Bittersüße Nostalgie

Suede überzeugten im Gasometer

16.11.2013

 An Charme und Großspurigkeit hat Sänger Brett Anderson nichts eingebüßt.

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© Redferns via Getty Images
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Darstellerische Ausgewogenheit mag für viele Bands eine Tugend sein, im Falle der wiedervereinten Brit-Popper Suede legt man darauf aber offenbar eher wenig Wert. Bei ihrem Auftritt am 15. November im Wiener Gasometer gehörte der Platz an der Sonne allein Sänger Brett Anderson. Der 46-Jährige zog aber nicht nur das Scheinwerferlicht auf sich, sondern auch das Publikum gekonnt in seinem Bann.

Mit Reunion-Tour  unterwegs  

Wobei das Konzert im Rahmen der aktuellen Reunion-Tour gleichermaßen zwischen nostalgischer Verklärung und ehrlicher Begeisterung pendelte. Ein durchaus verständlicher Zustand, gab es doch nach dem durchwachsenen (und beim Wien-Konzert komplett ausgesparten) 2002er-Album "A New Morning" für die Mitauslöser der Anfang der 90er aufkeimenden Brit-Pop-Begeisterung keinen Silberstreifen mehr am Horizont, sondern folgte nur ein Jahr später die Auflösung. Die Glanzzeiten schienen sich mit dem vergangenen Jahrhundert ebenso verabschiedet zu haben wie die Bandchemie.  Dennoch durften sich Fans 2010 über eine zaghafte Wiedervereinigung für Live-Auftritte und schließlich im Frühjahr 2013 sogar über neues Songmaterial ("Bloodsports") freuen. Das wirkte zunächst kritisch betrachtet nach Geldmacherei, die Befürchtung erweist sich aber spätestens im direkten konzertanten Aufeinandertreffen als unbegründet. Eine am gegenwärtigen Zeitgeist orientierte Aufmachung müssen Suede ohnedies nicht bedienen, reichen doch Klassiker wie das früh gesetzte "Animal Nitrate" mit seiner unbändigen Energie oder das intim dargebotene "The 2 Of Us" völlig zur Erweckung der Lebensgeister einer doch zahlreich ins Gasometer gepilgerten Anhängerschar.

Leadsänger verzauberte Gasometer
Hauptanteil daran hatte naturgemäß Anderson: Er genoss das Bad in der Menge, das er sehr früh und zur Freude der ersten Reihen ausgiebig suchte. Zwar haben die vergangenen zwei Jahrzehnte durchaus Spuren an der hageren Figur hinterlassen, aber es ist nach wie vor die passende Mischung aus Charme, Charisma und Großspurigkeit, die Anderson zu einer einnehmenden Persönlichkeit macht. Ganz zu schweigen von seinen stimmlichen Fähigkeiten, wenn er scheinbar mühelos durch die Lagen spaziert. Der Agilität ihres Frontmanns konnte der Rest der Truppe - trotz solider Instrumentalleistungen - wenig entgegenhalten. Wo die Rhythmussektion sich brav durch das Set spielte und Leadgitarrist Richard Oakes sogar Anflüge von Bewegung erkennen ließ, war es vor allem ein stets missmutig dreinblickender Neil Codling an Keyboard und zweiter Gitarre, der Fragen über die Initialzündung dieser Bandwiederbelebung neues Futter lieferte.

Viele Highlights dabei
Den Fans war das allerdings einerlei. Sie feierten den hymnischen Rock mit melancholischem Beigeschmack, den "Beautiful Ones", "My Insatiable One" oder das große, in einer reduzierten Version intonierte "She's In Fashion" boten. Dass neue Stücke wie "Barriers" oder "For The Strangers" dieses Niveau sogar mitgehen konnten, darf als Bonus betrachtet werden. Nach viel zu kurzen 80 Minuten hieß es dann aber wieder Abschied nehmen von vier (Begleit-)Musikern und einer Ausnahmeerscheinung. Was bleibt, ist bittersüße Nostalgie und die Gewissheit, dass zumindest Anderson noch lange nicht genug zu haben scheint vom Platz im Scheinwerferlicht.

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