"Wir fallen mit"

Josef Pröll erklärt die Euro-Krise

15.05.2010

Der Vizekanzler humpelt noch, aber die Beinschiene ist weg, das alte Pröll-Lachen und sein Optimismus sind zurück. Josef Pröll hat die schwerste Woche als Finanzminister überstanden – und zieht die Bilanz der Krise.

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Josef Pröll ist seit Ostern durch ein Stahlbad gegangen: Achillessehne kaputt, enorme Schmerzen, Euro kaputt, Milliarden für Griechen und EU-Rettungspaket, ein persönlicher Absturz in den Umfragen. Erstmals spürt Pröll den Zorn der Steuerzahler, denen er für die Griechen Milliarden abknöpft und gleichzeitig neue Ökosteuern aufbrummt.

Pröll humpelt wieder – ohne Krücken, ohne Gips. Und Pröll lacht wieder – der Optimismus ist zurück. Im Sonntagsinterview mit ÖSTERREICH sagt der Finanzminister:

  • Ohne Hilfe für die Griechen wären in Österreich sofort fünf Milliarden Euro verloren gewesen, das Budget wäre ruiniert gewesen.
  • Wenn die Griechen die ­Eurozone verlassen, bricht der ganze Euroraum zusammen.
  • Ohne Rettungspaket des letzten Wochenendes wäre der Euro jetzt ruiniert.
  • Nach Prölls Meinung greift das Rettungspaket. Er zeigt sich als Optimist: „Wir sind über den Berg, die Krise ist weitgehend vorbei.“

Im zweiten Teil des Interviews – morgen im Montag-ÖSTERREICH – kündigt Pröll an:

  • Wie die Ministerien sparen müssen – und warum Bildung und Forschung nicht gekürzt werden.
  • Warum er weiter auf der Ökosteuer besteht und sie im Budget 2011 haben will.
  • Warum er ein Fan von Bankensteuer und Spekulationssteuer ist – und wie beides in Kürze kommen wird.

ÖSTERREICH: Können Sie uns erklären, warum die gesamte EU-Spitze das Griechenland-Debakel jahrelang übersehen hat?
Josef Pröll: Hier geht es schlicht um Tricksen, Tarnen, Täuschen. Die Griechen haben über Jahre hinweg falsche Daten vorgelegt, wir sind über Jahre angelogen und gezielt betrogen worden.
ÖSTERREICH: Unds das ist niemandem aufgefallen?
Pröll:: Wenn Ihnen ein Land komplett falsches Datenmaterial vorlegt und das von der Nationalbank bestätigen lässt, dann fällt das nicht auf.
ÖSTERREICH: Wenn jemand in einem Verein betrügt, wird der ausgeschlossen. Oder?
Pröll: Es muss für Griechenland Konsequenzen geben –- keine Frage. Da muss in Griechenland die Justiz einschreiten, bis hin zu Haftstrafen für die schuldigen Politiker. Und in der EU muss es künftig klare Rechtsinstrumente geben, wie man solche Betrügereien aufdeckt –- und was mit Rechtsbrechern dieser Art passiert.
ÖSTERREICH: Die Frage, die sich Österreichs Steuerzahler stellen, ist: Warum zahlen wir den griechischen Betrügern auch noch 2,3 Milliarden?
Pröll: Um es ganz klar zu sagen: Wir retten nicht die Griechen –- wir retten uns selbst. Es geht um unser eigenes Geld. Uns haben alle Experten gesagt: Wenn Griechenland fällt, dann fällt Österreich mit. Wir sind bei der Griechen-Krise am Kern angekommen –- am Fundament des Euro. Und ich stimme Angela Merkel hundertprozentig zu: Am letzten Wochenende stand Europa als Gesamtes am Abgrund. Wenn der Euro fällt, dann fällt die ganze EU –- dann ist unser gesamtes Friedensprojekt kaputt.
ÖSTERREICH: Es gibt aber viele Experten, die sagen: Der EU passiert gar nichts, wenn sie die Griechen aus dem Euro entlässt und ihnen keine Milliardenhilfe zahlt.
Pröll: Jeder vernünftige ­Expearte sagt Ihnen: Wenn Griechenland in Konkurs geht, dann gehen wir mit in die Pleite. Wir können Europa und den Euro nicht mehr entkoppeln.
ÖSTERREICH: Wieso?
Pröll: Weil bei einem Konkurs von Griechenland bei uns in Österreich von einem Tag auf den anderen sofort fünf5 Milliarden Euro als Verlust fällig gewesen wären. Wir hätten fünf5 Milliarden Verlust gehabt! Da ist es doch viel klüger, den Griechen 2,3 Milliarden Kredit zu geben, Griechenland damit zu stabilisieren und das Geld in ein paar Jahren mit Zinsen wieder zurück zu bekommen.
ÖSTERREICH: Das glauben Sie wirklich –- wir kriegen die Milliarden mit Zinsen zurück?
Pröll: Davon gehe ich aus, weil der Internationale Währungsfonds bisher in allen Fällen, wo er Geld verliehen hat, das Geld auch wieder zurückgeholt hat.
ÖSTERREICH: Jetzt haben Sie zusätzlich zu den 120 Milliarden für Griechenland letztes Wochenende auch noch 750 Milliarden als Rettungspaket für den Euro durchgeboxt. Ist das nicht irrsinnig viel?Pröll: Bei diesen 750 Milliarden habe ich dafür gekämpft, dass das nicht Kredite sind, die unsere Staatsschulden belasten, sondern Haftungen, die das Budget nicht belasten. Man muss wissen: Wir standen am Abgrund der wirtschaftlichen Zukunft für ganz Europa.
ÖSTERREICH: Ist das nicht zu dramatisch formuliert?
Pröll: Vielen ist leider die Dramatik nicht bewusst. Der Euro wäre ohne das Rettungspaket in eine massive Geldentwertung wie in den 30er-Jahren gestürzt, ein Land nach dem anderen wäre wie bei einem Flächenbrand in die Pleite geraten, auch wir hätten massive Probleme mit Budget und Finanzierung von Sozialbudget, Schulen etc. bekommen. Da ging es um alles!
ÖSTERREICH: Das Problem ist nur: Auch nach Ihrem 750-Milliarden-Rettungspaket fällt der Euro weiter.
Pröll: Ob der Euro so wie Freitag etwas fällt, ist nicht das Problem –- das kann sogar gut für unseren Export und unsere Wirtschaft sein. Die Bedrohung war eine massive Geldentwertung des Euros in wenigen Tagen, unsere Währung wäre ins Bodenlose gefallen. Man sieht bereits jetzt, dass die Risiko- und Zinsabschläge seit dem Rettungsp-Paket deutlich zurück gehen, dass sie sich für die Griechen sogar halbiert haben, was die Chance, dass sich Griechenland stabilisiert, enorm erhöht. Unser Nationalbankp-Präsident Nowotny hat gesagt, dass dieser Schutzschirm absolut gewirkt hat und absolut unverzichtbar war. Und das stimmt.
ÖSTERREICH: Ist der Euro jetzt gerettet - oder haben wir nur Zeit gekauft?
Pröll: Es war ein unverzichtbarer Schritt - deshalb bin ich optimistisch, dass der Euro wirklich langfristig gerettet ist. Aber wir sind derzeit in einer ganz besonders sensiblen wirtschaftlichen Lage –- weltweit. Ich höre in den letzten Stunden, dass nun in den USA eine heftige Diskussion über Stabilität, Schulden und Dollar beginnt. Das kann genau so dramatisch wie die Eurokrise werden.
ÖSTERREICH: Warum stoppen Sie nicht endlich die Spekulanten gegen den Euro?
Pröll:Ich bin ab 21. Mai in der Task-Force der EU-Finanzminister und wir werden da den Spekulanten ganz ganz massiv in die Parade fahren. Ich will, dass wir in der EU ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen von Staatsanleihen angehen, dass wir Credit Default Swaps auf Staatsanleihgen verbieten, dass wir also europaweit den Kern der Spekulation stoppen.
ÖSTERREICH: Ist die Krise für uns in Europa vorbei?
Pröll: Wir haben in Europa ein kräftiges Signal des Handelns gesetzt –- und das hilft uns sehr. Diese Krise hatte in Wahrheit drei Parameter: Zuerst war die Finanzkrise, ausgelöst durch die Leh­mann-Pleite. Hier ist es gelungen, die Banken zu sichern. Dann kam im Vorjahr die ­eigentliche fundamentale Wirtschaftskrise, da haben wir mit den richtigen Maßnahmen erfolgreich gegengesteuert, sind wieder sehr stabil und klar auf dem Weg nach oben. Und jetzt kam die Krise ganzer Volkswirtschaften wie die Griechenlands dazu –- und wenn wir die bewältigen können, dann sind wir über den Berg, dann sind wir durch ein wahres Sperrfeuer der Krisenbewältigung gegangen –- deshalb bin ich durchaus optimistisch, dass wir die Krise mit den richtigen Maßnahmen bewältigt haben.
ÖSTERREICH: Woher nehmen Sie diesen sonnigen Optimismus in düsteren Zeiten?
Pröll: Ich bin einer, der immer für die Hoffnung und für die Perspektive kämpft und der nie sagt: „Jetzt geht ollas den Bach owe!“ Ich glaube, dass noch wenige ­Finanzminister vor solchen Herausforderungen standen wie ich in den letzten Monaten. Aber im Gegensatz zu meinen Konkurrenten in der Innenpolitik tue ich eines nicht: aAbtauchen, verstecken, Hochglanzp-Plakate in Zeiten der Krise drucken –- und schon gar nicht: die Flinte pessimistisch ins Korn werfen.
ÖSTERREICH: Stört es Sie, dass Kanzler Faymann Plakate druckt, wo er sich als Kämpfer für Gerechtigkeit feiert und Sie mit den Budgetp-Problemen im Regen stehen lässßt?
Pröll: Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, um mich in Hochglanzb-Broschüren zu sonnen. Ich liebe spannende und schwierige Zeiten. Ob ich da im Regen oder in der Sonne stehe, ist für mich kein Maßstab in meiner politischen Arbeit.
ÖSTERREICH: Warum stoppen Sie nicht endlich die Spekulanten gegen den Euro?
Pröll: Ich bin ab 21. Mai in der Task-Force der EU-Finanzminister und wir werden da den Spekulanten ganz massiv in die Parade fahren. Ich will, dass wir in der EU ein Verbot von Leerverkäufen angehen, dass wir Credit Default Swaps auf Staatsanleigen verbieten, dass wir also europaweit den Kern der Spekulation stoppen.

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