Im südwestfranzösischen Dax existiert ein sogenanntes Demenzdorf: Ein Ort der die Pflege von Menschen mit Demenz revolutioniert. Das Besondere: Hier passt sich nicht der Patient dem System an – sondern umgekehrt. Und die Ergebnisse der Studie sind revolutionär.
Im „Village Landais Alzheimer" dreht sich die Welt anders herum: Statt dass sich die Bewohner an starre Regeln anpassen müssen, formt sich die Umgebung nach ihren speziellen Bedürfnissen. Ein Frühstück um 11 Uhr? Kein Problem. Nachts durch den Garten spazieren? Wird diskret begleitet. Diese revolutionäre Idee verwirklicht sich in einem einzigartigen Dorf in Südwestfrankreich, in dem 120 Menschen mit Demenz nicht als Patienten, sondern als geschätzte Dorfbewohner leben.
Das Konzept des 2020 eröffneten Dorfes im Städtchen Dax, 150 Kilometer südlich von Bordeaux, ist in Frankreich einzigartig. Die Bewohner erwartet ein idyllisches Dorf mit Marktplatz, Bistro, Friseur, Bibliothek und einem Supermarkt – in dem übrigens alles kostenlos ist. Die Bewohner leben in Wohngemeinschaften, verteilt auf 16 Häuser, und dürfen sogar eigene Möbel mitbringen.
Alzheimer-Dorf passt sich seinen Bewohnern an
Der Clou: Hier bestimmen die Patienten ihren Tagesablauf selbst. Niemand wird morgens geweckt, jeder isst, wann er möchte. Für die Sicherheit sorgen diskrete Bewegungsmelder, die das Personal alarmieren, wenn jemand nachts das Haus verlässt.
Die 120 Pflegekräfte tragen Alltagskleidung statt weißer Kittel. Hinzu kommen 120 Ehrenamtliche, die das Dorfleben bereichern. Medikamente werden auf ein Minimum reduziert, stattdessen setzt man auf gemeinsame Aktivitäten: Tischtennis, Tanzen, Hausarbeit oder Gärtnern im eigenen Obst- und Gemüsegarten.
Von den Niederlanden inspiriert, von der Wissenschaft bestätigt
Die Idee stammt ursprünglich aus den Niederlanden. 2013 sah der damalige Präsident des Departementsrats Henri Emmanuelli eine Reportage über das Demenzdorf „De Hogeweyk" bei Amsterdam und wurde sofort inspirert. Sieben Jahre später öffnete das „Village Landais Alzheimer" seine Pforten und wird seither vom staatlichen Forschungsinstitut Inserm wissenschaftlich begleitet.
Und tatsächlich: Die ersten Ergebnisse sind spektakulär, wie die Neurowissenschaftlerin Hélène Amieva im Dezember 2023 verkündete. In den ersten sechs bis zwölf Monaten nach Ankunft zeigen die Patienten keinen Abbau ihrer kognitiven Fähigkeiten, keine Verstärkung der Angstgefühle oder depressiver Symptome.
Bezahlbare Würde für alle
Mit monatlichen Kosten von 2000 Euro liegt das Dorf im unteren französischen Durchschnitt – und dank staatlicher Hilfen zahlen viele Bewohner nur etwa 250 Euro aus eigener Tasche. Kein Wunder, dass sich über 250 Menschen auf der Warteliste befinden. „Der Umgang mit Alzheimer-Patienten ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema", betont Mathilde Charon-Burnel, Projektverantwortliche im Departement Landes. Bei 1,2 Millionen Betroffenen allein in Frankreich steigt der Bedarf an innovativen Pflegekonzepten stetig.
Der Ansatz sei mehr ein sozialer als ein medizinischer, und genau das macht offenbar den Unterschied. Das einfache Prinzip hat jedenfalls eine große Wirkung und könnte vielleicht auch die Zukunft der Demenzpflege in ganz Europa prägen.