Frust bei Koller

"Unentschieden wäre gerecht gewesen"

12.09.2012

Schweizer fordert von den Spielern gegen Kasachstan die "Koller-Mentalität".

Zur Vollversion des Artikels
© GEPA
Zur Vollversion des Artikels

Am Tag nach dem 1:2 zum WM-Qualifikationsauftakt in Wien gegen Deutschland war Österreichs Fußball-Teamchef Marcel Koller noch immer von der unglücklichen Niederlage gezeichnet. Die gute Leistung gegen die Nummer zwei der FIFA-Weltrangliste spendete auch am Mittwoch nicht wirklich Trost, es überwog die Enttäuschung über die verpasste Sensation.

Koller trauert vergebenen Chancen nach
"Vom Ergebnis her ist das Ganze sehr frustrierend", erklärte der Schweizer. Er habe Probleme, die Schlappe zu verarbeiten, "weil wir vor allem in der ersten Hälfte eine sehr gute Leistung gezeigt und einige Chancen herausgespielt haben. Dann hat aber die letzte Konsequenz und die Ruhe gefehlt." Im Gegensatz zur ÖFB-Auswahl hätten die Deutschen ihre Möglichkeiten eiskalt ausgenützt. "In solchen Situationen zeigt sich eben ihre Weltklasse", stellte Koller fest und verzichtete darauf, noch einmal die Abseitsstellung der Deutschen in der Entstehung des Elfers zum 0:2 zu thematisieren. "Weil es jetzt eh nichts mehr bringt."

"Hat nicht sein sollen"
Mit Ausnahme der Chancenverwertung hatte der Betreuer seinen Schützlingen nichts vorzuwerfen. "Dass wir dieses Pressing nicht 90 Minuten lang durchhalten können, ist klar. Aber das Einzige, das in der ersten Hälfte gefehlt hat, waren die Tore. Und man darf nicht vergessen, dass wir gegen die Nummer zwei der Welt gespielt haben." Ein Unentschieden wäre ein gerechtes Resultat gewesen. "Aber es hat nicht sein sollen, und die grauen Haare kommen auch so."

Teamchef mit Leistung zufrieden
Die anerkennende Berichterstattung in deutschen Medien über seine Mannschaft nahm Koller achselzuckend zur Kenntnis. "Wir können uns von der Niederlage nichts kaufen. Aber es ist gut fürs Selbstvertrauen, dass gerade die Legionäre in Deutschland Lob bekommen." Zufrieden stimmte den 52-Jährigen auch die Tatsache, dass seine taktischen Vorgaben von Christian Fuchs und Co. eins zu eins umgesetzt wurden. "Einsatz, Leidenschaft, Wille und Laufbereitschaft waren top, das war auch notwendig, um das Spiel bis zum Schluss offenzuhalten. So hat es fast zu einem Punkt gereicht, aber eben nur fast."

Kein Vorwurf an Arnautovic
Es seien die "kleinen Dinge" gewesen, die eine Überraschung gegen den dreifachen Welt- und Europameister vereitelten. "Bei der Chance von Arnautovic springt der Ball vor ihm noch einmal kurz auf, geht ihm ans Schienbein und er trifft ihn nicht richtig. Er war sich sicher, dass er ihn reinmacht, das waren hundertstel Sekunden, in denen vielleicht die Spannung weg und die Vorfreude da ist. Doch das sind Erfahrungswerte, die man mitnimmt", sagte Koller über den vergebenen Sitzer zum 2:2.

Koller will Arnautovic wieder aufbauen
Unmittelbar nach dem Spiel fehlte dem Teamchef die Zeit, dem Werder-Bremen-Legionär Mut zuzusprechen. "Wir haben uns nach dem Match verpasst, ich bin nicht dazu gekommen, ihn zu trösten. Aber ich werde in den nächsten Tagen Kontakt mit ihm aufnehmen", sagte Koller. Einfach werde es für Arnautovic nicht sein, den Fehlschuss zu verkraften. "Wenn man Marko kennt, weiß man, dass so etwas nicht spurlos an ihm vorübergeht."

Arnautovic hat mehr drauf
Vom Wiener hätte sich Koller prinzipiell etwas mehr Präsenz erwartet. "Das, was er bei der Vorbereitung unseres Tores gemacht hat, hätte ich mir schon in der ersten Hälfte gewünscht. Er hat noch viel mehr drauf und müsste öfters solchen Szenen provozieren." Arnautovic und seine ÖFB-Kollegen müssen nun versuchen, bis zu den nächsten beiden WM-Quali-Partien gegen Kasachstan am 12. Oktober in Astana und vier Tage später in Wien ihre Schwächen so weit wie möglich auszumerzen. "Die Sicherheit im Passspiel, die Ruhe am Ball, das sind die Dinge, die wir weiterentwickeln müssen. Das braucht aber noch Zeit", betonte Koller.

Warnung vor Kasachstan
Der Nationaltrainer vermied es, so wie seine Spieler ultimativ sechs Punkte gegen Kasachstan einzufordern. "Ich mache nicht gerne Hochrechnungen." Viel lieber wies Koller darauf hin, dass die mit knappen Niederlagen gegen Irland und Schweden gestarteten Kasachen eine harte Nuss seien. "Beide Siele gegen Kasachstan werden extrem schwierig. Wir müssen wieder so eine Leistung wie gegen Deutschland bringen und diesmal Tore schießen. Spitze, Hacke - das wird nicht reichen. Die Spiele gegen Kasachstan sind um nichts einfacher als gegen Deutschland", warnte Koller.

Coach fordert Koller-Mentalität
Der Gefahr, dass die Motivation gegen die Kasachen nicht so groß wie gegen Deutschland sein könnte, will der Coach mit aller Macht entgegenwirken. "Jetzt gilt es, nicht die Deutschland-Mentalität, sondern die Koller-Mentalität weiterzuführen. Wir müssen gegen jeden Gegner Vollgas geben." In Astana zähle nur ein Erfolg, egal wie er zustande kommt. "Auch bei dreckigen Siegen nimmt man drei Punkte mit. Dann heißt es Mund abwischen und weiter." Gegen die Kasachen steht die ÖFB-Auswahl wohl vor einer gänzlich anderen Aufgabe - im Deutschland-Spiel stand das Pressing und das schnelle Umschalten bei Ballgewinn im Mittelpunkt, im Duell mit der Nummer 142 der Welt muss das Spiel gemacht werden. "Die Organisation mit dem Ball ist schwieriger hinzukriegen als ohne Ball", sagte Koller in diesem Zusammenhang.

Hoffen auf Alaba
Helfen könnte dabei David Alaba - sofern der Bayern-Legionär rechtzeitig fit wird. "Wir hoffen, dass er bis dahin zurückkommt. Ob es reicht, ist eine Zeitfrage. Es bringt nichts, jetzt Spekulationen anzustellen", meinte Koller über Österreichs Fußballer des Jahres, der nach seinem Ermüdungsbruch im Fuß in rund zwei Wochen wieder ins Mannschaftstraining einsteigt. Wieder dabei sein wird György Garics, obwohl der Rechtsverteidiger gegen Deutschland keine überzeugende Leistung ablieferte. "Es war vielleicht nicht sein bester Tag, aber er hat die Vorgaben in den vorigen Spielen gut umgesetzt", verteidigte Koller den Bologna-Kicker.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel