Psychiater einhellig

"Fritzl ist suzidgefährdet"

18.03.2009

Vor allem bei der Verurteilung zu einer harten Strafe bestehte Selbstmordgefahr. Fritzl hat am 3. Prozesstag wieder psychiatrische Hilfe beansprucht.

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Die Psychiaterin Adelheid Kastner, die im Auftrag des Landesgerichts St. Pölten Josef F. untersucht und diesem in ihrem Gutachten eine schwere Persönlichkeitsstörung attestiert hat, die ihrer Ansicht nach seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher erforderlich macht, hält den 73-Jährigen für selbstmordgefährdet. Das sagte die Sachverständige am Mittwochabend in der "ZIB 2".

Kastner, die im Rahmen ihrer gutachterlichen Tätigkeit insgesamt 25 Stunden mit dem Angeklagten im Inzest-Fall von Amstetten gesprochen hat, begründete dies mit der jüngsten Entwicklung im Prozess gegen den 73-Jährigen.

"Kartenhaus eingestürzt"
Der bis dahin nur in Teilbereichen geständige Josef F. hatte - offensichtlich unter dem Eindruck des im Gerichtssaal abgespielten Videos mit der kontradiktorischen Einvernahme seiner Tochter, die er 24 Jahre gefangen gehalten und missbraucht haben soll - am dritten Verhandlungstag formal ein umfassendes Schuldbekenntnis zu sämtlichen Anklagepunkten abgelegt. "Es ist sicher der Moment gekommen, wo das Kartenhaus eingestürzt ist", meinte die Psychiaterin. Mit der nunmehrigen Realität werde Josef F. "schlecht leben" können.

Auch Psychiater stellt Suizidgefahr fest
Auch der renommierte Gerichtspsychiater Reinhard Haller gibt zu bedenken, dass der Inzest-Vater möglicherweise suzidgefährdet ist. Besonders nach der Urteilsverkündung - vor allem, wenn der Angeklagte eine sehr lange Strafe ausfasse - besteht die Gefahr eines Selbstmords bei Fritzl.

Psychiatrischen Beistand
Schon vor dem Prozess war Fritzl gemeinsam mit einem Psychiater auf den Prozess vorbereitet worden. Nach der stundenlangen Vorführung der Aussagen seiner Tochter auf Video habe Fritzl erneut um psychiatrischen Beistand gebeten, um die erstmals gesehenen Szenen mit den belastenden Angaben seiner Tochter verarbeiten zu können. "Es hat bei ihm eine große Erschütterung stattgefunden", so Fritzls Verteidiger Mayer.

Von Bekenntnis nicht überrascht
Haller ist von Fritzls Geständnis nicht überrascht. Ich habe in irgendeiner Art und Weise mit einem Zusammenbruch gerechnet", erklärte der Experte. "F. hat durch die Video-Erzählungen die Situation aus der Perspektive des Opfers erlebt", sagte der Psychiater. Vielleicht sei dadurch die Fassade gebröckelt. Falls die Tochter tatsächlich der Verhandlung beiwohnte, könnte auch ihre Präsenz zum Sinneswandel beigetragen haben. "Die Anwesenheit könnte Druck auf ihn ausgeübt haben", so der Experte.

Auch das Alter von Josef F. könnte eine Rolle gespielt haben: Für einen älteren Menschen sei es schwieriger stark zu sein und eine Fassade aufrecht zu erhalten als für einen jungen. Haller hätte das dem Angeklagten zugetraut. Immerhin habe F. Jahrzehnte lang ein Doppelleben geführt. Es hätte daher ebenso sein können, dass der Angeklagte seine "Mauer" noch eine weitere Woche - die Prozesswoche - lang aufrechterhalten hätte.

Josef F. hat am Mittwoch nach dem dritten Verhandlungstag wieder ein "ausführliches Gespräch" mit dem Psychiater geführt, der während des laufenden Prozesses zu seiner Betreuung abgestellt ist. Das gab der stellvertretende Leiter der Justizanstalt St. Pölten, Erich Huber-Günsthofer, während der Pressekonferenz im Medienzelt neben dem Gerichtsgebäude bekannt.

Josef F. habe zu dem Psychiater "quasi ein therapeutisches Verhältnis", das Gespräch sei auch "Teil der Suizidprävention" gewesen und habe einer allfälligen "Vorbereitung auf den Maßnahmenvollzug" gedient. Die Anstaltsleitung geht davon aus, dass man für das Prozessfinale bestens gewappnet ist. "Wir können dem morgigen Tag gut entgegenblicken", sagte Huber-Günsthofer.

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