ÖSTERREICH-Interview

Gusenbauer: "Ich will eine Regierungs-Reform"

05.01.2007

Noch gut 100 Stunden bis zur Angelobung: Alfred Gusenbauer nennt im großen ÖSTERREICH-Interview seine Minister-Pläne und seine Verhandlungsziele.

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ÖSTERREICH: Gibt es bereits einen Zeitplan für die entscheidenden letzten 100 Stunden bis zur Angelobung der Regierung?
Gusenbauer: Es ist sicher so, dass wir auf Ebene der Parteivorsitzenden, der Klubobleute und der Finanzleute in vielen informellen Gesprächen – und da wird das ganze Feiertags-Wochenende mit Hochdruck gearbeitet – die letzte große Verhandlungsrunde am Montag vorbereiten, damit der Montag eine echte Schlussrunde sein kann. Das heißt also: Montag Verhandlungsabschluss, Dienstagvormittag die Parteigremien, die das Ergebnis beschließen, Mittwoch will ich dann bei der Neujahrskonferenz die Grundzüge der künftigen Regierungsarbeit erläutern und es sollen dort auch jene Persönlichkeiten auftreten, die der Bundesregierung von unserer Seite angehören – und am Donnerstagvormittag soll, wenn ich das richtig verstehe, die neue Bundesregierung vom Bundespräsidenten angelobt werden.

ÖSTERREICH: Und das wird reibungslos funktionieren?
Gusenbauer: Also dass es bei einzelnen Punkten sicher noch eine Reihe von Problemen geben kann, dass es noch ein bisschen knirschen kann im Getriebe, ist klar. Aber am Zeitplan wird sich nichts ändern.

ÖSTERREICH: Und wenn die ÖVP meint, dass die eine oder andere Verhandlung noch ein paar Tage länger dauert...
Gusenbauer: ... das schließe ich aus. All diese Dinge kann man beim erforderlichen politischen Willen in kürzester Zeit klären – und wenn man den politischen Willen nicht hat, dann nützen auch mehr zusätzliche Tage nichts.

ÖSTERREICH: Das heißt: Montagabend ist die Regierung inklusive Ministerien-Verteilung ausverhandelt?
Gusenbauer: Richtig.

ÖSTERREICH: Hat die SPÖ schon einen klaren Plan, welche Ministerien sie will?
Gusenbauer: Da stellt sich zunächst einmal die grundsätzliche Frage, wie viele Ministerien es überhaupt geben soll. Wir haben bisher 19 Regierungsmitglieder – und ich glaube auch, dass man nicht mehr braucht. Mein Ziel ist es aber, die Aufteilung in elf Minister und sieben Staatssekretäre zu ändern. Ein Staatssekretär ist nicht billiger als ein Minister – hat aber den erheblichen Nachteil, dass er keinen eigenständigen Verantwortungsbereich hat und dass er für die Öffentlichkeit nur ein Regierungsmitglied „zweiter Ordnung“ ist. Was vor allem für unsere Vertretung in der EU sehr ungünstig ist. Daher glaube ich, dass wir die Bereiche, die derzeit durch Staatssekretäre abgedeckt werden, in Zukunft durch Minister erledigen sollten. Das wäre eine vernünftige Neuordnung der Regierung.

ÖSTERREICH: Das heißt, anstelle von etwa fünf Staatssekretären soll es in Zukunft fünf zusätzliche Minister geben?
Gusenbauer: Neue Minister, nicht unbedingt neue Ministerien. Es kann in einem Ministerium, einem Haus durchaus zwei eigenständige Verantwortungsbereiche geben – ohne dass es mehr Beamte gibt. Damit wären wir als Regierung in Europa viel besser aufgestellt.

ÖSTERREICH: Das heißt, es wird neue Ministerien geben. Ein eigenes Frauenministerium? Ein Kulturministerium?
Gusenbauer: Ein eigenes Frauenministerium kommt sicher, das brauchen wir. Ein eigenständiges Kulturministerium ist, wie schon der ehemalige Minister Rudi Scholten immer sagt, nicht so sinnvoll, weil ein Minister, der ein wichtiges Ressort führt – wie Wissenschaft, Bildung oder ein Ressort im Kanzleramt – letztlich für Kunst und Kultur viel durchsetzungsfähiger ist, als ein Minister, der nur ein schmales Kunstbudget hat. Der wäre arm dran.

ÖSTERREICH: Ein eigenes Kulturministerium gibt es nicht?
Gusenbauer: Das hat sich in der Diskussion so durchgesetzt. Kultur wird ein Regierungsschwerpunkt, soll nicht unter die Räder kommen.

ÖSTERREICH: Für welche Bereiche brauchen Sie dann bis zu fünf neue Minister?
Gusenbauer: Da ist zunächst die Frage, ob es weiter gescheit ist, Landwirtschaft und Umwelt beisammen zu lassen. In diesem Ministerium gibt es Interessensgegensätze – und gerade bei der Dimension, die die Umweltfrage in den nächsten vier Jahren einnimmt, wird es ein ganz starkes Thema der neuen Regierung sein – und da sollten wir überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, aus dem Bereich Umwelt wieder ein eigenständiges Ministerium zu machen, damit wir zum Beispiel rasch die Kyoto-Protokolle umsetzen. Es stellt sich auch die Frage, ob es gescheit ist, Bildung und Wissenschaft als Mega-Ressort zu führen. Wir haben eine so große Bildungs-Offensive vor, dass ein künftiger Unterrichtsminister mit der Schulreform alle Hände voll zu tun hat. Da wäre es sinnvoll, ein eigenes Ressort für Wissenschaft, Universitäten, eventuell auch Kultur zu schaffen. Und es ist auch die Frage, ob es im Kanzleramt so etwas wie einen Staatsminister geben soll. Aber das sind nur Optionen, keine dogmatische Festlegung.

ÖSTERREICH: Das heißt: Am Schluss der Verhandlungen Montag steht auch noch eine große Regierungs- und Ministerien-Reform?
Gusenbauer: Genau, das ist mein Ziel. Auch weil ich glaube, dass eine neue Große Koalition verdeutlichen soll, dass es sich um eine neue Form des Regierens handeln soll, damit man nicht in Fehler der Vergangenheit zurückfällt, damit diese Regierung auch ein ganz anderes Verhältnis zum Parlament hat und das Parlament stark in die Arbeit einbezieht. In der Vergangenheit ist die Regierung über das Parlament drübergefahren. Schlecht! Ich will Politik als neue Form der Kommunikation, dafür braucht man auch Zeit.

ÖSTERREICH: Wenn es an die Verteilung der Ministerien geht, wird’s vor allem in einem Fall heikel: Wer bekommt den Finanzminister?
Gusenbauer: Ich habe immer gesagt: Wichtig in einer Regierung ist, dass das Verhältnis zwischen Finanzminister und Bundeskanzler ein Vertrauensverhältnis ist, weil das der Kern des Funktionierens einer Regierung ist. In der Vergangenheit hat man daraus geschlossen, dass sie derselben Partei angehören müssen, was ja nicht immer – siehe Kreisky – automatisch ideal war. Deshalb gilt: Finanzminister kann nur einer werden, auf den sich beide Regierungspartner verständigen können. Der Finanzminister als Gegner des Bundeskanzlers ist ein Konzept, das nicht funktioniert.

ÖSTERREICH: Das hieße, dass Grasser, Schüssel oder Molterer nicht in Frage kommen.
Gusenbauer: Das habe ich nicht gesagt.

ÖSTERREICH: Aber das sind Ihre politischen Gegner – spätestens vor der Wahl.
Gusenbauer: Eine Große Koalition, die auf wechselseitige Gegnerschaft angelegt ist, ist kein Zukunftsprojekt. Und überhaupt: Es ist noch nicht ausgemacht, wer das Vorschlagsrecht für den Finanzminister hat. Das kann durchaus die SPÖ sein. Die ÖVP hat da von uns keine Zusage, das ist offen.

ÖSTERREICH: Wenn die ÖVP den Finanzminister nicht bekommt, wird die Große Koalition im Finish scheitern.
Gusenbauer: Wer sagt das? Niemand soll sich in Positionen eingraben, sonst kommt er aus dem Loch nicht raus. Entschieden wird das am Schluss als Gesamtpaket. Und da gilt: Entweder es gibt alles oder nichts. Das ist so bei einem Gesamtpaket. Da muss es eine faire Verteilung der Ministerien geben, da muss es eine einvernehmliche Einigung auf den Finanzminister geben – und da muss auch allen klar sein, dass Weihnachten vorbei ist. Und dass es keine Wünsche ans Christkind mehr gibt.

Montag IN „ÖSTERREICH“ TEIL 2. Gusenbauer über die knackpunkte, den Eurofighter, die Studiengebühren und seine ersten Pläne als Kanzler.

Interview: Wolfgang Fellner

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