Sprachen-Streit

Paris geht gegen Regionalsprachen vor

20.06.2008

Bretonisch, Baskisch oder Korsisch: Paris sind die Regionalsprachen ein Dorn im Auge. Der Senat kippte ein Verfassungsantrag.

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Die Elsässer sind entrüstet und schockiert. Noch vor wenigen Wochen hat das französische Parlament für die Anerkennung der Regionalsprachen in der Verfassung gestimmt, doch die Freude über diese Aufwertung des "Elsässerditsch" währte nicht lange. Der Senat, die zweite Parlamentskammer, hat jetzt gegen dieses Vorhaben gestimmt. Auch die altehrwürdige Académie Francaise in Paris, die sich um die Reinheit der Sprache kümmert, nannte den Vorstoß einen "Angriff auf die nationale Identität".

"Die Republik ist Französisch"
"Angegriffen wird die französische Sprache durch SMS-Texte und das beklagenswerte Niveau des Französisch-Unterrichts an unseren Schulen", sagt der Vorsitzende der Vereinigung für elsässische Sprache und Kultur, Gérard Cronenberger. "Unser Dialekt ist eine Bereicherung und macht es leichter, Deutsch zu lernen". Aus der grenznahen Sicht der Elsässer mag das stimmen, doch in Paris sieht man es - hauptsächlich im konservativen Regierungslager - etwas anders. Man hält lieber an der Tradition fest, wie sie in Absatz zwei der Verfassung festgeschrieben ist: "Die Sprache der Republik ist Französisch". Die Parlamentarier wollten hinzufügen, "die Regionalsprachen gehören zum Erbe der Nation".

"Wo waren unsere elsässischen Politiker, als im Senat dagegen gestimmt wurde", empört sich Cronenberger. Ein abweichendes Votum oder ein Protest der immerhin neun Senatoren aus dem Elsass ist bisher nicht bekannt. Dabei hat sogar die ebenfalls konservative Justizministerin Rachida Dati vergeblich für die kulturelle Vielfalt plädiert. Für sie sind Regionalsprachen wie Bretonisch, Baskisch oder Korsisch "Teil unserer Identität und sollten deshalb erhalten werden".

Elsässich in Schriftform ist Deutsch
Wer heute zwischen Rhein und Vogesen "Elsässerditsch" spricht, hat es von seinen Eltern und Großeltern auf dem Land übernommen. Die Regionalsprache ist eine Mischung aus archaischem Deutsch und Französisch, die im Nordelsass anders gesprochen wird als im Süden an der Schweizer Grenze. Die Schriftform des Elsässischen ist Deutsch. Vor Jahren haben einfallsreiche Regionalisten einen Aufkleber mit einem Storch und der Aufschrift "red wie dir d'r schnawel gewachse isch" (Rede, wie Dir der Schnabel gewachsen ist) populär gemacht. Eine Fundgrube für Volkstümliches sind elsässische Sprichwörter: "D'r Lorbeerkranz esch güet se binde, de kopf dezü esch schwärer ze finde" (Der Lorbeerkranz ist leicht zu binden, der Kopf dafür ist schwerer zu finden).

Über die Haltung der Académie Francaise kann sich Cronenberger nur amüsieren. "Diese Institution wurde unter Kardinal Richelieu im 16. Jahrhundert geschaffen. Sie gehört der Vergangenheit an", sagt er. Auch der Präsident des elsässischen Regionalrates, Adrien Zeller, hat verständnislos reagiert. "Elsässisch ist ein Faktor der Öffnung Frankreichs nach Osten", sagt er. Die Regionalpolitiker verweisen auf tolerante und weltoffene Staaten wie Kanada, Luxemburg oder Belgien, wo Französisch im Rahmen der Sprachenvielfalt akzeptiert ist. Im Elsass setzt man darauf, dass zum Schluss "doch die Vernunft siegt". Wenn die Angelegenheit zur zweiten Lesung ins Parlament zurückkehrt, so hofft zumindest Cronenberger, "werden die Verfechter der kulturellen Vielfalt hoffentlich die Mehrheit bekommen".

Foto: Malerisches Elsass

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