Euro-Gipfel

Griechen-Pleite: Grexit vorerst vom Tisch

12.07.2015

Verhandlungen in Brüssel - Vertrauen in Griechenland verloren.

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© Reuters, Nachdenklich: Griechen-Premier Tsipras
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Showdown. Es sollte eine der dramatischsten Sitzungen der Eurozone werden. Als sich die Regierungschefs der Eurozone gestern in Brüssel zum Sondergipfel vereinten, hing Griechenlands Schicksal nur noch an einem seidenen Faden.

Für Angela Merkel war „das Vertrauen zu Griechenland verloren“. Es werde „keine Einigung um jeden Preis geben“. Frankreichs Präsident François Hollande wollte dagegen „alles unternehmen, um einen Grexit zu verhindern“. Italiens Premier Matteo Renzi schließlich schmetterte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble – er fordert einen „Grexit der Griechen auf Zeit“ – ein „Genug ist genug“ entgegen.

© afp

Kompromiss. Stundenlang wurde in Brüssel noch einmal mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras um einen sinnstiftenden Kompromiss gerungen:

■  Am 20. Juli müsste Griechenland der Europäischen Zentralbank 3,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Das kann das Krisenland ohne EU-Hilfen nicht. Deshalb fordert Deutschland weiterhin „harte Reformen“ von Athen, um neues EU-Geld fließen zu lassen.

■  In den kommenden drei Jahren werden die Griechen erneut zwischen 75 und 82 Milliarden Euro von der Europäischen Union benötigen, um nicht in der Staatspleite zu landen. Die Euro-Finanzminister fordern deshalb einen „Blitz-Reformplan“ von Athen bis Mittwoch.

Gespalten. Aber Europa ist gespalten. SPÖ-Kanzler Werner Faymann plädierte gestern in der Sitzung ebenso wie Hollande und Renzi gegen eine Rückkehr Athens zur Drachme. Der Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone würde die EU – „so wie, wir sie kennen“ – zerstören, befürchtet Faymann.

Geschmacklosigkeiten
vor allem im Internet

Merkel wiederum – Deutschland leistet mit 28 Prozent den größten Anteil an EU-Hilfen für Griechenland – unterstützt die harte Linie ihres Finanzministers. Schäuble ist zur Hassfigur der Griechen mutiert: Die Facebook-Gruppe „Wir stehen zu Griechenland“ erreichte gestern innerhalb kürzester Zeit 10.000 Likes. Sie zeigt einen hängenden Schäuble im Rollstuhl. Geschmacklosigkeiten, die die EU-Staaten immer mehr gegeneinander aufbringen und das europäische Projekt gefährden.

Urlauber sagen: "Ohne Cash geht nichts mehr"

Frust und Resignation. „Die Stimmung bei den Griechen ist resignativ bis frustriert“, sagt die österreichische Journalistin Claudia Schanza. Sie urlaubte bis vor Kurzem auf der Insel Skiathos.

■ Nur Bargeld. Dort könne man nicht mehr mit Kreditkarten zahlen. „Zum Glück habe ich mich mit Bargeld eingedeckt“, schildert Schanza. Auch ÖSTERREICH-CEO Oliver Voigt – er machte Ferien in Loutra Killini – bestätigt: „Cash ist hier King.“ Gröbere Versorgungsengpässe gibt es auf den Inseln aber noch nicht.

■  Leere Regale. In Athen allerdings stehen die Regale in den Supermärkten zum Teil schon leer – vor allem Importgüter fehlen. Denn:

■  Keine Transporte. Lkw-Unternehmen, die Lebensmittel aus Mitteleuropa liefern, können ihre Laster nicht mehr betanken. „Ein Lkw-Transport braucht 4.000 Euro, um aus Deutschland nach Griechenland zu fahren“, führt Petros Skoulikidis, Chef der Lieferanten, ins Treffen.

■  Keine Medikamente. Das gleiche Bild in Apotheken – Medikamente werden knapp.

■  Essen geht aus. In den Hotels könnte in sieben Tagen das Essen ausgehen.

■  Geschäftsleute sauer. Geschäftsleute – etwa Möbelhändler – leiden darunter, dass sie keinen Zugriff mehr auf ihre Konten haben. „Sie wollen daher Bargeld“, berichtet Schanza. „Viele sagen hier: Die Regierung ist unfähig – aber die alte Regierung war noch unfähiger“, erzählt sie.

Faymann: Erst Telefon-Konferenzen, dann Gipfel

Polit-Stress. Kurz vor seinem Abflug nach Brüssel läutete Werner Faymanns iPhone gestern um 12.28 Uhr: Der deutsche EU-Parlamentspräsident Martin Schulz berichtete dem SPÖ-Kanzler, dass Deutschlands Finanzminister Schäuble den „Grexit auf Zeit“ für Griechenland ernst meine.

© Getty Images

Telefonate mit Hollande zur Lage Griechenlands

Genau darüber hatte Faymann auch am Freitag mit Frankreichs Präsident François Hollande via Telefon konferiert. In den vergangenen Tagen hatte der SPÖ-Chef mit diversen Euro-­Regierungschefs über die prekäre Lage Griechenlands und der EU debattiert.

Tsipras helfen, ohne 
Merkel zu brüskieren

Auch mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras und mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sprach Faymann in den vergangenen Tagen wiederholt.

Faymann versuchte dabei, Tsipras zu unterstützen, ohne Merkel vor den Kopf zu stoßen. Kein leichtes Unterfangen.

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