Stellen Sie sich vor, Sie hätten nicht zwei, sondern drei Eltern. Dieser medizinischer Durchbruch ist keine Science-Fiction-Premisse, sondern Realität für acht Babys, die in Großbritannien zur Welt gekommen sind.
Acht Kinder, geboren in Großbritannien, teilen sich ein seltenes genetisches Merkmal: Ihr Erbgut stammt nicht nur von Mutter und Vater, sondern zu einem kleinen Teil auch von einer dritten Person. Möglich wurde das durch eine experimentelle Technik, die helfen soll, schwere genetische Krankheiten zu verhindern.
Zwei Forschungsteams, eines von der Newcastle University in Großbritannien, das andere von der Monash University in Australien, haben jetzt im "New England Journal of Medicine" die ersten Ergebnisse dieser sogenannten Mitochondrien-Ersatztherapie veröffentlicht. Das Fazit: Alle acht Babys (vier Mädchen, vier Buben) kamen gesund zur Welt. Fünf entwickeln sich völlig unauffällig, bei dreien traten kleinere Gesundheitsprobleme auf, die nicht mit dem Verfahren in Zusammenhang stehen.
Mini-DNA mit großer Wirkung
Der Eingriff betrifft nur einen winzigen Teil des Erbguts, hat aber große Wirkung: Die Technik soll verhindern, dass defekte mitochondriale DNA (mtDNA) an Kinder weitergegeben wird. Mitochondrien, die "Kraftwerke" der Zellen, enthalten nämlich ihre eigene DNA. Und Mutationen in dieser winzigen Erbsubstanz können beim Nachwuchs lebensbedrohliche Krankheiten auslösen, vor allem in Organen mit hohem Energiebedarf wie Herz, Gehirn oder Muskeln.
So funktioniert die Mitochondrien-Ersatztherapie
Bei der sogenannten Mitochondrien-Ersatztherapie wird die defekte mtDNA der Mutter durch gesunde mtDNA einer Spenderin ersetzt, meist im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Das Ergebnis: Ein Kind mit dem genetischen Material von drei Personen. Wichtig zu wissen: Über 99 Prozent des Erbguts stammen weiterhin von den leiblichen Eltern.
Gesunde Babys durch revolutionäre Technik
In Großbritannien wurde die Methode 2015 gesetzlich erlaubt. Nun liegen erste Ergebnisse der Studie vor: Acht Babys, darunter ein Zwillingspaar, wurden mithilfe der Technik geboren. Alle waren bei der Geburt gesund. Fünf Kinder sind bis heute völlig unauffällig, drei hatten kleinere Probleme, die aber laut Forschern nichts mit dem Eingriff zu tun haben.
Das älteste der Kinder ist derzeit etwas über zwei Jahre alt. Die Wissenschaftler betonen jedoch, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um mögliche Langzeitfolgen auszuschließen.
In Österreich verboten
In Großbritannien braucht jedes Paar eine Genehmigung von der zuständigen Fruchtbarkeitsbehörde HFEA. Bisher haben 35 Paare diese erhalten. In Österreich ist die Methode, wie in vielen anderen Ländern, verboten. Kritiker verweisen auf ethische Bedenken und die nicht abschätzbaren Auswirkungen auf künftige Generationen.
Trotz aller offenen Fragen zeigt der erste Erfolg: Die Mitochondrien-Ersatztherapie könnte für bestimmte Familien eine lebensverändernde Option sein und eine neue Ära in der Reproduktionsmedizin einläuten.