Akademietheater

'Geisterhaus': Kühlhaus der Emotionen

31.01.2014

Antu Romero Nunes treibt Allendes Bestseller auf der Bühne die Leidenschaft aus.

Zur Vollversion des Artikels
© APA
Zur Vollversion des Artikels

"Eine endlose Geschichte von Schmerz, Blut und Liebe" sei die Familiengeschichte der Truebas, heißt es in Isabel Allendes Roman "Das Geisterhaus" immer wieder. In der von Regisseur Antu Romero Nunes und Dramaturg Florian Hirsch erstellten Bühnenfassung, die am 30. Jänner Akademietheater uraufgeführt wurde, wird jedoch mit Leidenschaften und Gefühlen lange gespart.

Distanzierte Annäherung
Der dreieinhalbstündige, am Ende mit freundlichem Applaus bedachte Abend geriet zu einer zwiespältigen Angelegenheit. Dem 1982 erschienenen Epos, das nicht erst durch die Verfilmung durch Bille August mit Stars wie Jeremy Irons, Meryl Streep und Glenn Close ein Welterfolg wurde, nähert man sich distanziert und analytisch. Auf der leeren, kühlen Bühne von Florian Lösche, deren drehbare, graue Wandteile erst spät ihre faszinierend vielfältigen Einsatzmöglichkeiten offenbaren, wird zunächst von einem Frauen-Sextett (Jasna Fritzi Bauer, Sabine Haupt, Dörte Lyssewski, Caroline Peters, Aenne Schwarz und Adina Vetter) die Vorgeschichte erzählt. Die Frauen sind toll. Die Geschichte ist kompliziert.

Elemente der Pantomime und des Schwarzen Theaters eingesetzt   
Doch auch im weiteren Verlauf hat man alle Hände voll zu tun, den roten Faden durch die Generationen und die verschiedenen Facetten der Tragödie, in der sich Privates und Politisches zunehmend vermischt, nicht zu verlieren. Dass zum mitunter nervenden begleitenden Gitarrenspiel (Sergio Pinto) Elemente der Pantomime und des Schwarzen Theaters eingesetzt werden, um das Aufwachsen der sich dem Sprechen lange verweigernden, mit der Gabe des Zweiten Gesichts ausgestatteten Hauptfigur Clara (Caroline Peters) im Zeitraffer zu illustrieren, bringt zwar endlich Bilder zum Text, lässt aber kein Herzblut zirkulieren. Angst und Schrecken? Blut, Schweiß und Tränen? Man riecht nichts. Man spürt nichts. Kühlhaus statt Treibhaus.

August Diehl als Patron Esteban fehlbesetzt 
 
Sicher, "Das Geisterhaus" ist ein ziemlich dick aufgetragenes Stück Spannungsliteratur, in dem sich emanzipatorischer Inhalt und pathetische Form breitenwirksam verbinden, doch genau in der Empathie des Lesers liegt auch die Erfolgsformel. Wecken die Figuren keine Emotionen, funktioniert das Ganze nicht. Deswegen wirkt August Diehl als Patron Esteban fehlbesetzt. Er ist ein feinnerviger Kopfspieler, ein idealer Hamlet und ein toller Prinz von Homburg - aber kein polternder, brutaler, jähzorniger und selbstgerechter südamerikanischer Gutsherr, der reihenweise junge Angestellte vergewaltigt und auch sonst ein Schreckensregime führt.

Als Folterknecht Esteban Garcia ist Diehl glaubwürdiger 
Dass dem jungen Esteban mit Ignaz Kirchner schon früh der alte Esteban als gelegentlich in die Quere kommender Doppelgänger, als Ausblick auf die eigene Zukunft beigegeben wird, ist jedoch ein guter Schachzug. Und in seiner Doppelrolle als Folterknecht Esteban Garcia ist Diehl um vieles glaubwürdiger. Die Konfrontation von Alba (Jasna Fritzi Bauer), der Enkelin Estebans, mit diesem Sohn einer einst von ihrem Großvater vergewaltigten Arbeiterin in den Folterkellern des neuen Regimes lässt das Publikum den Atem anhalten. Hier ist man hautnah dabei, im Zentrum der Tragödie.

Nach der Pause kommt Direktheitsschub
Überhaupt gewinnt die Aufführung nach der Pause deutlich an Direktheit. Die neue Generation, die statt auf die Uni zu gehen Sartre studiert, mit der Revolution sympathisiert, um Oma Clara zittert und den gebrechlich gewordenen alten Patriarchen Esteban nur noch unwillig erträgt, scheint uns deutlich näher zu sein. Das Scheitern ihrer Hoffnungen im endlosen Mahlstrom von Schmerz, Blut und Liebe geht uns am Ende doch ans Herz. Der Schlussmonolog gehört dem im Rollstuhl sitzenden alten Esteban, der als Senator aufs falsche Pferd gesetzt hat und nun die neuen Machthaber anfleht: "Haben Sie Erbarmen mit mir, ich bin ein armer schwacher Mann, haben Sie Mitleid und suchen Sie meine Enkelin Alba, ehe sie sie mir stückchenweise per Post schicken."

Info
Isabel Allende: "Das Geisterhaus", Regie: Antu Romero Nunes, Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Annabelle Witt, Musik: Johannes Hofmann, Sergio Pinto, Mit Jasna Fritzi Bauer, Sabine Haupt, Dörte Lyssewski, Caroline Peters, Aenne Schwarz, Adina Vetter, August Diehl, Ignaz Kirchner. Akademietheater, Nächste Vorstellungen: 31.1., 4., 14., 19., 27., 28.2., Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at



 
Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel