Bub mitgeschleift

U-Bahn-Unglück: Die Eltern klagen an

09.05.2010

Ihr schwer verletzter Bub war in Lebensgefahr. Die verzweifelten Eltern fragen sich, warum die U-Bahn losfuhr, der Fahrer nicht bremste.

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Es sind die schlimmsten Stunden ihres Lebens: Daniella R. und ihr Mann sitzen in der Kinderintensivstation des Wiener Spitals SMZ-Ost. Sie tragen weiße Mäntel, die Nachnamen stehen auf der Brust. Das Paar aus Wien-Favoriten hat Tränen in den Augen und ist verzweifelt. Wenige Räume weiter liegt Sohn Florian (5) im künstlichen Tiefschlaf. Er wurde Freitag in der U-Bahn-Station Enkplatz vom Zug mitgeschleift – ÖSTERREICH berichtete.

Am Tag danach schildert Daniella R., wie es zum Horror-Unglück kam: „Wir waren am Weg zu einem Fest, fuhren die Rolltreppe zur U3 nach unten. Die U-Bahn war erst kurz in der Station. Ich war sicher, dass wir den Zug noch erwischen. Ich hielt Florians Hand, er stieg als Erster ein“, sagt R. zu ÖSTERREICH. Dann das Drama: „Florian hatte den Fuß in der U-Bahn, als die Stimme ‚Zug fährt ab‘ sagte. Die Türen gingen zu. Er schaute mich an und schrie: Mama, mein Fuß!“ Daniella R. zieht sofort an seiner Hand, will ihn retten. Ein Passant hilft. Doch der Zug beschleunigt und ihre Hände lösen sich. Florian wird über den leeren Bahnsteig geschleift.

Mutter: „Der Fahrer hätte das doch sehen müssen“
Sie läuft ihm nach, zieht dann den Notstopp in der Station. „Ich wollte ihn nicht aus den Augen lassen, er ist doch unser größtes Glück“, sagt Daniella R. Im nächsten Moment sieht sie nur mehr die Rücklichter der U-Bahn und ihren blutverschmierten Sohn am Bahnsteig liegen.

Er wird im SMZ-Ost notoperiert, liegt im Tiefschlaf. Am Samstag beginnt das Team um Stationschef Christian Scheibenpflug mit dem Aufwachprozess. „Sein Zustand ist nicht zu unterschätzen“, so der Arzt zu ÖSTERREICH (Interview).

Die tiefen Emotionen und die Angst um ihr Kind halten Familie R. nicht davon ab, noch in der „Intensiv“ die Sicherheitsvorkehrungen der Wiener Linien aufs Schärfste zu verurteilen: „Der Fahrer hätte sehen müssen, dass ich und der Mann versuchen, Florian zu retten. Er hätte im Stationsspiegel den leeren Bahnsteig sehen müssen und dass da ein Kind mitgeschleift wird. Wieso ging die Tür nicht auf?“, fragt die Mutter.

„Das Wichtigste ist, dass Florian überlebt. Ich war nicht dabei, aber ich stelle mir immer wieder vor, wie Florian mitgerissen wird. Was sind das für Sicherheitsvorkehrungen?“, so der verzweifelte Vater. Was die besorgten Eltern und Verwandten auch beschäftigt: „Warum hat der Stationswart nicht reagiert? Warum hat niemand den Vorfall auf der Videoüberwachung gesehen, den Zug gestoppt?“

‚Muss jemand sterben, dass sie etwas unternehmen?‘
Und: „Muss denn jemand sterben, dass die Wiener Linien etwas unternehmen“, sagt die geschockte Daniella R. Sie erhebt weitere harte Vorwürfe: „Nicht einmal der Stationswart hat sich um mich gekümmert.“

Die entscheidenden Fragen: Wieso haben die Tür-Sensoren nicht die Wegfahrsperre aktiviert? Warum ist der Zug trotz gezogener Notbremse aus der Station gefahren? Die Wiener Linien haben einen Lokalaugenschein in der Station durchgeführt. Sprecher Answer Lang: „Der Spiegel war richtig eingestellt. Wir haben in der Station keine Mängel gefunden.“ Der Stationswart habe sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Büro befunden und sofort nach dem Alarm die Rettung gerufen. Der geschockte Fahrer sagte in der ersten Befragung am Samstag: „Ich kann mich nicht erinnern, dass da jemand war.“

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