Wien. Der Lockdown hatte Auswirkungen auf die Brustkrebs-Früherkennung in Österreich. In dieser Zeit wurden 40 Prozent weniger Mammakarzinome neu diagnostiziert, weil viele Vorsorgeuntersuchungen verschoben oder abgesagt wurden. Einiges konnte schon aufgeholt werden, aber die Zahl der Screenings liegt noch 15 Prozent unter jenen des Vorjahres, so Experten am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien.
"Krebs kennt keinen Lockdown!" mahnte der Leiter des Brustgesundheitszentrums der Medizinischen Universität Wien, Christian Singer. Er appellierte, Vorsorge, Diagnose, Therapie und Nachbetreuung wieder uneingeschränkt wahrzunehmen. Der Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (ÖGS), einem interdisziplinäres Forum für Brustgesundheit, verwies in diesem Zusammenhang auf Schätzungen aus Großbritannien, die von einer substanziellen Zunahme von vermeidbaren Mortalitäten bei Krebserkrankungen ausgehen. Erste Zahlen zu Krebs im Lockdown von März bis Mai legen nahe, dass die Auswirkungen für manche Betroffenen dramatisch sein können. Dies betrifft zum Beispiel Brustkrebs in gut behandelbaren Frühstadien.
Mammografie-Vorsorge müsse wieder uneingeschränkt stattfinden
Eine Situation wie im Shutdown, wo die Früherkennung ausgesetzt war, gelte es daher künftig unbedingt zu vermeiden. Die Mammografie-Vorsorge müsse ab sofort wieder uneingeschränkt wahrgenommen werden, appellierte Singer. Er verwies auf Schätzungen aus Großbritannien, die von einer substanziellen Zunahme von vermeidbaren Mortalitäten bei Krebserkrankungen ausgehen und die auf verspäteter Krebs-Diagnosen zurückführen. Die Verzögerung wiederum sind in diesem Jahr vorrangig durch die Corona-Maßnahmen entstanden.
Aktuell laufen statistische, österreichweite Erhebungen der Fachgruppe Radiologie der Österreichischen Ärztekammer. Erste Ergebnisse legen nahe, dass die Frequenz an Screeninguntersuchungen im März und April um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen sind. Vor allem die asymptomatischen, sogenannten "screen-dedected" frühen Krebsstadien wurden also in dieser Zeit nicht diagnostiziert. "In der Zwischenzeit konnten die Untersuchungen teilweise nachgeholt werden. Wir liegen aber derzeit noch immer 15 Prozent unter den Zahlen des Vorjahres".
Vorbehalte, die Behandlung erhöhe das Risiko eines schweren Verlaufs von Covid-19 erhöhen, dürften unbegründet sein. Ebenso die Angst vor einer Ansteckung im Krankenhaus. "Heute ist der gefährlichste Teil des Krankenhaus-Aufenthalts die Fahrt mit dem Taxi oder den Öffis" verdeutlichte Rupert Koller, Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie die aktuelle Lage. "Im Spital sind alle Covid-19-getestet", versicherte er.
Auch eine Strahlentherapie führe nicht dazu, dass das Immunsystem supprimiert wird, stellte die Radiologin und Radioonkologin Alexandra Resch klar. Außerdem verwies sie darauf, dass viele Menschen davon ausgehen, Brustkrebs sei, nach dem Wechsel keine Gefahr mehr. "Das ist falsch!"
Ebenso nicht bestätigen dürfte sich die Annahme, dass Krebs auch die Krebsbehandlungen das Risiko erhöht, an Covid-19 zu sterben. Die bis dato größte Studie von Forschern der Vanderbilt University unter Einbeziehung von mehr als 100 Krebszentren und anderen Organisationen umfasste 928 an Krebs erkrankte Patienten aus den USA, Kanada, und Spanien, bei denen auch Covid-19 diagnostiziert wurde. 191 davon mit Brustkrebs.
Gefährdet durch eine höhere Mortalität wären Krebspatienten, die eine ernste Vorerkrankung wie Diabetes, COPD, Herzerkrankungen aufweisen, oder bei denen ein aktives Tumorgeschehen und ein schlechter ECOG-Leistungsstatus-Score (Allgemeinzustand) vorliegt, so die Epedimologien Eva Schernhammer. Dies hätten auch andere, kleinere Studien gezeigt.
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