Bittere Erinnerung

Färöer-Zipfelmütze auf Wien-Besuch

27.06.2008

1990 sorgte er für die größte Blamage im heimischen Fußball: Färöer-Goalie Knudsen und seine Zipfelmütze. Jetzt mit einer Färinger-Ausstellung in Wien!

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Wenn eine Zipflmütze auf Reisen geht, hat ihr Besitzer viel zu erzählen - vor allem wenn er Jens Martin Knudsen heißt und die vielleicht berühmteste jemals von einem Fußballer getragene Kopfbedeckung sein Eigen nennt. Der mittlerweile 41-Jährige trug die weiße Wollhaube, die noch bis 7. September im Wiener Leopold-Museum im Rahmen der Ausstellung "Moderne Kunst der Färöer Inseln" zu sehen ist, am 12. September 1990 in der schwedischen Stadt Landskrona. Nicht zuletzt dank Knudsens Paraden verlor Österreich dort gegen die Kicker der Färöer in deren erstem Bewerbsspiel 0:1 und musste damit die wohl größte Blamage in der ÖFB-Geschichte einstecken.

Lokale Berühmtheit
Knudsen und seine Kollegen hingegen stiegen bei den 48.000 Bewohnern der Inselgruppe im Nordatlantik zwischen den Britischen Inseln, Norwegen und Island zu Volkshelden auf, und diesen Status genießen sie noch heute, auch wenn Knudsen beschwichtigt: "Die Färinger sind sehr bodenständige Leute, dort wird man nicht so schnell zum Star. Aber die Leute erkennen mich schon auf der Straße."

Unmittelbar nach dem historischen Landskrona-Match erreichte Knudsen, der am Donnerstag beim EM-Semifinale zwischen Spanien und Russland im Wiener Happel-Stadion saß, eine weit größere Bekanntheit. Die Bilder des Amateur-Keepers mit der Zipflmütze, der damals Spielern wie Toni Polster oder Andreas Herzog die Stirn bot, gingen um die Welt und galten als Sinnbild für die historische Sensation.

Zufall
Dabei hätte Knudsen die Haube in dieser Partie fast nicht getragen. "Weil ich mir gedacht habe, ich könnte zum größten Trottel Europas werden, wenn ich mit dieser Mütze den Ball sechs-, siebenmal aus dem Tor fischen muss." Schließlich wollte der Färinger aber doch nicht auf sein Markenzeichen verzichten, das er schon von Kindesbeinen an zwischen den Pfosten trug.

Wie Cech
"Als 13-Jähriger hatte ich einen Schädelbasisbruch, danach wollte ich unbedingt wieder Fußball spielen. Aber der Arzt hat gesagt, das kann ich nur noch mit einem Helm, und weil der nicht erlaubt ist, habe ich eben die Zipflmütze genommen, damit sich meine Mutter weniger Sorgen macht", erzählt Knudsen.

Unverkäuflich
Rund drei Jahre nach Landskrona verzichtete er für einige Zeit auf die Haube - aus Rücksichtnahme auf seine Teamkameraden, "weil die Mütze vor jedem Länderspiel im Mittelpunkt gestanden ist und das Sportliche schon fast verdrängte". Erst ab Ende der 1990er-Jahre war das Utensil, das Knudsen "um kein Geld der Welt" verkaufen würde, wieder auf den Fußballplätzen zu sehen, eine derart stolze Stunde wie in der südschwedischen Stadt war ihm aber nicht mehr vergönnt.

Österreicher zu arrogant
Wie es damals zu der Sensation hatte kommen können, darüber rätselt Knudsen noch immer. "Wahrscheinlich war es auch die Arroganz der Österreicher. Die haben sich nicht ernsthaft vorbereitet, noch einen Tag vor unserem Match das Länderspiel Dänemark - Wales in Kopenhagen angeschaut. Das hat uns zusätzlich motiviert." Außerdem sei die Qualität der Färöer-Auswahl nicht zu unterschätzen gewesen. "Wir haben in dieser EM-Quali wenige Monate später 1:1 in Nordirland gespielt und gegen die Jugoslawen, die damals zu den Besten der Welt zählten, nur 0:2 verloren", so Knudsen.

Dennoch schüttelt der 65-fache Internationale noch immer den Kopf, sobald er an den Spielverlauf denkt. "Wir hatten uns das Match eigentlich in Fünf-Minuten-Perioden eingeteilt, und wären froh über jeden dieser Abschnitte gewesen, den wir ohne Gegentor überstanden hätten."

Feiertag
Als statt der tristen Vorahnungen die kühnsten Träume wahr wurden, brachen auf den ansonsten beschaulichen Färöer alle Dämme. "Damals gab es ja keine Handys und wir hatten keine Ahnung, was daheim los war. Aber als wir dann zurückgekommen sind, war es einfach nur unglaublich, was sich da abgespielt hat. So was hat es auf den Färöer davor und danach nicht mehr gegeben", sagt Knudsen über jenes Ereignis, das den davor im Schatten von Handball stehenden Fußball prompt zur populärsten Sportart der Inselgruppe machte.

Co-Teamchef
Am 11. Oktober könnte das nächste Kapitel des Heldenepos geschrieben werden, wenn die ÖFB-Auswahl im Rahmen der WM-Qualifikation entweder in Toftir oder in Torshavn gegen die Färöer antritt und Knudsen wieder mit dabei ist. Der Besitzer der UEFA-A-Lizenz fungiert seit vergangenem Oktober als Co-Trainer von Teamchef Jogvan Martin Olsen, schon ein Jahr zuvor übernahm er die Rolle des nationalen Tormann-Trainers.

Optimistisch
Aufgrund seiner Verbands-Funktionen hat er die EM-Auftritte der Österreicher genau unter die Lupe genommen. "Sie waren überraschend gut und haben sehr offensiv gespielt. Ich habe sie nicht so stark erwartet", lautet die Einschätzung Knudsens. Ein neues Landskrona hält er dennoch nicht für ausgeschlossen. "Wenn alles passt, können wir Österreich sicher Paroli bieten." Vor der weißen Zipflmütze müssen sich die ÖFB-Kicker aber nicht mehr fürchten - die hängte Knudsen im vergangenen Herbst gemeinsam mit seinen Fußball-Schuhen endgültig an den Nagel, nachdem er mit Runavik Färöer-Meister geworden war.

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