Es handle sich um ''unbewaffnete Zivilisten''

Leichen von fünf gefesselten Männern in Keller in Butscha gefunden

04.04.2022

Es handle sich um ''unbewaffnete Zivilisten'', die von russischen Soldaten getötet worden seien, teilte die Behörde am Montagabend im Onlinedienst Telegram mit.

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Kiew (Kyjiw)/Moskau. In einem Keller in Butscha sind nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft die Leichen von fünf gefolterten Männern entdeckt worden. Es handle sich um "unbewaffnete Zivilisten", die von russischen Soldaten getötet worden seien, teilte die Behörde am Montagabend im Onlinedienst Telegram mit. Sie seien mit gefesselten Händen im Keller eines Kindersanatoriums in dem Kiewer Vorort gefunden worden. Es seien Ermittlungen eingeleitet worden, hieß es weiter. 

Dazu veröffentlichte die Behörde Fotos. Die Ukraine beschuldigt die russische Armee, in Butscha ein "Massaker" an Zivilisten verübt zu haben. AFP-Reporter sahen am Wochenende auf einer Straße des Ortes mindestens 22 Leichen in ziviler Kleidung. Butscha war ab dem 27. Februar von der russischen Armee besetzt worden und blieb daraufhin über einen Monat lang weitgehend unzugänglich. Die Aufnahmen und Berichte aus dem Ort lösten weltweit Entsetzen aus.

Die Ukraine zählte im Gebiet rund um die Hauptstadt Kiew mehr als 400 tote Zivilisten und macht dafür die vor kurzem abgezogenen russischen Truppen verantwortlich. Moskau bestreitet das und spricht von einer "Fälschung".

Nach Worten des ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba sind die Gräueltaten von Butscha nur "die Spitze des Eisbergs" der von Russland begangenen Verbrechen. Daher seien härtere Sanktionen gegen Russland nötig, betonte Kuleba bei einer Pressekonferenz mit der britischen Außenministerin Liz Truss am Abend. "Sollte es Bedenken geben, schauen Sie sich Butscha an."

Mehr als einen Monat umkämpft und belagert

Die Bilder von  getöteten Zivilisten in der ukrainischen Stadt Butscha haben weltweit Entsetzen ausgelöst. Die Regierung in Kiew wirft Moskau ein "Massaker" vor. Die russische Seite wiederum spricht von einer Inszenierung der Ukraine. Das ist bisher über die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butscha bekannt:

Butscha ist eine Pendlerstadt im Nordwesten von Kiew mit rund 37.000 Einwohnern. Gleich zu Beginn des Krieges am 24. Februar wurde Butscha ebenso wie die Nachbarstadt Irpin angegriffen und zum Schauplatz heftiger Kämpfe. Am 26. Februar besetzten die russischen Truppen die Stadt und riegelten sie mehr als einen Monat von der Außenwelt ab. Am Donnerstag endete der Beschuss und die ukrainische Armee erlangte in den vergangenen Tagen wieder die Kontrolle über Butscha.

Die Menschen, die in der Stadt geblieben waren, mussten wochenlang ohne Strom und Wasser bei eisigen Temperaturen ausharren. Zeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP, unter den Besatzern seien auch tschetschenische Kämpfer gewesen. AFP-Journalisten sahen am Wochenende riesige Löcher, die Granaten in Wohnblöcke gerissen hatten. Die Straßen waren mit Trümmern übersät, zahlreiche Autowracks lagen herum genauso wie umgestürzte Stromleitungen.

Leichen in den Straßen

AFP-Reporter zählten am Samstag die Leichen von mindestens 22 Menschen in Zivilkleidung in einer einzigen Straße in Butscha. Eine von ihnen lag auf dem Bürgersteig neben einem Fahrrad, andere hatten Taschen mit Proviant bei sich. Bei einem Toten waren die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ein weiteres Opfer lag tot unter einer Decke in der Nähe des Bahnhofs.

Mindestens zwei der Getöteten wiesen große Kopfwunden auf. Die Gesichter der Leichen sahen wächsern aus, was darauf hindeutet, dass sie bereits seit mehreren Tagen dort lagen. Die russischen Soldaten hätten die Zivilisten mit einem "Schuss in den Nacken" getötet, sagte der Bürgermeisters von Butscha, Anatoly Fedoruk. 

Pfarrer von Butscha: "Unser Friedhof ist zu klein für all die Leichen"

Die deutsche "Bild" war heute bereits zum zweiten Mal nach dem Anzug der russischen Truppen mit Journalisten vor Ort in Butscha. Der 48-jährige Priester Andrey, der den Angriff der russischen Besatzer selbst miterlebt hat, berichtet gegenüber "Bild": "Die sogenannten 'Befreier' kamen, um zu plündern, um auf Zivilisten zu schießen, zu töten. Wir sehen hier die Folgen. Hier liegen tote Menschen, viele von der Straße aufgelesen. Unser Friedhof ist zu klein für all die Leichen." 

Auf dem Friedhof würden derzeit die Leichen in schwarzen Säcken gestapelt. Niemand wisse, wann sie bestattet werden können.

Massengräber

In einem Massengrab seien die Leichen von 57 Menschen gefunden worden, sagte der Leiter der örtlichen Rettungsdienste, Serhij Kaplytschnij, als er AFP die Grube zeigte. Das Massengrab befindet sich hinter einer Kirche im Zentrum von Butscha. Manche der Toten darin waren noch vollständig zu sehen, andere waren nur teilweise begraben. Alle trugen Zivilkleidung.

© APA/AFP/Satellite image ©2022 Maxar Technologies

Nach Angaben von Bürgermeister Fedoruk wurden insgesamt 280 Menschen in Massengräbern bestattet, weil die Friedhöfe beschossen wurden. "Wir haben Massengräber gefunden. Wir haben Menschen mit gefesselten Händen und Beinen gefunden, mit Einschusslöchern im Hinterkopf", sagte Präsidentensprecher Sergej Nikiforow am Sonntag dem britischen Sender BBC.

Die genaue Zahl der Opfer ist noch unbekannt. "Wir glauben, dass mehr als 300 Zivilisten gestorben sind", sagte der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, am Sonntag bei seinem Besuch in Butscha. "Das ist kein Krieg, das ist ein Völkermord, ein Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung." 

Russland weist Vorwürfe zurück

Lawrow fordert zudem Großbritannien auf, seine Aufgaben im UN-Sicherheitsrat zu erfüllen. Das Land, das derzeit den Vorsitz des Gremiums hält, hat den russischen Antrag auf Einberufung einer Sicherheitsratssitzung bereits am heutigen Montag zurückgewiesen. Die Sitzung soll stattdessen am Dienstag stattfinden.

Das russische Präsidialamt hatte bereits sämtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit getöteten Zivilisten in Butscha kategorisch zurückgewiesen. Die Fakten und der zeitliche Ablauf der Vorkommnisse entsprächen nicht der ukrainischen Darstellung, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Deshalb sollten Anschuldigungen der ukrainischen Seite angezweifelt werden und internationale Politiker keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Die Moskauer Regierung spricht bei der Darstellung der Ereignisse von Butscha von einer "ukrainischen Provokation".

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