll er Kollegen zu Falschaussagen angehalten haben.
Kein Vorwurf des vorsätzlichen Mordes
Wie der Anwalt des
wegen 13-fachen Mordes angeklagten Marineinfanteristen Frank Wuterich am
Donnerstag mitteilte, werde aber seinem Mandanten kein Mordvorsatz
vorgeworfen. Dafür komme als Höchststrafe lebenslange Haft in Frage.
Massaker an irakischer Familie
In Haditha waren am 19. November
2005 zwei Dutzend unbewaffneter Männer, Frauen und Kinder bei einer
US-Militäraktion getötet worden. Augenzeugen zufolge sollen die Soldaten die
Zivilisten aus Rache für einen getöteten US-Soldaten erschossen haben. Die
Verteidigung bestreitet diese Version der Ereignisse und spricht stattdessen
von einem chaotischen Gefecht nach einer Bombenexplosion.
Time-Magazin brachte Fall ins Rollen
Anwälte der US-Soldaten
haben betont, ihre Mandanten hätten sich so verhalten, wie sie es gelernt
hätten: Auf eine als Bedrohung empfundene Situation entsprechend zu
reagieren. Die strafrechtlichen Ermittlungen kamen ins Rollen, nachdem das
Magazin "Time" im März unter Berufung auf Überlebende und
Menschenrechtsgruppen berichtet hatte, dass unbeteiligte Menschen getötet
worden seien. Die Marineinfanteristen hatten zunächst angegeben, dass 15
Menschen bei einer Bombenexplosion und acht Aufständische in anschließenden
Gefechten ums Leben gekommen seien. Verhaltene Reaktionen in Haditha nach
Anklage gegen US-Soldaten
Angehörige fordern Todesstrafe
Die Nachricht von der Anklage
gegen vier US-Soldaten wegen Mordes ist in Haditha verhalten aufgenommen
worden. Khaled Salman, dessen Schwester unter den Opfern des Massakers in
der 100.000-Einwohner-Stadt am Euphrat war, forderte die Todesstrafe. "Diese
Soldaten haben 24 Menschen getötet, sie haben Frauen und Kinder getötet,
reicht das nicht für eine Hinrichtung?" fragte er und fügte hinzu: "Das ist
ein politischer Prozess, der uns unsere Rechte nicht zurückgeben wird."
Angeklagter wies Mordvorwurf zurück
Der Hauptbeschuldigte
des Massakers, Marineinfanterist Frank Wuterich, muss sich wegen 13fachen
Mordes verantworten. Die Verteidigung wies den Mordvorwurf zurück. Den
angeklagten Soldaten droht aller Voraussicht nach nicht die Todesstrafe,
weil ihnen der Straftatbestand des vorsätzlichen Mordes nicht vorgeworfen
wird. Neben Wuterich müssen sich drei weitere US-Soldaten wegen Mordes
verantworten. Vier anderen Marines wird Verstoß gegen die Dienstpflicht
vorgeworfen, weil sie den Vorfall nicht ordnungsgemäß an ihre Vorgesetzten
gemeldet hätten. Der 26-jährige Wuterich war der Befehlshaber der Einheit
und stand daher auch im Zentrum der Untersuchungen, die das US-Militär zum
Fall Haditha eingeleitet hatte.
Auch Vorgesetzte sind mitverantwortlich
John Sifton von der
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte die Anklage, betonte
aber, dass auch die Vorgesetzten der Soldaten zur Verantwortung gezogen
werden müssten. "Wenn das Militär solchen Missbrauch wirklich stoppen will,
darf es sich nicht nur auf die unteren Ränge konzentrieren."
Nach der Anklage müssen die Beschuldigten zunächst zu einer Anhörung erscheinen. Danach entscheidet ein Militärrichter, ob die Beweislage ausreicht, um ein Kriegsgericht einzuberufen. Einen Termin für die Anhörung gibt es bisher nicht.
Bereits mehrere Prozesse wegen Kriegsverbrechen
Wegen Verbrechen
im Irak sind bereits mehrere US-Soldaten verurteilt worden. In Camp
Pendelton ist derzeit ein Verfahren wegen der Ermordung eines Irakers in
Hamdania anhängig. Insgesamt acht Soldaten wird vorgeworfen, im April den
52-jährigen Hashim Ibrahim Awad aus seinem Haus gezerrt, in ein Loch
geworfen und erschossen zu haben. Anschließend versuchten sie ihre Tat als
Tötung eines bewaffneten Rebellen darzustellen. Auslöser soll die
Frustration der Marineinfanteristen wegen ihrer vergeblichen Suche nach
einem Aufständischen gewesen sein.
In Fort Campbell in Kentucky müssen sich mehrere Soldaten wegen Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen Mädchens im Irak verantworten. Ihnen wird Verwicklung in den Überfall im März in Mahmudija vorgeworfen, bei dem die 14-Jährige vergewaltigt und anschließend zusammen mit ihren Eltern und ihrer sechsjährigen Schwester getötet wurde. Einer der insgesamt vier Angeklagten wurde bereits zu 90 Jahren Haft verurteilt.
US-Soldaten fordern Verstärkung
US-Soldaten im Irak haben
am Donnerstag vom neuen Verteidigungsminister Robert Gates eine Verstärkung
der Kampftruppen gefordert. "Wir brauchen hier wirklich mehr Leute",
sagte der Soldat Jason Glenn dem Minister am Donnerstag in Bagdad. Mit einer
größeren Truppenpräsenz könnten die Milizen lange genug in Schach gehalten
werden, um die irakische Armee besser ausbilden zu können.
Keiner der Soldaten, mit denen Gates in Bagdad aß, forderte den Abzug der Truppen. Im Gegensatz zu ihren Kommandanten nannte auch keiner der Soldaten die Truppenstärke angemessen. Die Generäle hatten am Mittwoch gewarnt, eine Verstärkung der US-Einheiten könnte die Übergabe der Verantwortung an die Iraker verzögern.