Deutschland

Riesenstreit um Benzinsorte E10

07.03.2011


Am Dienstag steigt ein Benzin-Gipfel. Autofahrerklubs sehen Hersteller in der Pflicht.

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© Sean Gallup/Getty Images
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Bisher hat das Wirrwarr um die Benzinsorte E10 , so scheint es, in Deutschland nur Verlierer produziert: Die Ölbranche bleibt auf ihrem Biosprit sitzen und muss mit Strafzahlungen rechnen, Umweltminister Norbert Röttgen fürchtet um seine Biosprit-Quote und der verunsicherte Autofahrer an der Zapfsäule greift zur teuren Super-Plus-Pistole. So gesehen beste Voraussetzungen für den Erfolg des Benzin-Gipfels beim deutschen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, denn alle müssten Interesse an einer schnellen Lösung haben.

Regierung unter Zugzwang
Das Debakel wird bisher jedenfalls immer mehr zu einer Belastungsprobe für die christlich-liberale Regierung. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen gingen vor einem "Benzin-Gipfel" morgen Dienstag unvermindert weiter. Die FDP forderte, die Einführung von E10 vorerst zu stoppen. Der Koalitionspartner der Christdemokraten attackierte zugleich Umweltminister Röttgen. Der CDU-Minister hält dagegen an der Tauglichkeit des von den Autofahrern ungeliebten Biosprits mit 10-prozentiger Ethanol-Beimischung fest.

Unterschiedliche Ansichten
Der Druck auf die Teilnehmer des Gipfels ist freilich ganz unterschiedlich verteilt: Das deutsche Umweltministerium etwa gibt sich zwar gelassen und attackiert in erster Line die Mineralölindustrie mit dem Argument, E10 sei keine Erfindung der Regierung, es sei ein neues Produkt der Branche. Und daher müsse die Wirtschaft es wie alle anderen ordentlich bewerben, um es auf den Markt zu bringen. Dabei habe sie bisher kläglich versagt. Sollte E10 weiter nicht nachgefragt werden, müsse die Branche Strafen von bis zu einer halben Milliarde Euro fürchten.

Doch zum einen würden diese Zahlungen wohl kaum dem Etat von Minister Röttgen zufließen, sondern im allgemeinen Haushalt versickern. Zum anderen würde so auch die Biosprit-Quote von 6,25 Prozent in den nächsten Jahren kaum erfüllt. Letztlich steht Röttgen zudem unter Druck der EU, wo die Biosprit-Ziele verankert sind und die von der Regierung die Umsetzung verlangt - nicht von der Wirtschaft. Klimaschutz durch weniger CO2-Ausstoß und größere Unabhängigkeit vom Erdöl sind schließlich Aufgaben der Politik.

Mineralölwirtschaft hat kaum was zu befürchten
Die deutsche Mineralölwirtschaft dagegen kann sich trotz ihrer heftig kritisierten Öffentlichkeitsarbeit vergleichsweise komfortabel in den Sesseln des Wirtschaftsministerium niederlassen: Sie sieht sich nur als Erfüllungsgehilfe der Biosprit-Strategie. Wenn der Verbraucher das Produkt nicht will, dann verkauft man eben das teurere Super Plus, was bisher eher ein Ladenhüter war. Die Strafzahlungen von etwa zwei Cent je Liter würde man eh auf den Spritpreis umlegen, hat die Branche schon angekündigt.

Dies sorgt in der Regierung für besonderen Unmut: Denn zum einen sei unklar, ob die Quote nicht - zumindest in diesem Jahr - ohne E10 erfüllt werden könne. Grund ist die Übererfüllung der niedrigeren Vorgaben in den vergangenen Jahren, mit denen Defizite in folgenden ausgeglichen werden können. Vor allem aber - das weiß das Ministerium - entlädt sich letztlich der Autofahrer-Zorn über die höheren Benzinpreise bei der Regierung. Sie sei mit ihrer Biosprit-Strategie Schuld. Daher steht vor allem Röttgen unter Zugzwang. Allein die Verantwortung der Industrie zuzuweisen wird ihm nichts nutzen, er muss sich dem Bürger an der Zapfsäule als Problemlöser präsentieren.

Autohersteller haben es nicht so einfach
Unangenehm ist die Lage auch für die Autoindustrie. Von ihr wird erwartet, dass sie die Garantie übernimmt, dass E10 für die genannten Modelle wirklich unbedenklich ist - zumal in den USA oder im Nachbarland Frankreich schon lange mindestens zehn Prozent Bio-Ethanol im Sprit ist. Genau vor diesen klaren Aussagen scheuen sich Tankstellenbetreiber und Kfz-Betriebe, die gerne auf die Hersteller verweisen. Doch auch die fühlen sich der Regierungsstrategie nicht verpflichtet.

Das gilt umso mehr für den Autofahrer. Den E10-Vorteil dem Verbraucher klarzumachen, dürfte beim Benzin-Gipfel daher ebenso Hauptaufgabe für die Politik wie das größte Problem für alle Beteiligten sein. Denn ob der Verbraucher nach dem Gipfel nun E10 tankt oder weiter auf teuere Benzin-Sorten ausweicht - als Gewinner der Debatte wird er sich kaum fühlen.

Das könnte beim Gastgeber, Wirtschaftsminister Brüderle, anders sein. Sein Ministerium trägt weder die Kern-Verantwortung für die Biosprit-Strategie noch für das Chaos an den Zapfsäulen. Mit der Zwei-Zeilen-Einladung zum Benzin-Gipfel hat er sich dem Autofahrer als fest entschlossen präsentiert, das Wirrwarr zu beenden. Insofern hat er im Ringen mit Röttgen schon gepunktet.

So sehen es die Autofahrerclubs
Im Chaos um die Einführung der neuen Spritsorte sieht der Autofahrerclub ADAC vor allem die Hersteller in der Pflicht: Sie müssten veranlassen, dass das Kraftfahrzeug-Bundesamt (KBA) alle Besitzer eines Benziners schriftlich informiere, ob das Fahrzeug E10 verträgt oder nicht, sagte ein ADAC-Sprecher am Montag in München. Auf diese Forderung will der ADAC auch beim E10-Gipfel am Dienstag in Berlin pochen. Es könne nicht sein, dass den Autofahrern auferlegt werde, im Internet nachzuschauen, ob ihr Fahrzeug E10 verträgt oder nicht, sagte der ADAC-Sprecher. Das KBA müsse im Auftrag der Hersteller jeden Besitzer eines Benziners anschreiben und informieren. Das wären laut dem Automobilclub rund 30 Millionen Halter in Deutschland. Rund drei Millionen Benziner vertragen den neuen Kraftstoff nicht, der einen Anteil von 10 Prozent Bioethanol hat.

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