"Kein Haftgrund"

Amoklauf in München: Komplize ist wieder frei

25.07.2016

Staatsanwaltschaft will laut LKA Beschwerde einlegen.

Zur Vollversion des Artikels
© APA/dpa/Lukas Schulze
Zur Vollversion des Artikels

Der Todesschütze von München hat sich nach Erkenntnissen der Ermittler vor seiner Tat eng mit einem Freund über Amokläufe ausgetauscht. Bis kurz davor hielten sich die beiden Jugendlichen gemeinsam in Tatortnähe auf, die Mordserie soll der 18-Jährige allein begangen haben, teilte die Staatsanwaltschaft München am Montag mit.

Die Polizei hatte den 16-jährigen Afghanen am Sonntag unter dem Verdacht der Mitwisserschaft festgenommen. Am Montag wurde er nach Angaben der Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt, da der Haftrichter "keinen Haftgrund gesehen" habe, sagte eine Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA). Die Staatsanwaltschaft werde "Beschwerde dagegen einlegen".

Festnahme nach Widersprüchen

Der Jugendliche hatte sich am Abend der Bluttat des 18-jährigen Deutsch-Iraners David S. selbst bei der Polizei gemeldet und wurde zunächst als wichtiger Zeuge betrachtet. Später verstrickte er sich aber in Widersprüche und wurde festgenommen. S. hatte am Freitagabend beim Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen und sich selbst erschossen. 35 Menschen wurden verletzt.

Ein von dem mutmaßlichen Mitwisser gelöschter und von der Polizei wieder hergestellter Chatverlauf zwischen den beiden Jugendlichen zeigt nach Angaben von Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch, dass sich der 16-Jährige am Freitag "unmittelbar" vor dem Amoklauf mit dem späteren Schützen im Bereich des Tatorts getroffen hatte. Auch soll er womöglich davon gewusst haben, dass sein Freund im Besitz einer Pistole vom Modell Glock und Munition war.

In Psychiatrie kennengelernt

"Daraus ergibt sich für uns die Möglichkeit, dass unser jetziger Beschuldigter etwas von der Tat gewusst haben könnte", sagte Steinkraus-Koch. In dem Fall könnte dem Jugendlichen vorgeworfen werden, eine bevorstehenden Straftat nicht angezeigt zu haben. Für Erwachsene steht darauf eine Strafe bis zu fünf Jahren, der 16-Jährige fällt aber unter das Jugendstrafrecht. Zum Tatzeitpunkt selbst war der 16-Jährige demnach nicht mehr in der Nähe des Einkaufszentrums.

Die beiden Jugendlichen hatten sich im Sommer des vergangenen Jahres während eines Aufenthalts in der Psychiatrie kennengelernt. Dort sei ihm bekanntgeworden, dass der Täter vom Freitag den norwegischen Massenmörder Breivik verehrt habe, sagte Steinkraus-Koch. Dort habe der Amokläufer demnach auch geäußert, "er hätte einen Hass auf Menschen". Die beiden hätten sich auch über Amokläufe ausgetauscht und in "Fantasien" darüber ergangen - aber nach ersten Erkenntnissen nicht mit Therapeuten oder anderen darüber gesprochen. Beide seien wegen einer depressiven Erkrankung in Behandlung gewesen.

Süchtig nach Killer-Spielen

Nach den bisherigen Erkenntnissen begann der 18-Jährige in diesem Zeitraum mit der Planung seiner Tat. Beide sollen nach Angaben des 16-jährigen Afghanen "süchtig" nach Computer-Killerspiele gewesen sein. "Nach unserer Einschätzung haben sich zwei Einzelgänger getroffen, die relativ isoliert gelebt haben", sagte Hermann Utz von der Kriminalpolizei. "Sie haben beide gewisse Parallelen, was ihre Vita angeht und auch was ihr Freizeitverhalten angeht", fügte er in Bezug auf Computerspiele hinzu. Konkret nannten die Ermittler das Spiel "Counter-Strike", das in der Vergangenheit auch schon auf den Computern anderer Amokläufer gefunden wurde.

In der Wohnung des 16-Jährigen im Münchner Stadtteil Laim fand die Polizei Softair-Waffen, die der Jugendliche aber legal besaß. Zudem stellten die Beamten weiteres Datenmaterial sicher.

Die Stadt München hat ein Kondolenzbuch im Rathaus ausgelegt. Das Olympia-Einkaufszentrum wurde am Montag nach einem Gedenkgottesdienst wieder geöffnet.

 

Zur Vollversion des Artikels