Neue Therapien
Neue Alzheimer-Hoffnung: Was das neue Medikament kann und für wen es geeignet ist
27.09.2025Lecanemab: Ein neues Medikament sorgt für Furore und bietet Hoffnung für Menschen bei Früherkennung von Alzheimer. Wie die seit kurzem in Österreich zugelassene Therapie wirkt.
Alzheimer gehört zu den häufigsten Formen der Demenz, einer übergeordneten Gruppe von Erkrankungen, die das Denken, Erinnerungsvermögen und die Alltagsbewältigung beeinträchtigen. Demenz äußert sich zunächst oft subtil, etwa durch Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme oder leichte Orientierungsstörungen, und verschlechtert sich mit der Zeit. Sie kann das Leben der Betroffenen stark einschränken und stellt zugleich große Herausforderungen für Angehörige dar.
Alzheimer selbst ist eine Erkrankung des Gehirns, bei der Nervenzellen nach und nach absterben. Betroffene zeigen typische Symptome wie Gedächtnislücken, Wortfindungsprobleme, Orientierungsstörungen und Veränderungen der Persönlichkeit. Zu Beginn sind vor allem das Kurzzeitgedächtnis und kleinere Alltagstätigkeiten betroffen, im weiteren Verlauf können selbst grundlegende Handlungen zunehmend schwerfallen. Ursache der Erkrankung ist vermutlich eine Kombination aus genetischen, biologischen und Umweltfaktoren. Besonders die Ablagerung von sogenannten Amyloid-beta-Plaques im Gehirn gilt als Haupttreiber des Zelltods und der fortschreitenden Gedächtnisstörungen.
In Österreich haben laut Schätzungen 170.000 Menschen eine Form von Demenz, die Mehrheit davon Alzheimer. Mit der alternden Bevölkerung steigt diese Zahl kontinuierlich, und die Auswirkungen der Erkrankung auf Betroffene, Familien und das Gesundheitssystem werden immer relevanter.
Die Forschung macht Fortschritte
Bei frühzeitiger Diagnose von Alzheimer gibt es mittlerweile erste Therapieansätze, die den Krankheitsverlauf verlangsamen können. Ein Beispiel ist das neue Medikament Lecanemab, das Hoffnung auf eine Verzögerung der Erkrankung bietet.
Im August wurde in Österreich im Wiener AKH erstmals das neue Alzheimer-Medikament verabreicht. Es handelt sich um einen monoklonalen Antikörper, der gezielt gegen das Eiweiß Amyloid-beta wirkt, ein Hauptverursacher der für Alzheimer typischen Plaques im Gehirn. Lecanemab wurde im April 2025 in der Europäischen Union zugelassen. Österreich ist, neben Großbritannien, eines der ersten Länder in Europa, in dem Patientinnen und Patienten diese Therapie erhalten.
Prof. Dr. Elisabeth Stögmann ist eine der führenden Expertinnen für Demenzerkrankungen in Österreich. Sie ist Neurologin an der Medizinischen Universität Wien und leitet die Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen am Wiener AKH. In ihrer Forschung und klinischen Arbeit konzentriert sie sich auf die Diagnostik, Betreuung und innovative Therapieansätze bei Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen. Prof. Stögmann legt großen Wert auf Früherkennung und individualisierte Betreuung und begleitet Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige durch alle Krankheitsstadien. Als gefragte Expertin gibt sie regelmäßig Einblicke in die neuesten Entwicklungen der Alzheimer-Forschung und erklärt verständlich, welche Fortschritte neue Therapien wie Lecanemab für Betroffene bedeuten.
„Erkrankt ein Mensch an Alzheimer, sterben die Nervenzellen im Gehirn nach und nach ab. Ursache dürften giftige Eiweißablagerungen im Gehirn sein, sogenannte Plaques. Bei einem dieser Proteine handelt es sich um Amyloid-beta und genau dagegen wirkt der neue Wirkstoff Lecanemab“, erklärte Prof. Elisabeth Stögmann im ORF-Interview anlässlich der Einführung der neuen Therapie. Der Wirkstoff erkenne die Eiweiße, bindet sie und löse so eine immunologische Reaktion aus. Die Plaques werden abtransportiert, und die Entstehung neuer Ablagerungen wird verhindert. „Sodass wir wirklich sehen, dass das Amyloid-beta nach 18 Monaten Therapie ganz verschwunden ist“, so Prof. Stögmann.
Verzögerung, aber keine Heilung
Lecanemab ist kein Heilmittel. Die Erkrankung kann nicht gestoppt werden. Aber: Das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz lässt sich um etwa 30 Prozent verlangsamen. „Daten der letzten Jahre zeigen uns, wenn das Amyloid-beta weg ist, profitieren die Menschen auch klinisch“, bestätigt die Expertin. Das bedeutet: Die kognitive Verschlechterung tritt langsamer auf und das Risiko, in ein schwereres Stadium überzugehen, ist geringer. Die Therapie wird über Infusionen in spezialisierten Tageskliniken verabreicht. Für eine Behandlung infrage kommen nur Menschen im Frühstadium der Alzheimer-Demenz: Personen, die noch weitgehend ihren Alltag meistern, teilweise im Beruf stehen, aber Probleme mit Kurzzeitgedächtnis oder Wortfindung bemerken. „Wir haben jedoch Nachholbedarf bei der exakten Diagnose von Alzheimer, da es bis jetzt keine Therapie gab“, betont Prof. Stögmann.
Kontrolle und Risiken
Die Behandlung ist nicht risikofrei. Nebenwirkungen wie Hirnblutungen oder Hirnschwellungen können auftreten. Patientinnen und Patienten mit zwei Kopien des Hochrisikogens ApoE4, Blutverdünnern oder Mikroblutungen im Gehirn sind von der Therapie ausgeschlossen. Während der ersten drei Monate werden MRT-Kontrollen durchgeführt, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Nach 18 Monaten Therapie folgt eine monatliche Erhaltungsdosis.
Blick auf weitere Therapien: Donanemab
Ein weiteres Medikament mit ähnlichem Wirkmechanismus, Donanemab, hat kürzlich die Zustimmung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) erhalten. „Donanemab setzt bei einer späteren Aggregationsstufe von Amyloid-beta an als Lecanemab. Das sind unterschiedliche Wirkprinzipien, aber beide erzielen einen ähnlichen Effekt“, erklärt Prof. Stögmann. Die Behandlung muss nur einmal monatlich erfolgen und könnte nach 12 bis 18 Monaten beendet werden. Auch hier gilt: Heilung gibt es nicht, die Erkrankung kann lediglich verzögert werden.
Wenn die Demenz fortschreitet
Trotz neuer Medikamente wird es viele Patient:innen geben, deren Alzheimer fortschreitet, und oft ist eine Betreuung zu Hause nicht mehr möglich. Dann werden spezialisierte Einrichtungen notwendig. Diese bieten nicht nur Pflege, sondern auch eine Umgebung, die auf die Bedürfnisse von Demenzkranken abgestimmt ist.
Innovative Pflegekonzepte
Ein besonderes Beispiel ist das Alzheimerdorf Hogeweyk in den Niederlanden. Dort leben Menschen mit Demenz in einem dorfähnlichen Umfeld: Supermarkt, Café, Kino – alles innerhalb des Dorfs, aber mit professioneller Betreuung. Auch in Österreich entstehen zunehmend Demenz-Wohngemeinschaften und spezialisierte Pflegeeinrichtungen, die ein ähnliches Konzept verfolgen. Ziel ist es, den Betroffenen ein möglichst normales, sicheres und würdevolles Leben zu ermöglichen.
Hoffnung, aber realistisch bleiben
Lecanemab bringt echte Fortschritte für Menschen mit früher Alzheimer-Demenz. Die Therapie kann das Fortschreiten verzögern, aber die Krankheit bleibt nicht heilbar. Für Patient:innen und Angehörige bedeutet das: Früh erkennen, gezielt behandeln und gleichzeitig die Versorgung für fortgeschrittene Stadien planen. Innovative Pflegekonzepte und spezialisierte Einrichtungen werden in den kommenden Jahren immer wichtiger, sowohl für die Lebensqualität der Betroffenen als auch für die Entlastung der Familien.