"Über Leben" der Mitzi Fleischer

Was für Ruth Klüger das "Weiterleben", ist für Mitzi Fleischer das "Über Leben": Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 nach Amerika emigriert, lernte die Wiener Jüdin Jahrzehnte später den Besitzer des ehemaligen Familiengeschäfts, Leo Josimovic, kennen. Dessen Sohn Josh Josimovic würdigt die Freundschaft in seiner 45-minütigen Doku "Über Leben", die am Freitag bei der Viennale Premiere feiert.

Vergangenheit trifft Gegenwart
Dort, wo seit 1955 Leo Josimovic' Radiogeschäft steht, hat Mitzi Fleischer (Jahrgang 1917) ihre Jugend verbracht. Sie war stolz auf das Zuhause und das Familien-Textilgeschäft in der Zirkusgasse 21 im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in dem der Vater als einziger Schneider Wiens Gebetsmäntel für Rabbiner anfertigte, sagt die geborene Miriam Rosenblum heute. 1938, als Leo Josimovic sechs Jahre alt war und in Leobersdorf "am Ende der Welt" lebte, wie er sagt, flüchtete die Familie Fleischer vor den Nationalsozialisten nach Amerika. "Über Nacht hat sich alles verändert", sagt Mitzi und erzählt von unfassbaren Demütigungen gegen ihre Familie und jüdische Mitmenschen.

Erinnern und Vergessen
Drei Jahre nach der eindrucksvollen Doku "Das Weiterleben der Ruth Klüger" von Renata Schmidtkunz zeigt die Viennale heuer eine sehr persönliche Doku zum Thema Erinnern und Vergessen. Ist Klügers Verhältnis zu Wien noch heute ambivalent, spricht Mitzi Fleischer voller Liebe für die Stadt, in der sie einst nicht mehr willkommen war. Die Interviews mit den Geschwisters Fleischer in New York und dem eigenen Vater in seinem Geschäft in Wien kombiniert Josh Josimovic in "Über Leben" mit Sepia-Fotomontagen aus dem 2. Bezirk von einst, wackeligen Aufnahmen von Mitzi Fleischers erstem Besuch in Wien sowie aktuell gefilmten Szenen von Fleischer und Josimovic in Wien - mal flanierend durch die Straße, dann Walzer tanzend vor jenem Geschäft, das sie verbindet.

"Über Leben" wird am Freitag, 31. Oktober, um 19 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus im Original mit deutschen Untertiteln gezeigt.