Bretonisch, Baskisch oder Korsisch: Paris sind die Regionalsprachen ein Dorn im Auge. Der Senat kippte ein Verfassungsantrag.
Die Elsässer sind entrüstet und schockiert. Noch vor wenigen Wochen hat das französische Parlament für die Anerkennung der Regionalsprachen in der Verfassung gestimmt, doch die Freude über diese Aufwertung des "Elsässerditsch" währte nicht lange. Der Senat, die zweite Parlamentskammer, hat jetzt gegen dieses Vorhaben gestimmt. Auch die altehrwürdige Académie Francaise in Paris, die sich um die Reinheit der Sprache kümmert, nannte den Vorstoß einen "Angriff auf die nationale Identität".
"Die Republik ist Französisch"
"Angegriffen
wird die französische Sprache durch SMS-Texte und das beklagenswerte Niveau
des Französisch-Unterrichts an unseren Schulen", sagt der Vorsitzende der
Vereinigung für elsässische Sprache und Kultur, Gérard Cronenberger. "Unser
Dialekt ist eine Bereicherung und macht es leichter, Deutsch zu lernen". Aus
der grenznahen Sicht der Elsässer mag das stimmen, doch in Paris sieht man
es - hauptsächlich im konservativen Regierungslager - etwas anders. Man hält
lieber an der Tradition fest, wie sie in Absatz zwei der Verfassung
festgeschrieben ist: "Die Sprache der Republik ist Französisch". Die
Parlamentarier wollten hinzufügen, "die Regionalsprachen gehören zum Erbe
der Nation".
"Wo waren unsere elsässischen Politiker, als im Senat dagegen gestimmt wurde", empört sich Cronenberger. Ein abweichendes Votum oder ein Protest der immerhin neun Senatoren aus dem Elsass ist bisher nicht bekannt. Dabei hat sogar die ebenfalls konservative Justizministerin Rachida Dati vergeblich für die kulturelle Vielfalt plädiert. Für sie sind Regionalsprachen wie Bretonisch, Baskisch oder Korsisch "Teil unserer Identität und sollten deshalb erhalten werden".
Elsässich in Schriftform ist Deutsch
Wer heute zwischen
Rhein und Vogesen "Elsässerditsch" spricht, hat es von seinen Eltern und
Großeltern auf dem Land übernommen. Die Regionalsprache ist eine Mischung
aus archaischem Deutsch und Französisch, die im Nordelsass anders gesprochen
wird als im Süden an der Schweizer Grenze. Die Schriftform des Elsässischen
ist Deutsch. Vor Jahren haben einfallsreiche Regionalisten einen Aufkleber
mit einem Storch und der Aufschrift "red wie dir d'r schnawel gewachse isch"
(Rede, wie Dir der Schnabel gewachsen ist) populär gemacht. Eine Fundgrube
für Volkstümliches sind elsässische Sprichwörter: "D'r Lorbeerkranz esch
güet se binde, de kopf dezü esch schwärer ze finde" (Der Lorbeerkranz ist
leicht zu binden, der Kopf dafür ist schwerer zu finden).
Über die Haltung der Académie Francaise kann sich Cronenberger nur amüsieren. "Diese Institution wurde unter Kardinal Richelieu im 16. Jahrhundert geschaffen. Sie gehört der Vergangenheit an", sagt er. Auch der Präsident des elsässischen Regionalrates, Adrien Zeller, hat verständnislos reagiert. "Elsässisch ist ein Faktor der Öffnung Frankreichs nach Osten", sagt er. Die Regionalpolitiker verweisen auf tolerante und weltoffene Staaten wie Kanada, Luxemburg oder Belgien, wo Französisch im Rahmen der Sprachenvielfalt akzeptiert ist. Im Elsass setzt man darauf, dass zum Schluss "doch die Vernunft siegt". Wenn die Angelegenheit zur zweiten Lesung ins Parlament zurückkehrt, so hofft zumindest Cronenberger, "werden die Verfechter der kulturellen Vielfalt hoffentlich die Mehrheit bekommen".
Foto: Malerisches Elsass