Trotz Blatter-Beschluss

FIFA: Viele offene Fragen um Katar-WM

18.07.2013

England, Spanien, Italien gegen Umstellung des Spielkalenders.

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Vor dem Alpen-Panorama von Going hat Joseph Blatter in seiner typisch präsidialen Art für WM-Fakten gesorgt. Ganz so einfach, wie sich der FIFA-Boss die Winter-WM 2022 in Katar nun plötzlich vorstellt, wird die historische Verlegung der Fußball-Show am Golf trotz positiven Feedbacks aus der deutschen Bundesliga aber nicht werden. Widerstand aus den USA, England, Spanien und auch Italien scheint programmiert - inklusive möglicherweise kostspieliger Klagen für die FIFA.

Die Auswirkungen auf den internationalen Rahmenterminkalender werden sich wohl auch nicht wie von Blatter behauptet auf eine Saison beschränken lassen. Schon im kommenden Jahr sollen die notwendigen Änderungen für die Spielpläne in Europas Topligen beschlossen sein, kündigte Blatter an. "Bis Ende 2014 steht der Rahmenterminkalender für die WM 2022. Das sind acht Jahre und damit ist mehr als genug Zeit", sagte der 77-Jährige am Donnerstag der dpa.

Dann müssen die europäischen Ligen - darunter wohl auch die österreichische - mindestens für eine Saison ihren Spielplan umstellen und womöglich den ganzen Sommer durchspielen. Viele deutsche Club-Verantwortliche wie Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler oder Horst Heldt begrüßen mittlerweile angesichts der "unerträglichen Hitze bis zu 50 Grad" (Heldt) öffentlich eine Verlegung und auch die DFL zeigte sich kooperativ.

Im Gegensatz zu Deutschland werden alternative Spielplan-Szenarien im Süden Europas wegen der dortigen Sommerhitze grundsätzlich abgelehnt. Spaniens Primera Division und Italiens Serie A haben Gegenwehr angekündigt.

FIFA drohen möglicherweise Klagen
Heftiger Widerstand kommt auch aus England - die Premier League will eine Verlegung in die Wintermonate nicht klaglos hinnehmen. "Die Haltung der Premier League ist unverändert. Die Aussicht einer Winter-WM ist weder praktikabel noch wünschenswert für den europäischen Fußball", wurde ein Ligasprecher am Donnerstag in mehreren englischen Medien zitiert.

England ist als Vergabe-Verlierer für die WM 2018 auf die FIFA ohnehin nicht gut zu sprechen. "Ich bin absolut sicher, dass Länder wie England auf eine Neuvergabe drängen, wenn sie eine Chance dafür sehen", sagte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert im Mai. Die USA hat als unterlegener Katar-Konkurrent auch schon rechtliche Mittel erwogen, da sich die Ausschreibungskriterien nun fast drei Jahre nach der Vergabe verändern sollen. Blatter hingegen spielt die Gefahr von juristischen Auseinandersetzungen herunter.

"Ich glaube nicht, dass es Klagen geben wird. Im FIFA-Pflichtenheft steht, dass sich die FIFA-Exekutive vorbehält, eventuelle Änderungen bei einer WM vorzunehmen", sagte Blatter. Tatsächlich hatte die FIFA in diesem Jahr beschlossen, dem Exekutivkomitee die organisatorische Hoheit über die konkreten WM-Planungen für 2018 und 2022 zu übertragen.

WM-Gastgeberrolle 2026
Hinter den Kulissen wird gemunkelt, dass die USA mit der WM-Gastgeberrolle 2026 abgefunden werden könnte. Diese wird nach den gerade beschlossenen Regeln allerdings vom FIFA-Kongress mit seinen 209 Mitgliedern vergeben. Blatter müsste wieder Sonderregeln schaffen. Blatters Wunsch-Ausrichter Südafrika 2010 und Brasilien 2014 waren nur durch ein danach wieder abgeschafftes Kontinental-Rotationsprinzip möglich gewesen.

Hinter Blatters klaren Aussagen vermuten viele nun eine sportpolitischen Schachzug. Sein potenzieller Präsidentschaftsrivale Michel Platini war schon viel früher auf die Winter-Variante eingeschwenkt. Nun kann der UEFA-Chef mit diesem Politikum keine Eigenwerbung kontra Blatter mehr betreiben. Zudem rückt die Termindebatte die immer noch ausstehende Aufklärung der Korruptionsverdächtigung gegen Exekutivkomitee-Mitglieder rund um den Katar-Zuschlag in den Hintergrund.

Ein Konfliktfeld hat Blatter immerhin schon bearbeitet. Eine Kollision mit den Olympischen Winterspielen soll vermieden werden, indem die WM erst im November oder Dezember 2022 und nicht wie zunächst erwogen im Jänner 2022 stattfinden soll. "Es wird nicht zu einer Konfliktsituation kommen, da sich FIFA-Präsident Blatter ausdrücklich für eine Verlegung der WM in die Monate November, Dezember 2022 ausgesprochen hat", sagte IOC-Vizepräsident Thomas Bach.

Beim Beckenbauer Camp in Going hatte Blatter diese Terminfrage schon geklärt, obwohl eigentlich das Exekutivkomitee solche Entscheidungen trifft. "2022, November, Dezember finden keine Olympischen Spiele statt. Und auch sehr wenige Skirennen im November und Dezember. Aber nicht in Katar. Im Internationalen Kalender müssen wir das genau anschauen. Wir müssen im Jahr spielen - 22 bis 22", sagte er. Diese Option würde eventuell auch ein Beibehalten des Schuljahres-Rhythmus' ermöglichen, wenn dafür die Saison früher beginnt und bis in den Sommer 2023 hineinreichen würde.

Nun muss die FIFA-Exekutive grundsätzlich zustimmen
Doch daran gibt es nach den klaren Blatter-Worten keine Zweifel. Allerdings wurden Detailprobleme bisher öffentlich nicht bedacht. Keine Antwort gibt es zum Beispiel derzeit auf die Frage, ob auch der Testlauf Confederations Cup im Jahr 2021 im Winter stattfinden wird - was bei eventuell zwei Teams aus Europa und vielen Europa-Gastarbeitern aus Südamerika die Spieltermine in den Topligen für ein weiteres Jahr durcheinanderwirbeln würde.

Brasilien verteidigte Wahl zum WM-Austragungsort
Nach der Kritik von FIFA-Präsident Joseph Blatter hat Brasilien die Wahl zum Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 verteidigt. Der Erfolg des Confederations Cups zeige, dass es richtig gewesen sei, Brasilien als WM-Austragungsort zu wählen, erklärte das Sportministerium am Donnerstag in einer Mitteilung. Damit reagierte die Behörde auf Äußerungen Blatters, der bei einer Wiederholung der jüngsten Massenproteste im kommenden Sommer sogar die Eignung Brasiliens als WM-Gastgeber infrage gestellt hatte.

Bei den Demonstrationen gegen Korruption und Misswirtschaft hatte es auch Proteste gegen die Milliarden-Kosten für die WM gegeben. Das Sportministerium machte klar: "Brasilien ist ein demokratisches Land, das seinen Bürgern völlige Meinungsfreiheit gewährt."

 

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