Saddam-Urteil

Zeitpunkt für US-Republikaner

06.11.2006

Das Saddam-Todesurteil kommt den angeschlagenen Republikanern termingerecht vor den Kongresswahlen, als eine der wenigen positiven Nachrichten.

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Der Zeitpunkt war perfekt. Zwei Tage vor der spannendsten US-Kongresswahl seit langem erhielt Präsident George W. Bush am Sonntag beim Aufwachen auf seiner Ranch im texanischen Crawford (Texas) die - erhoffte - Nachricht vom Todesurteil gegen Ex-Diktator Saddam Hussein.

Republikaner zittern vor Wahlergebnis
Nach der andauernden Gewaltexplosion im Irak, nach mehr als 100 Toten US-Soldaten im Oktober und schon über 10 in den ersten November-Tagen bot sich endlich wieder eine der so rar gewordenen Gelegenheiten, nicht nur über Fortschritte im Irak zu sprechen, sondern diese auch mit sichtbaren Entwicklungen zu untermauern.

Irakische Justiz bewährt sich in schwierigen Zeiten
Der Saddam-Prozess zeige, dass der Irak eine unabhängige Rechtsprechung habe, sagte Snow in Fernsehinterviews. Ein funktionierendes Rechtssystem sei eine der Grundvoraussetzungen für eine lebensfähige Demokratie, die auch von der Öffentlichkeit unterstützt werde. Dass sich ein noch derart junges System unter so schweren Voraussetzungen bewährt habe, spreche für sich selbst. Der US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad, ging noch weiter: Er wertete den Saddam-Prozess mit dem Urteil als einen Meilenstein auf dem Weg zu einem stabilen demokratischen Irak.

Streit um Bedeutung für Kongresswahlen
Ob auch das Saddam-Urteil hilft, darüber wurde am Sonntag in den Medien eifrig spekuliert. Eine Korrespondentin des Senders CNN kam dabei zu dem Schluss, dass es mehr als ein Brosamen für die Republikaner sei: "Nur die Festnahme von (Al-Kaida-Führer) Osama bin Laden wäre noch besser gewesen. " Demokraten-Führer Howard Dean sah das anders. Das Saddam-Urteil, so befand er, mache die USA nicht sicherer, und mit dem Ziel einer größeren Sicherheit habe die Bush-Regierung ja schließlich den Irak-Krieg begründet.

Saddam selbst wollte jedenfalls mit einem Brief an den Richter des Prozesses die Urteilsverkündung so knapp vor den Wahlen verhindern. Bushs " Propagandamaschine" würde dies zum eigenen Vorteil ausschlachten, beschwerte sich Saddam Hussein - doch vergeblich.

Saddams Verteidiger: „Verfahren nur Propaganda“
Saddam Husseins Verteidigerin Bushra Khalil sagte, der Richterspruch so kurz vor der Wahl sei ein Beleg dafür, dass das ganze Verfahren nur " Propaganda" sei. Der US-Jurist und ehemalige Justizminister Ramsey Clark, der ebenfalls Saddam Husseins Verteidigerteam angehört, wirft dem Weißen Haus ein gefährliches Spiel vor. Die Todesstrafe gegen den Ex-Präsidenten werde "zu mehr Gewalt und unwiderruflicher Spaltung" im Irak führen.

Irak Tabuthema
In den Tagen zuvor hatten Bush und die Republikaner das Thema Irak im Wahlkampf meistens nur dann angefasst, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Stattdessen stürzten sich Präsident und Partei - beflügelt durch jüngste positive Arbeitsmarktzahlen - auf die Wirtschaft. So ließ Bush, was relativ selten vorkommt, seine wöchentliche Rundfunkansprache am Samstag auch nicht im Voraus aufzeichnen, sondern sprach live und leger vor laufenden Kameras über das, "was meine Steuersenkungen der Bevölkerung in die Tasche gebracht haben".

Beobachter vermerkten auch mit Interesse, dass der Präsident am Samstag mit den Hinterbliebenen eines in Afghanistan getöteten Soldaten zusammenkam und nicht mit denen eines Iraksoldaten - als wolle man an dem Thema am liebsten nicht rühren.

Republikaner in die Enge getrieben
Dass die Entwicklung im Irak den Amerikanern am meisten unter den Nägeln brennt, hatten aber am Wochenende Umfragen noch einmal bekräftigt. Und sie besagten auch, dass die Mehrheit von jenen, die das Thema Irak für wichtiger halten als Antiterrorkampf oder Wirtschaft, bei der Kongresswahl am Dienstag demokratisch wählen wollen.

Hinzu kamen der Ruf bedeutender Militärzeitungen nach einem Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und - ebenso spektakulär - die vernichtende Kritik eines der einstmals stärksten Befürworter des Irak-Kriegs. Die Regierung habe kläglich versagt, der Irak-Krieg sei ein Desaster, sagte der als ausgesprochener Falke bekannte frühere Pentagon-Politiker Richard Perle der Zeitschrift "Vanity Fair".

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