47 Hinrichtungen

Die blutige Nachricht des Saudi-Königs

02.01.2016

König Salman gerät im In- und Ausland immer mehr unter Druck.

Zur Vollversion des Artikels
© afp
Zur Vollversion des Artikels

2015 war nicht das Jahr von Saudi-König Salman. Der schwache Ölpreis ruinierte die Staatsfinanzen, der Atom-Deal mit dem Rivalen Iran lässt die absolute Monarchie um ihren Einfluss in der Region bangen. Auch im Königshaus soll Salman, der erst seit knapp einem Jahr an der Macht ist, massiv unter Druck stehen. Nicht zuletzt erklärte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) Saudi-Arabien den Krieg.

Machterhalt
Salman nun schickte am Samstag eine blutige Botschaft in die Welt, als er auf einen Streich 47 Männer wegen Terrorismusvorwürfen hinrichten ließ. Saudi-Arabien sei bereit, mit äußerster Härte gegen Terrorgruppen - vor allem gegen den IS - vorzugehen, soll diese Nachricht wohl bedeuten. Der Machterhalt, für das Land sowie für seinen König, soll mit äußerster Gewalt gesichert werden. Dabei könnte gerade die Hinrichtung eines prominenten Schiiten die Stabilität weiter gefährden.

Nimr al-Nimr ist ein Geistlicher der schiitischen Minderheit, die vor allem im saudischen Osten lebt. In den 80ern lebte er fast zehn Jahre im Iran, wo er den schiitischen Islam studierte. Wegen seiner feurigen Reden gegen die Unterdrückung durch die sunnitische Regierung wurde Nimr unter den Schiiten schnell bekannt - und dem Königshaus in Riad ein Dorn im Auge.

Unruhen
Inspiriert von den Protesten der arabischen Aufstände hatte der 55-Jährige ab 2011 Demonstrationen im Königreich organisiert, in dem bis zu 15 Prozent Schiiten leben. Mehrmals wurde der religiöse Aktivist verhaftet. Die letzte Festnahme 2012 führte zu tagelangen Unruhen in Nimrs Heimatstadt Katif. Trotzdem wurde er wegen Schürens religiöser Konflikte und des "Ungehorsams gegenüber dem Herrscher" zum Tode verurteilt.

Für Guido Steinberg, Golf-Experte der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik, kommt die Hinrichtung Nimrs überraschend, weil mit dem Geistlichen jemand umgebracht worden sei, von dem keine Gewalt ausging: "Da geht die saudi-arabische Regierung doch ein gutes Stück weiter, als in den letzten Jahren." Für die Schiiten im ölreichen Osten, bei denen sich bisher keine militante Gruppe gegen Riad wende, sei das Urteil "eine Provokation".

Bedrohung durch den IS

Die Massenhinrichtung ist nach Ansicht Steinbergs aber vor allem eine Reaktion Salmans auf die Bedrohung durch den IS. Diese ist auf irakischem Gebiet bis an die Staatsgrenze der Monarchie herangerückt. Auch in Saudi-Arabien, das sich international gegen die Extremisten engagiert, sind IS-Anhänger aktiv. Die Terrormiliz hatte 2015 die Verantwortung für mehrere blutige Anschläge auf schiitische Moscheen übernommen.

Dabei hat das Königreich den Aufstieg der Jihadisten selbst begünstigt: Mit seinen Öl-Milliarden fördert Riad die weltweite Verbreitung des Wahhabismus, einer streng konservativen Lesart des Islam. Nun kommt diese Politik zurück wie ein Bumerang: Ein Produkt der wahhabitischen Ideologie ist der IS. Und der hat es längst auf das Königreich und die Muslimen heiligen Städte Mekka und Medina abgesehen.

Härte
Deshalb schlägt die Regierung mit zunehmender Härte gegen angebliche Terroristen zurück. "Wir sehen bei den Saudis die Rückkehr zu einer sehr brutalen Repression", beschreibt Steinberg. Die Todesurteile seien auch als Botschaft an die Sympathisanten des IS im Inneren zu sehen. Die Methoden des ultrakonservativen Staates erinnern dabei nicht zufällig an die Massenhinrichtungen des IS.

Im Osten des Landes ist nach dem Tod Nimr al-Nimrs nun zudem die Gefahr von neuen schiitischen Unruhen gegeben. Der Geistliche selbst hatte vor seiner Festnahme in einer Predigt gesagt: "Ich bin sicher, dass meine Verhaftung oder mein Tod Auslöser von Handlungen sein werden." Die Reaktion König Salmans auf diese Handlungen dürfte kompromisslos ausfallen.
 

Zur Vollversion des Artikels