Wikileaks-Enthüllung

Karzai ließ Straftäter ohne Prozess frei

30.11.2010

US-Geheimdokumente: 150 Kriminelle in Afghanistan freigelassen.

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© AP
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Der afghanische Präsident Hamid Karzai hat laut den von Wikileaks veröffentlichten US-Geheimdokumenten die Freilassung zahlreicher gefährlicher Krimineller und Drogenhändler angeordnet. Die Straftäter seien von den internationalen Truppen in Afghanistan festgenommen und von Karzai ohne Prozess wieder freigelassen worden, hieß es in den am Dienstag von der Enthüllungsplattform veröffentlichten Dokumenten. Wie aus einer vom August 2009 stammenden Depesche hervorgeht, sollen in den vergangenen drei Jahren 150 der 629 von der Militärallianz an die afghanische Regierung übergebenen Straftäter ohne ein Verfahren freigekommen sein.

Geheime Depesche aus Kabul
US-Vertreter sagten, sie hätten Karzai und den afghanischen Generalstaatsanwalt Mohammed Ischak Alko wiederholt dafür kritisiert, die Freilassung genehmigt zu haben. "Die beiden Männer haben die Freilassung der Gefangenen vor ihrem Prozess genehmigt und damit gefährlichen Kriminellen ermöglicht, ihre Geschäfte wieder aufzunehmen, ohne jemals vor Gericht gestellt worden zu sein", hieß es in der als "geheim" gekennzeichneten Depesche der US-Botschaft in Kabul vom August vergangenen Jahres. "Die Freilassungen ohne Prozess wurden fortgesetzt, obwohl wir dagegen protestiert und unsere Sorge darüber zum Ausdruck gebracht haben", hieß es weiter.

Darüber hinaus wird Karzai vorgeworfen, im April 2009 fünf Polizisten begnadigt zu haben, die mit 124 Kilogramm Heroin in ihrem Dienstwagen gefasst und zu Gefängnisstrafen von 16 bis 18 Jahren verurteilt worden waren. Sie seien freigelassen worden, "weil sie entfernte Verwandte zweier Personen waren, die im Bürgerkrieg getötet wurden", hieß es in dem Text weiter.

Karzai habe auch in einem Fall eingegriffen, in dem der Sohn eines reichen Geschäftsmannes und Unterstützers des Präsidenten mit Drogen gehandelt haben soll. Karzai ordnete eine zweite Untersuchung an, die ergab, dass der Sohn Opfer eines Komplotts geworden sei.

"Verhältnis nicht beeinträchtigt"
Die afghanische Regierung hatte am Montag versichert, die zuvor veröffentlichten diplomatischen Depeschen würden das Verhältnis zu den USA nicht beeinträchtigen. In den 250.000 von Wikileaks enthüllten Dokumenten werden unter anderem auch der afghanische Präsident und sein Bruder Ahmed Wali Karzai negativ dargestellt. Während der Präsident als "schwach" und "paranoid" beschrieben wurde, stuften die US-Diplomaten seinen Bruder, den Chef des Provinzrates von Kandahar, wiederholt als "reichlich korrupt und in den Drogenhandel verstrickt" ein.
 

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