Haneke-Kameramann

Berger: "Avatar ist ein bissl doof"

29.01.2010

Christian Berger filmte "Das weiße Band"

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Ähnlich viele Preise wie Regisseur Michael Haneke hat sein Kameramann Christian Berger (65) bereits für die Arbeit am Schwarz-Weiß-Drama "Das weiße Band" erhalten. Ging der Tiroler beim Europäischen Filmpreis noch leer aus, überschlugen sich die Kritiker und Kollegen in den USA vor Begeisterung. Nicht zuletzt seit der US-Auszeichnung zum "Kameramann des Jahres 2009" gilt eine Oscar-Nominierung am Dienstag (2.2.) als möglich. Der in Wien lebende Universitätsprofessor sprach über seine Erwartungen für die kommenden Wochen vor der Oscar-Verleihung am 7. März, das Drehen in Schwarz-Weiß und die Unterschiede seiner Arbeit zu jener an einem Film wie "Avatar".

Sie haben für die Kameraarbeit beim "Weißen Band" bereits zahlreiche Kritiker-Auszeichnungen erhalten, nun wird von vielen Seiten auch eine Oscar-Nominierung für möglich gehalten. Was würde Ihnen denn ein Oscar bedeuten?
Berger: Es ist früh genug, sich über den Oscar zu erregen, wenn es dazu kommt. Das ist so abstrakt und weit weg und war nie ein Gedanke. Für den Film fände ich es toll, weil er den Spagat schaffen würde zwischen der Goldenen Palme in Cannes, einer künstlerischen Auszeichnung, und dem Oscar, der doch mehr die kommerzielle Schiene bedient. Und das bei dem sperrigen Film vom Michael Haneke! (lacht) Für die Kamera hat es mich sehr gefreut, dass mich die Kollegen, die American Society of Cinematographers, für ihren Preis nominiert haben. Und diese Anerkennung ist schon toll, weil ich nie gedacht hätte, dass ich dort einmal stehen würde.

Was waren denn so die häufigsten Reaktionen in den USA?
Berger: Die meisten tun so, als ob es den Oscar schon gäbe - drum bremse ich da gerne. Und eine Nominierung wäre auch toll, das ist schon wie ein Preis, weil daneben ja zum Beispiel auch "Avatar" dasteht - und das sind Äpfel und Birnen. Das kann man kameratechnisch überhaupt nicht vergleichen, auch gestalterisch nicht, das sind zwei Welten.

Wie stehen Sie denn zu einem Film wie "Avatar"? Können Sie bei so einem Film die Kameraarbeit würdigen?
Berger: Ja, natürlich. Kino war immer schon Jahrmarkt, hat als Jahrmarkt begonnen. Aber ich kann das nicht, das ist eine ganz andere Welt, ein ganz anderes Schauen. Und auch in dem Bereich wäre mir die Geschichte sehr wichtig. Und da ist mir "Avatar" einfach ein bissl zu doof. Für mich ist Kino einfach etwas anderes, ich sehe mich schon mehr in der europäischen Tradition.

Ein Hollywood-Angebot würden Sie also gar nicht in Erwägung ziehen?
Berger: Naja, Hollywood ist ja nicht automatisch gleich "Avatar". Ich habe schon sehr interessante Gespräche geführt mit ganz tollen Regisseuren, das hängt einfach von der Geschichte ab.

Worauf legen Sie denn am meisten wert bei der Kameraarbeit?
Berger: Für mich ist das wichtigste, sich nicht unter das Diktat der Technik zu begeben. Gerade mit dem Wechsel vom Analogen zum Digitalen - oder alle Mischformen - ist die Technik natürlich ein großes Thema. Das Handwerk schätze ich sehr hoch, aber ich will meine Kunst nicht vom Manual irgendeines Herstellers bestimmen lassen. Ich möchte schon selber bestimmen, was Schauen bedeutet und was Bilder bedeuten. Ich fühle mich den Malern da näher. Und eine künstlerische Auffassung ist mir wichtiger als wie viel Pixel oder welche Empfindlichkeit ein Film hat.

Wie lange beschäftigen Sie sich denn mit einer einzelnen Einstellung?
Berger: Das kann man so schwer sagen. Mein Vater war Maler und ich habe da immer zugeschaut. Ich glaube, das kann man schwer lernen, das ist eine Art des Sehens. Beim Licht kann man von den Malern viel lernen, die müssen ja auch das Licht in einem unglaublichen Komprimierungsvorgang auf ein Stück Leinwand übertragen. Diese Aufgabe haben wir auch, mit ein bisschen mehr Licht. Eine große Herausforderung bzw. ein großer Reiz war für uns natürlich das Schwarz-Weiß...

... aber gedreht wurde doch in Farbe.
Berger: Ja, Gott sei Dank. Das hat sich dann als der beste Weg herausgestellt. Trotzdem muss man schwarz-weiß denken, schwarz-weiß leuchten. Haneke hat den Film ja von Anfang an schwarz-weiß gesehen, und nicht weil es ein historischer Stoff ist oder weil man 1914 schreibt. Es ist einfach eine höhere Abstraktion, der Zuschauer muss mehr im Kopf fertigstellen, als wenn er schon bunte Bildchen kriegt.

Wie kann man sich den Arbeitsprozess zwischen Ihnen und Michael Haneke vorstellen?
Christian Berger: Ich kenne ihn ja schon seit Anfang der 90er Jahre - das ist der fünfte Film, den ich mit ihm gemacht habe - und ich teile auch seine Auffassung. Aber er hat beim Schreiben schon ganz klare Bilder und Einstellungen im Kopf und will die realisiert sehen. Da gibt's natürlich manchmal Diskussionen, wenn Sachzwänge kleine Änderungen notwendig machen. Aber sonst bleibt er ganz starr bei seinen Vorstellungen, was ich ganz wichtig finde, weil das seine Handschrift ausmacht. Wo er zum Beispiel eine große Meisterschaft erreicht hat, sind die Plansequenzen, wo statt Schnitt Inszenierung ist. Da ergeben sich dann ganz organische Kamerabewegungen und lange Einstellungen, die man aber gar nicht wirklich spürt. Das mag ich sehr.

Haben Sie "Das weiße Band" einmal in Farbe gesehen?
Berger: Nein, das haben wir uns nie angeschaut, nur in den Testphasen. Das wäre auch ganz furchtbar gewesen, weil ich das Licht ja für Schwarz-Weiß setzen muss. Es geht bei Haneke immer um eine gewisse Ökonomie der Bilder. Das Weglassen, das "Bilder im Kopf Entstehen Lassen" hat ja auch sehr viel mit der Beleuchtung zu tun. Ein Journalist in Amerika hat mich gefragt, wie man es denn aushält, solche Grausamkeiten zu filmen. Und ich habe gesagt, welche Grausamkeiten? Ich muss die nicht sehen, die entstehen in Ihrem Kopf.

"Das weiße Band" wird in letzter Zeit auch gerne als Argumentationsobjekt für die Filmförderungsdebatte hergenommen.
Berger: Also mir genügt es nicht, immer nur zu schreien, es ist zu wenig Geld da. Ich will wissen, wofür das Mehr-Geld sein soll und ich muss es begründen können - und das können wir schon. In dem Sinn fehlt schon Geld, fehlt wahrscheinlich immer. Andererseits muss man aber auch eine Vernunftgrenze oder ein Möglichkeitsgrenze sehen, wo ich es für wichtiger halte, dass man die Koproduktionen und Europa zusammenfasst und nicht mit der Filmförderung in Österreich zwischen Wien und Niederösterreich pendelt. Wo für mich deutlich Geld fehlt, sind die kleinen Produktionen. Die Möglichkeit unserer Generation, Auftragsfilme für das Fernsehen zu machen, gibt's heute kaum mehr. Das muss nur schnell sein, darf nichts kosten, wurscht, wie es ausschaut. Und danach sagt man: Aber die BBC hat auch gemacht... Das sind zum Teil unzumutbare Bedingungen und da wäre öffentliche Förderung viel, viel breiter notwendig.

Aber kann "Das weiße Band" da eine Hilfe sein?
Berger: Vielleicht ist der Haneke als Aushängefigur mit der internationalen Anerkennung ein bisschen eine Hilfe. Aber was jetzt als erstes kommt, sind vor allem versprochene Summen. Da steht dann "bis zum Jahr 2012" - das sind doch lauter Ausreden. Sehr viele Ankündigungen gehen einfach über die Pressekonferenz nicht hinaus.

Kürzlich gab es die Ankündigung einer erstmaligen Förderung aus dem Wirtschaftsministerium.
Berger: Ja, und da besteht jetzt die Gefahr, dass man sagt, okay, ihr bekommt fünf Millionen dazu, und dann muss man dafür nachweisen, dass man im Hotel Sacher gewohnt hat und das Schloss Schönbrunn gemietet hat. Und das ist für mich keine Förderung, das ist eine Gewerbeunterstützung. Das gehört sicher zu Filmproduktionen dazu, aber für einen künstlerischen Film oder für eine Freiheit des Erzählens mit dem Film kommt das nicht an die richtige Adresse.

Die Aushängeschilder wie Haneke oder Spielmann bewegen sich aber im künstlerischen und nicht im kommerziellen Feld.
Berger: Das können wir ja auch nicht, es gibt den Markt nicht! Diese Argumente wiederholen sich, seit ich denken kann. Es wechselt ein Minister, es wechselt eine Partei, und dann geht alles wieder bei Null los. Es wechseln bei uns die Funktionäre in den Berufsverbänden, da geht's auch wieder bei Null los - eine super Methode, dass nichts weitergeht.

Wo vielleicht was weitergeht, werden wir in den nächsten Wochen sehen. Wie sind denn die Erwartungen vor den Oscars?
Berger: Konkret gibt es mal das Problem, dass ich mir wieder einen frischen Smoking besorgen muss. (lacht) Nein, wir freuen uns sicher, wenn es passiert und sparen uns Enttäuschungen, wenn wir uns jetzt schon zu sehr draufhauen. Man kann nur warten, was passieren wird. Wir waren nur grundsätzlich überrascht, dass die Amerikaner überhaupt so angesprochen haben, weil wir eigentlich alle Regeln brechen: wir sind überlang, wir erzählen eine Geografie und eine Zeit, die keiner kennt, es gibt keine Stars, alles ist schwarz-weiß, es explodiert nichts, es ist mit Untertiteln, und es gibt keine Musik! Die glauben ja alle, dass der Film noch gar nicht fertig ist... Aber die Vorstellungen in New York, Washington und L.A. waren ausverkauft. Und die Presse war euphorisch.

Und Christoph Waltz?
Berger: Ja, mir tut immer leid, dass er nur als bester Nebendarsteller nominiert ist, weil alle eigentlich nur von ihm reden. Und er hat das auch wirklich toll gemacht. Aber scheinbar gibt es einen Vertrag mit Brad Pitt, dass er die Hauptrolle hat. Aber über den redet eigentlich niemand.

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