Berlusconi-Rücktritt

Rettet "Super Mario" Monti Italien?

11.11.2011

Präsident Napolitano will noch heute Mario Monti zum Premier ernennen.

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Berlusconi Adieu, willkommen Monti! Nach dem Rücktritt des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi, der 17 Jahre lang Italiens politische Szene geprägt hat, beginnt für Italien eine neue Ära. Das Ruder des Landes, das mit der tiefsten Schulden- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit konfrontiert ist, wird sehr wahrscheinlich der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti übernehmen.


Keine einfache Aufgabe steht dem lombardischen Wirtschaftsprofessor bevor, der zehn Jahre lang Italien in Brüssel repräsentiert und sich als rigoroser Wettbewerbskommissar internationales Ansehen erworben hat. An der Spitze einer Übergangsregierung, die voraussichtlich bis zum regulären Ende der Legislaturperiode 2013 im Sattel bleiben soll, muss Monti Italiens verlorene Glaubwürdigkeit wieder aufbauen und das Vertrauen der Finanzmärkte in die Fähigkeit seines Landes gewinnen, den gewaltigen Schuldenberg abzubauen.

Seinen Jahren als EU-Wettbewerbskommissar verdankt Monti den Ruf, problemlos den Druck von Lobbyisten Stand halten zu können. Der elegante Mann mit dem feinen Stecktuch im Jacket und den guten Manieren kümmert sich kaum um schlechte Presse und um Kritik. Diese Eigenschaften kann er gut gebrauchen, denn als Italiens Retter in der Not wird er unpopuläre Maßnahmen ergreifen müssen, um seiner Heimat eine Staatspleite zu ersparen. Der 68-Jährige will sich an die Spitze eines Technokratenkabinetts stellen, das von den Italienern "Blut und Tränen" verlangen wird, um die Schuldenkrise zu bewältigen und bis 2013 der EU eine ausgewogene Bilanz vorzulegen.

Mann mit klaren Visionen

Der aus der lombardischen Stadt Varese stammende Monti hat klare Visionen. Für Wirtschaftswachstum im stagnierenden Stiefelstaat seien Reformen erforderlich, die für ein Ende der Privilegien in Politik und Wirtschaft sorgen müssen. Daher will sich Monti um Liberalisierungsmaßnahmen bemühen, die in Italien den Weg zu mehr Konkurrenz und zum Abbau von Körperschaften in mehreren Wirtschaftszweigen ebnen können. Monti plant Indiskretionen zufolge die Einführung einer Reichensteuer, was Berlusconi hartnäckig verweigert hatte. Auch die vom Medienzaren gestrichene Immobiliensteuer auf Eigentumswohnungen könnte Monti wieder einführen.

Der Präsident der Mailänder Eliteuniversität Bocconi hat im Lauf seiner Karriere als Professor, EU-Kommissar sowie auch als Berater von Regierungen und Großkonzernen den Ruf eines Wirtschaftsliberalen und überzeugten EU-Anhängers erlangt. Monti genießt Glaubwürdigkeit in Brüssel. Dass er das Vertrauen der Finanzmärkte in sein Land wiederherstellen kann, hält man in Rom für sicher. "Mit seinem Amtsantritt sinken die Spreads gleich um 200 Basispunkte", heißt es in römischen Regierungskreisen.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Monti ist über die Aussichten seines Landes optimistisch. "Die Lage in Italien ist besser als in Griechenland. Unsere Wirtschaft ist größer und stärker. Was das Defizit betrifft, ist die Situation sogar besser als in Frankreich", sagte Monti. Trotz der Schwierigkeiten betrachtet er den Euro als Erfolg, den man verteidigen müsse. "Als Währungssystem hat der Euro bisher zu großartigen Resultaten in Europa geführt", so Monti.

Volle Unterstützung durch Staatspräsident Napolitano
Der Wirtschaftsprofessor kann mit der vollen Unterstützung von Präsident Giorgio Napolitano rechnen, der ihm schon am Sonntagabend den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen sollte. Um ihm den Weg zum Palazzo Chigi, dem Sitz des Premiers, zu ebnen, hat der Staatschef sogar eine ungewöhnliche Initiative ergriffen: Am Mittwoch ernannte er Monti überraschend zum Senator auf Lebenszeit. Damit wird Monti automatisch Mitglied des Parlaments.

Ministerliste steht angeblich bereits

Bei Konsultationsgesprächen mit Napolitano soll Monti bereits seine Ministerliste vorgelegt haben. Sein Kabinett soll ausschließlich aus parteiunabhängigen Fachleuten bestehen, die zum Großteil der Öffentlichkeit unbekannt sind. Einzige Ausnahme ist der ehemalige Premier Giuliano Amato, der als Außenminister im Gespräch ist. Für das Amt des Innenministers denkt Monti an den ehemaligen Polizeichef Carlo Mosca. Den heiklen Posten des Wirtschaftsministers könnte Monti interimistisch selbst übernehmen. Als künftige Industrieministerin denkt Monti laut italienischen Medien an die Vize-Generaldirektorin der italienischen Notenbank Anna Maria Tarantola.


Berlusconi will nicht aufgeben

Der zurückgetretene italienische Premier Silvio Berlusconi hat offenbar die Hoffnung nicht aufgegeben, noch einmal an die Macht zu kommen. Berlusconi zeigte sich am Sonntag über die Arbeit seiner Mitte-rechts-Partei "stolz" auf seine bisherige Arbeit und bereit, den "Weg der Regierung" wieder aufzunehmen, wie er in einem Brief an die Teilnehmer am Kongress der Rechtspartei "La Destra" in Turin erklärte. Diese Worte nähren Spekulationen, dass Berlusconi in der Politik bleiben und bei den nächsten Parlamentswahlen wieder kandidieren könnte.

Berlusconi ist stolz auf seine Arbeit als Regierungschef

"Ich bin stolz auf das, was wir in diesen letzten dreieinhalb Jahren getan haben, die von einer internationalen Krise ohne Gleichen in der Geschichte gekennzeichnet waren", schrieb Berlusconi. "Ich teile Ihre Ansichten und hoffe, dass wir gemeinsam den Weg der Regierung wieder aufnehmen werden", betonte der zurückgetretene Ministerpräsident in seinem Schreiben an die Aktivisten der Rechtspartei.

Berlusconi betonte, er hoffe, dass die errungenen Resultate zur Modernisierung Italiens nicht verloren gehen würden. "Jemand sorgte dafür, dass die italienische Politik einen Sprung zurück macht, als der Wille der Wähler von Parteioligarchien ignoriert wurde, die die Macht verwalteten, ohne sich bei den Bürgern verantworten zu müssen", warnte Berlusconi.

Innenminister Maroni: "Berlusconi ist müde und verbittert"

Innenminister Roberto Maroni berichtete, er habe lang mit Berlusconi nach seinem Rücktritt gesprochen. "Er ist mitgenommen, müde und verbittert, doch er ist ein großer Kämpfer", so Maroni, "Nummer Zwei" der mit Berlusconi verbündeten rechtspopulistischen Lega Nord. Maroni kritisierte die Menschenmenge, die am Samstagabend mit Schmährufen und Pfiffen Berlusconis Rücktritt gefeiert hatte. "Das was wir gesehen haben, war nicht schön: Leute, die beleidigen, spucken und Gegenstände werfen", kritisierte Maroni.

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