Jubel statt Revolution

"Don Giovanni" unter Nikolaus Harnoncourt

18.03.2014

Da-Ponte-Zyklus im Theater an der Wien wurde als konzertant fortgesetzt.

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© APA/HERWIG PRAMMER/THEATER AN DER WIEN
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Gar so anders als gewohnt war das gar nicht! Immer wenn Nikolaus Harnoncourt zum Taktstock greift, verkrampfen sich die Traditionalisten im Publikum und fürchten, um ihren gewohnten Hörgenuss gebracht zu werden. Doch bei "Don Giovanni" im Theater an der Wien klang gestern, Montag, Abend nur die Ouvertüre extrem - nämlich deutlich diffiziler und verhaltener als sonst. Doch am Ende herrschte Jubel.

"Don Giovanni" im ORF
Die größten Überraschungen dieses mittleren Teils des vom Concentus Musicus bestrittenen Da-Ponte-Zyklus, der morgen, Mittwoch, noch einmal live zu erleben, am 23. März auf ORF III zu sehen und am 5. April auf Ö1 zu hören ist, lagen daher anderswo: Dass Harnoncourt nach der deutlich gegen die Hörgewohnheiten gebürsteten, geradezu kammermusikalisch gedämpften Ouvertüre mit Fortdauer des Abends zunehmend kräftiger musizieren und daher trotz aller Tiefschürfungen den Emotionen freien Lauf ließ; dass sich die Sängerbesetzung nach Anfangsschwierigkeiten als erstklassig erwies; dass von einer konzertanten Aufführung keine Rede sein konnte.

Gesamtwerk überzeugte
Wie Felix Breisach und Rainer Vierlinger unter einer vergnüglichen, bunten Foto-"Ahnengalerie" der Mitwirkenden Auftritte und Abgänge arrangierten, Interaktionen gestalteten, mit dem Arnold Schoenberg Chor sogar kleine Tänze choreografierten und bei Mord und Rache des Komturs mit kleinen, aber umso effektvolleren Signalen arbeiteten, das war zumindest semiszenisch gestaltet. Nachdem auch von den Mitwirkenden - allen voran "Leporello" Ruben Drole, der nicht nur mit prächtiger, voller Stimme, sondern auch mit vollendeten komödiantischen Fähigkeiten beeindruckte - mit viel Gefühl agiert wurde, mag es so manche Opernfreunde gegeben haben, die an diesem Abend an szenischer Aktion, an bühnentechnischem Firlefanz und an regielichen Einfällen rein gar nichts vermissten.

Handy störte Premiere
So konnte man sich in aller Ruhe auf die Musik konzentrieren und Harnoncourt zusehen, wie er seinen Concentus Feinheiten und Rauheiten der Partitur entdecken ließ, ohne gewaltsam auf einen interpretatorischen Umsturz hinzuarbeiten. Zornig wurde der Originalklang-Apologet nur, als aus dem Publikum gar nicht originales Handy-Klingeln zu vernehmen war - da drehte sich der Maestro stechenden Blicks um, schwang die Fäuste und schlug mit einem gewaltigen Fortissimo-Einsatz zurück.

Mari Eriksmoen vor großem Durchbruch  
Die 30-jährige Norwegerin Mari Eriksmoen ist auf dem besten Weg, zum Star dieses Zyklus zu werden. Nach einer charmant-gewitzten Susanna gab sie gestern mit glockenhellem Sopran und großer Bühnenpräsenz eine pfiffige und liebenswerte Zerlina und steht ab 27. März als Fiordiligi in der "Cosi" auf der Bühne. Auch für den jungen Südtiroler Bariton Andre Schuen wird diese Trilogie einen Karriereschub bedeuten: Nach seinem "Figaro" gefiel er gestern als arroganter, aber mit mancher feiner Differenzierung überzeugender Don Giovanni, und wird auch noch zeigen, was er als Guillelmo so drauf hat. Dass er sich gestern vom mächtigen und prächtigen Bass des jungen Finnen Mika Kares in der Doppelrolle des Masetto und des Commendatore übertrumpfen lassen musste, ist nicht weiter schlimm. Christine Schäfer gestaltete ihre Donna Anna mit deutlich mehr nobler Zurückhaltung, während Mauro Peter als Don Ottavio und Maite Beaumont als Donna Elvira nach verhaltenem Beginn in ihren Arien überzeugten. Die Begeisterung für die Sänger, das Orchester und den Dirigenten war nach fast vier Stunden nahezu einhellig. Revolutionen sehen anders aus. Nikolaus Harnoncourt scheint gewonnen zu haben. Auch ohne Sturm auf die Bastille.

Info
Da-Ponte/Mozart-Zyklus im Theater an der Wien, mit dem Concentus Musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt. "Don Giovanni" noch am 19. März, 19 Uhr, "Cosi fan tutte" am 27. und 29. März, 19 Uhr, www.theater-wien.at



 
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