Israilov-Prozess

Tag 1: Henkersknechte leugnen alles

16.11.2010

Knisternde Spannung im Landesgericht: Prozessauftakt im Fall Israilov.

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© TZ ÖSTERREICH/Singer
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Erster Prozesstag im Mordfall Umar Israilov. Internationale Reporter drängen sich im Großen Schwurgerichtssaal, ein Dutzend WEGA-Cops und Justizwachebeamte sichern die Lage.

Denn verhandelt wird nämlich ein politisch brisanter Mord: Der Befehl für die Tat am 13. Jänner 2009 soll von Tsche­tscheniens Staatspräsident Ramsan Kadyrow gekommen sein. Motiv: Israilov hat ihn nach der Flucht nach Österreich wegen Folter beim EU-Europäischen Gerichtshof wegen Folter in Straßburg angezeigt.

Doch angeklagt sind nur die Vollstrecker: Otto Kaltenbrunner (42), Kumpel von Kadyrow und Drahtzieher des Komplotts. Suleyman Dadaev (31), russischer Ex-KGB-Agent und Taliban-Kämpfer. Und Turpal-Ali Yeshurkaev (32), drogensüchtig und erst am Tag vor der Tat rekrutiert. Ihnen drohen wegen Mord und „Überlieferung an eine ausländische Macht“ 20  Jahre Haft. Dem Vierten im Bunde, dem Todesschützen Letscha Bogatirov, gelang die Flucht in seine Heimat. Angeblich ist er dort jetzt Polizeikommandant.

Israilovs Witwe Madina schluchzt, als die drei Angeklagten vorgeführt werden. Auch Umars Vater Ali verfolgt den Prozess in der ersten Reihe. Er lässt sich jedes Wort übersetzen.

Staatsanwalt: „Keine Überlebenschance“
Staatsanwalt Leopold Bien schildert den Geschworenen zwei Stunden lang den Tatablauf: Schon im Oktober 2008 ist eine „tsche­tschenische Delegation“ nach Wien gereist (Überwachungsbilder zeigen die Männer am Flughafen), um Israilov unter Druck zu setzen. Akribisch genau kann Bien die Kommunikation zwischen den Tschetschenen und Organisator Kaltenbrunner nachweisen. Ihre Handys und SIM-Karten haben sie verraten.

Flüchtling Israilov wusste vom Plan Kadyrows, ihn auszuschalten. Drei Mal bat er um Polizeischutz – vergeblich. Sechs Tage nach dem letzten Ersuchen wurde er nahe seiner Wohnung hingerichtet. Die Angeklagten leugnen den Mordplan.

Anwalt Mayer: "Kein Mordauftrag"
Anwalt Rudolf Mayer bringt als Beistand Kaltenbrunners eine neue Version: Israilov soll 300.000 Euro veruntreut haben. Seine Landsleute hätten ihn kidnappen wollen, damit er das Geldversteck verrät: „Aber es gab keinen Mordauftrag.“. Mayer will Präsidentv in den Zeugenstand holen – und gleich auch Wladimir Putin, weil Kadyrow als Statthalter Moskaus gilt.

Auch Anwalt Peter Philipp hält nichts vom behaupteten Komplott: „Mein Mandant (Yeshurkaev) kannte das Opfer gar nicht“. Und in Richtung der Geschworenen: „Glauben Sie, dass Terroristen mit einem Süchtigen arbeiten?“

Der Prozess wird heute fortgesetzt.

 

Avanti Dilettanti - die Pannen der Killer
Die Mörder von Umar Israilov sind keine Profis. Laut Staatsanwalt Leopold Bien agierten sie bei der Tat eher wie Doubles von Louis de Funès. Resultat war eine unglaubliche Serie von Pannen.

Verschlafen
Die Details dazu: Der drogensüchtige Turpal-Ali Yeshurkaev fand nicht zum Tatort in der Leopoldauer Straße. Die Komplizen Suleyman Dadaev und Letscha Bogatirov mussten ihn an einer Tankstelle auflesen. Auf der Lauer vor der Wohnung des Opfers wollte sich Turpal-Ali dann Zigaretten besorgen, merkte aber erst in der Trafik, dass er kein Geld dabei hatte. Dafür wurde er von der Videoüberwachung gefilmt.

Zeugen
Auch der mörderische Überfall auf Israilov um 11.59 Uhr war keine Aktion eiskalter Engel. Erst brachte die Angreifer völlig aus der Fassung, dass ihr Opfer rechts aus dem Haus ging und nicht links. Also warteten sie zu, bis Israilov seine Einkäufe erledigt hatte.

Folge: Als sie zuschlugen, schwang Israilov zur Abwehr Joghurtbecher und konnte vorerst davonlaufen. Bei der Verfolgung hatte die Pistole von Bogatirov eine Ladehemmung, dann schoss er daneben. Erst in einer Seitenstraße wurde Israilov tödlich getroffen. Aber da hatte der Lärm Anrainer aufgeschreckt. Sie knipsten die Täter und notierten das Kennzeichen des Fluchtautos. Vier Stunden später war der erste in Haft.

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