Innovative Studie

Rinspeed zeigt die Autozukunft

15.12.2015

Im Etos ist man mit persönlichem Autopilot und Drohne unterwegs.

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© Rinspeed
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Normalerweise trumpft der Schweizer Tüftler und Erfinder Franz M. Rinderknecht erst immer bei seinem Heimspiel auf dem Genfer Autosalon mit einer spektakulären Studie auf. Doch 2016 sieht die Sache etwas anders aus. Erstmals feiert der Boss der Ideenschmiede Rinspeed , mit dem hybriden Sportwagen „Ʃtos“ eine Weltpremiere außerhalb der alpenländischen Heimat – und zwar in Las Vegas. Begründung des Auto-Visionärs: „Die digitale Welt liefert in Zukunft die großen und vor allem disruptiven Innovationen im Automobilbau. Deshalb sind auf der Consumer Electronics Show CES mittlerweile alle großen Autohersteller und Zulieferer präsent.“ Dass Rinderknecht damit richtig liegt, zeigen unter anderem VW und Chevrolet, die mit der Studie eines Elektro-Bulli (BUDD-E) und der Serienversion des E-Auto Bolt ebenfalls mit Weltpremieren auf der CES 2016 (5. bis 8. Jänner) vertreten sind.

Selbstfahrend
Das aktuelle Top-Thema „selbstfahrendes Auto“ betrachtet der Schweizer Vordenker wie immer in erster Linie aus der Sicht von Fahrer und Insassen, also dem Menschen. Zentrale Frage: Wieviel Mensch soll, muss oder darf in einer Maschine stecken? Es gibt unzählige offene Fragen, wie zum Beispiel nach der Moral und Ethik einer Maschine. Zudem muss aber auch der Weg in eine technische Umsetzung gefunden werden. Rinderknecht wagt eine Prognose: „Dieser Prozess wird wohl in einer adaptiven, lernfähigen und intuitiven Steuerungssoftware münden. Aber der Weg dorthin ist lang und steinig.

Cockpit und Bedienung
Der technische Clou im Innenraum des „Ʃtos“ ist das falt- und einziehbare Lenkrad. Wie von Zauberhand verschwindet es innerhalb weniger Sekunden in der Instrumententafel. So entsteht viel Platz vor dem Fahrer, der bequem und nach alter Manier ein Buch zur Hand nehmen oder auch entspannt arbeiten kann. Weiteres Cockpit-Highlight ist das Harman Infotainmentsystem mit seinen beiden gewölbten 21,5-Zoll Ultra-HD-Breitbild-Monitoren, die sich auf Wunsch individuell verschieben lassen. Neue Technologien sollen den Komfort deutlich steigern: Ob Fahrtziele, Routenauswahl, Sehenswürdigkeiten, Tanken, Parken, Anrufe, Musik, Videos oder persönliche Vorlieben - der „Ʃtos“ lernt laut Rinspeeed die Termine, Wünsche und Bedürfnisse der Insassen mit jedem Kilometer und jedem Tag besser kennen und bietet automatisch passende Auswahlmöglichkeiten. Die notwendige Zahl potentiell ablenkender Eingaben soll so drastisch sinken - trotz erweitertem Funktionsumfang. Und sollte doch einmal ein Befehl notwendig sein, reagiert die Studie auf Sprachbefehle, Gesten, Toucheingabe, Controller oder Tastendruck.

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Das Lenkrad zieht sich im autonomen Modus zurück.

Vernetzung mit der Außenwelt
Insgesamt acht HD-Außenkameras überwachen das Fahrzeugumfeld. Das erlaubt 180-Grad-Panoramaansichten unmittelbar vor und hinter dem Fahrzeug sowie „Außenspiegel“ mit einem erweiterten Blickfeld ohne toten Winkel. Personen und Objekte im gesamten Fahrzeugumfeld werden automatisch erkannt, verfolgt und falls Unfallpotential von ihnen ausgeht, wird der Fahrer gewarnt. Die nahtlose Verknüpfung mit der Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln, Verkehrsbeeinflussungsanlagen sowie mit anderen Autos, insbesondere Einsatzfahrzeugen, lässt Fahrer und Fahrzeug laut Rinderknecht sogar durch Hindernisse hindurchblicken. Der Visionär spricht dabei von einem "E-Horizont", der Sicherheits- und Komfortfunktionen wie präzise Geisterfahrer-Warnungen oder einfach auch das sanfte und energiesparende Gleiten auf der „grünen Welle“ ermöglichen soll.

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Am Heck parkt eine Drohne, die vom Fahrer gesteuert werden kann.

Integrierte Drohne
Als wären diese Visionen nicht schon genug, verfügt die Studie auch noch über eine eigene Drohne nebst Landeplattform im Heck, welche mit 12.000 einzeln ansteuerbaren LEDs auch zur Infotafel wird. Die Drohne selbst kann nützliche Dinge erledigen – dabei darf man natürlich nie vergessen, dass wir hier von einer reinen Studie mit wenig Chance auf Serienfertigung sprechen. Ein auf dem Heimweg online bestellter Blumenstrauß ist mit ihr schnell herbeigeholt, ohne das Fahrzeug verlassen zu müssen. Man kann dabei sogar weiterfahren, weil die Drohne automatisch zum Auto zurückfindet. Zudem soll der kleine Quadrocopter Spaß machen - etwa als „UFO“, das ein Selfie vom Ritt im „Ʃtos“ über die Hausstrecke dreht und live an die Freunde streamt.

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Fährt der Etos selbstständig, kann der Fahrer ein Buch lesen.

i8 spendet die Plattform
Rinspeed hat die Studie auf technischer Basis des BMW Hybrid-Sportwagens i8 entwickelt, dessen Antriebsstrang sie auch übernimmt. Optisch geht der futuristisch gestylte „Ʃtos“ aber eigene Wege. So sorgen etwa die in tiefem Schwarz glänzenden 20-Zoll-Felgen (von Borbet) für eine imposante optische Breite der Karosse. Die aerodynamische Form soll möglichst windschlüpfrig sein. Damit der innovative Sportwagen möglichst wenig Gewicht auf die Waage bringt, hat Corning das Glasdach und das „Drohnen-Pad“ im Heck aus leichtem und dünnem Gorilla-Glas gefertigt, wie es auch in Smartphones zum Einsatz kommt. Der Vorderbau aus Aluminium und die Fahrgastzelle aus Kohlefaser sind mit Klebstoff verbunden. Eine optische Brücke zwischen den Hauptscheinwerfern bildet die mit 3-D-Effektlackierung veredelte Frontblende. Die achteckigen und in das Glasdach integrierten Flachantennen tragen entscheidend dazu bei, dass der Empfang im „Ʃtos“ stets bestens ist. Ansonsten wäre an ein autonomes Fahren gar nicht zu denken.

Weltpremiere feiert die Studie in Las Vegas. Beim Rinspeed-Heimspiel in Genf (März) wird sie dann aber auch in Europa zu sehen sein. In einigen Jahren wird sich zeigen, wie viele bzw. welche der innovativen Technologien es in Serienautos schaffen.

>>>Nachlesen: Hybrid-Sportwagen BMW i8 im Test

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