Klagenfurt

Freispruch im Prozess wegen Sterbehilfe

10.10.2007

Ein Kärntner stand vor Gericht, weil er am Selbstmord seiner schwer kranken Frau mitgewirkt hat.

Zur Vollversion des Artikels
 
Zur Vollversion des Artikels

Mit einem Freispruch ist am Mittwoch der aufsehenerregende Prozess gegen einen 56 Jahre alten Kärntner zu Ende gegangen, der seine todkranke Ehefrau bei ihrem Suizid in einem Schweizer Euthanasie-Institut begleitet hatte. Der Schöffensenat unter der Leitung von Richter Christian Liebhauser-Karl erkannte den Angeklagten "in seinem Schuldverhalten entschuldigt". Staatsanwalt Franz Simmerstatter meldete Nichtigkeit an.

Litt an unheilbarem Muskelschwund
Die freiwillig aus dem Leben geschiedene Kärntnerin litt unter unheilbarem Muskelschwund, ihr drohte ein qualvoller Erstickungstod. Der Ehemann hatte seine Partnerin bis zum Schluss begleitet und war auch dabei, als sie starb. Nach österreichischem Recht hatte er es damit unterlassen, den Selbstmord seiner Frau zu verhindern. Die Anklage erfolgte aufgrund einer anonymen Anzeige.

"Ohnmacht" belastete Kärntner sehr
"Die Krankheit ist schlimmer als Krebs", erzählte der Kärntner. Besonders belastend sei die "Ohnmacht" gewesen, nichts gegen den fortschreitenden körperlichen Verfall machen zu können. "Wie war es für Sie, das Leid Ihrer Gattin zu sehen?", fragte Liebhauser-Karl. "Furchtbar", flüsterte der Angeklagte, den Tränen nahe. Der Richter zitierte aus einem Schreiben der schwer kranken Frau vom Oktober 2003: "Nicht einmal lachen kann man mehr im Endstadium der Krankheit. Ich möchte menschenwürdig sterben."

Würde wieder so handeln
"Ich würde das heute wieder so machen", erklärte der 56-Jährige. Ihm und seiner Ehefrau sei bewusst gewesen, "dass die Krankheit zum Tod führt". "Die nächste Stufe wäre die künstliche Beatmung gewesen", berichtete der Kärntner.

Tatbestand erfüllt, aber Einzelfall wurde gesehen
"Der Tatbestand ist erfüllt, wir müssen aber den Einzelfall ansehen", begründete der Richter den Freispruch. Auf der einen Seite haben man eine "Moribunde, die klar bei Verstand ist". Auf der andern Seite stehe der Angeklagte, der "das unvorstellbare Leid seiner Frau sieht" und ihren Willen akzeptiere, erklärte Liebhauser-Karl.

Freispruch
Unter Abwägung aller Fakten sei deshalb vom Schöffensenat der Paragraf 10 des Strafgesetzbuches zur Anwendung gekommen und der Angeklagte entschuldigt worden. Die Befürchtung des Staatsanwaltes, mit dem Freispruch sei der Euthanasie in Österreich "Tür und Tor geöffnet" teilte der Richter nicht. Wegen der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird sich nun der Oberste Gerichtshof mit der Causa beschäftigen müssen. Laut Richter Christian Liebhauser-Karl waren alleine im Jahre 2005 insgesamt 58 Österreicher bei dem Schweizer Euthanasie-Institut als Mitglieder eingetragen gewesen.

Nächste Seite: Richterveeinigung kritisiert Gesetzgeber

Kritik am Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem sogenannten Sterbehilfe-Prozess in Klagenfurt hat am Mittwoch die österreichische Richtervereinigung geübt. Es sei die Tendenz des Gesetzgebers erkennbar, dass gesellschaftspolitisch brisante Themen auf die Gerichtsbarkeit abgewälzt würden, sagte Vizepräsident Manfred Herrnhofer. "Wir brauchen in wesentlichen gesellschaftspolitischen Fragen - losgelöst von parteipolitischem Kalkül - dringend einen Konsens aller relevanten Kräfte in Österreich, um klare und nachvollziehbare Gesetze zu schaffen", forderte der Richtervertreter. Es ginge letztendlich um die Rechtssicherheit für jeden einzelnen Staatsbürger.

Zur Vollversion des Artikels