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Gefahr im Glas: Diese beliebten Getränke ruinieren unsere Zähne!

06.09.2025

Erfrischende Drinks, saftiges Obst, Eis oder ein Glas Weißwein: Was für den Gaumen eine Wohltat ist, bedeutet für unsere Zähne oft puren Stress. Prof. Adrian Lussi, Experte für Zahnerosion, erklärt, warum gerade der Sommer keine gute Zeit für Zähne ist.

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Immer häufiger beobachten Zahnärzt:innen einen schleichenden Feind: Säuren, die den Zahnschmelz direkt angreifen. Das Ergebnis nennt sich dentale Erosion. Dabei verliert der Zahn Mineralien, wird weicher – und ist damit besonders anfällig für weitere Schäden.

Prof. Dr. Adrian Lussi, ehemaliger Direktor der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin der Universität Bern und international anerkannter Experte für Zahnerosionen, erklärt im Interview, was es mit dem Angriff auf unsere Zähne auf sich hat. Der Chemiker und Zahnmediziner forscht seit Jahrzehnten daran, wie Nahrungsmittel und Getränke den Zahnschmelz beeinflussen. In einer groß angelegten Studie hat er 226 Getränke, Lebensmittel und Medikamente untersucht – mit aufschlussreichen Ergebnissen.

Was macht Zahnerosion gefährlich?

„Viele saure Speisen und Getränke lösen unter anderem Kalziumionen aus dem Zahn“, erklärt Prof. Lussi. „Die Oberfläche wird weich und kann leicht abgerieben werden – durch die Zunge, die Wange oder die Zahnbürste.“ Die langfristigen Folgen:„Die Zähne wirken dadurch nicht nur glatter und verlieren ihre Form, sondern erscheinen auch gelblicher, weil das darunterliegende Dentin durchscheint“, erklärt Lussi. Besonders kritisch: Einmal verlorener Zahnschmelz wird nicht mehr nachgebildet. Die Folgen sind jedoch nicht nur ästhetischer Natur. Betroffene Zähne können empfindlich auf Kälte, Wärme oder Säure reagieren und auf Dauer stark geschädigt werden. Schon heute zeigt etwa jeder dritte Erwachsene sichtbare Erosionsspuren. Männer sind davon häufiger betroffen, was laut Professor Lussi auf den höheren Energy-Drinks-Konsum zurückzuführen sei.

Die größten Gefahren im Glas

Besonders schädlich für den Zahnschmelz sind Energy-Drinks und Softdrinks. Prof. Lussi: „Wir haben in umfangreichen Studien Zähne in die verschiedensten Getränke eingelegt – und dabei gesehen, dass Energy-Drinks zu den erosivsten gehören.“ Auch Softdrinks stünden ganz oben auf der Liste der Risikofaktoren: Sie enthalten Zitronensäure, die den Zahnschmelz direkt angreift. Sportgetränke sind wiederum problematisch, weil sie oft schluckweise über längere Zeit getrunken werden. So wirkt die Säure permanent auf die Zähne ein.

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Doch nicht nur künstliche Getränke sind riskant. Auch Zitronensaft und Fruchtsäfte können extrem erosiv wirken.

Positive Ausnahmen

Eine gute Nachricht gibt es hingegen für Bier-Trinker: Obwohl es sauer ist, enthält Bier Polyphenole (Anm.: sekundäre Pflanzenstoffe), die wie ein Schutzschild wirken und den Zahnschmelz vor Erosion bewahren. Ähnlich positiv schneiden auch Rote-Rübensaft, Karottensaft oder ein bestimmter, von Lussi getesteter Hustensaft ab. Auch hier wegen der schützenden Polyphe­nole. Weniger gut haben es Weißwein-Aficionados: „Weißwein ist tendenziell erosiver als Rotwein, weil Rotwein einfach mehr Polyphenole enthält. Champagner ist übrigens noch bedeutend erosiver als Weißwein“, weiß Prof. Lussi. Polyphenole machen Proteine im Speichel, die den Zahnschmelz schützen, widerstandsfähiger: „Sobald ein Zahn mit Speichel in Berührung kommt, bildet sich eine dünne Schicht aus im Speichel enthaltenen Proteinen“, erklärt Lussi. „Polyphenole machen diese Schicht widerstandsfähiger und schützen somit vor Säure.“ Mineralwasser, obwohl leicht sauer, führt ebenfalls nicht zur Erweichung der Schmelzoberfläche, was seinem Kalziumgehalt zuzuschreiben ist.

Joghurt gegen Säure

Kalzium kann den schädlichen Effekt der Säure abmildern: Ein Löffel Naturjoghurt im Fruchtsalat oder ein Stück Käse zum Essen liefern wertvolles Kalzium, das den Zahn schützt. Dadurch verlieren saure Speisen einen großen Teil ihres erosiven Potenzials. Auch zuckerfreier Kaugummi kann helfen. Er regt den Speichelfluss an. Dr. Lussi: „Dadurch wird die Säure neutralisiert.“ Die Schäden, die bereits entstanden sind, lassen sich zwar nicht rückgängig machen – doch der Abbau des Zahnschmelzes kommt so zum Stillstand, erklärt Lussi. Nicht zu unterschätzen ist zudem die einfachste aller Maßnahmen: Wasser trinken. Ein Glas Wasser nach einem sauren Snack oder Getränk spült die restliche Säure von der Zahnoberfläche. So bleibt der Angriff auf den Zahnschmelz kurz.

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Zähne putzen – besser sofort

Viele Menschen glauben, man solle nach dem Genuss von sauren Lebensmitteln oder Getränken mit dem Zähneputzen mindestens eine halbe Stunde warten, um den Zahnschmelz nicht zusätzlich zu beschädigen. Dieser Rat galt tatsächlich lange Zeit. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass das Abwarten keinen Vorteil bringt. Prof. Lussi erklärt: „Der Zahnschmelz wird durch Säuren zwar vorübergehend aufgeweicht, aber bis er wieder vollständig ausgehärtet ist, vergehen nicht Minuten, sondern Wochen bis Monate. Selbst wenn man also eine halbe Stunde wartet, bleibt der Zahnschmelz immer noch weich und anfällig.“ Wichtiger ist etwas anderes: Während man wartet, können Zuckerreste und Bakterien ungestört auf den Zähnen bleiben. Diese verursachen weiterhin Karies – das nach wie vor häufigste Zahnproblem in der Bevölkerung.

Kinderzähne gefährdet

Kritisch für Kinder ist der Konsum von extrem sauren Süßigkeiten wie Fruchtbonbons oder Trinkpäckchen. Diese Produkte greifen nicht nur die Milchzähne an, sondern prägen auch Gewohnheiten, die sich später schwer ändern lassen. „Kinder sollten möglichst früh lernen, dass Wasser die beste Erfrischung ist“, betont Lussi. Besonders Kinder mit Kreidezähnen leiden stark unter säureempfindlichen Zähnen – selbst gesunde Lebensmittel wie frisches Obst können dann Schmerzen auslösen.

Neu: Rezepte gegen Säure

Bisher galt vor allem der Verzicht auf saure Speisen und Getränke als Schutzmaßnahme – doch damit gehen wichtige Nährstoffe verloren, und Betroffene fühlen sich im Alltag oft eingeschränkt. Um hier Abhilfe zu schaffen, gründete die Zahnärztin Houma Kustermann eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit dem Ziel, wissenschaftlich geprüfte Rezepte zu erstellen, die die Säurewirkung durch kalziumreiche Zutaten neutralisieren. Prof. Lussi konnte in Labortests nachweisen: Salate mit Joghurt oder Parmesan sowie Obstsalate mit Joghurttopping wirkten nicht mehr erosiv. Zudem ließen sich Getränke wie Orangensaft, Obst-Smoothies oder auch Energy-Drinks mit Kalziumzusätzen entschärfen. Die schlechte Nachricht: Cola blieb selbst bei höchster Kalziumkonzentration erosiv.

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