Just auf einer Veranstaltung für die Sicherheit von Autoren und Autorinnen passiert es: Schriftsteller Salman Rushdie
wird am 12. August 2022 in Chautauqua (Bundesstaat New York) von einem 24 Jahre alten Angreifer niedergestochen, vielfach mit dem Messer verletzt. Rushdie verliert sein rechtes Auge, hat schwere innere Wunden und bis heute Probleme mit der Sensibilität einer Hand.
Doch er überlebt und schreibt ein Buch über den Angriff. "Knife - Gedanken nach einem Mordversuch" ist am 16.4. weltweit erschienen. Ist es eine Abrechnung? Eine Schuldzuweisung? Eine Wutrede? Nichts dergleichen. Rushdie verbindet in dem Text Fakten rund um den Angriff und seine Empfindungen. Herausgekommen ist eine besondere Schilderung, spannend und berührend, interessant und sogar... witzig!
Denn Rushdie denkt gar nicht daran, mit witzigen Bemerkungen zu sparen. So nennt er den Angreifer für sich gerne Arschloch, doch im "Rahmen des Textes soll er schicklicherweise A. heißen". Fast eingeschnappt wirkt Rushdie, dass der Angreifer sich nicht gut über ihn informiert habe, lediglich ein paar Filme auf YouTube geschaut habe und : "Seinen eigenen Worten zufolge hatte er kaum zwei Seiten aus meinen Büchern gelesen. (...) Worum auch immer es bei diesem Attentat ging, es ging nicht um Die satanischen Verse."
Rushdie und die Fatwa
Und mit dieser Feststellung spricht Rushdie einen zentralen Punkt an. Denn nach erscheinen dieses Buches vor 33 Jahren wurde eine Fatwa, ein Aufruf zum Töten ausgesprochen. Vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini. Der übrigens das Buch auch nie gelesen hat, so Rushdie in einem Gespräch mit dem Stern. Der 23-Jährige Attentäter hatte wenig zu seinem Motiv zu sagen, nur nebulös, dass er Rushdie nicht mochte und als unredlich einstufte. Für den Autor ein seltsam anmutendes Motiv.
Rushdie schildert neben seine Gedanken auch den langen, schweren Heilungsprozess. Auch wieder mit dem bisschen Sarkasmus und Witz, der leichtfüßig durch diese Geschichte mit dem ernsten Hintergrund führt. Er schildert Stuhlgang und die Flüssigkeit in seiner Lunge, das Zusammennähen der Lieder seines zerstörten Auges, starke Medikamente und nicht zuletzt die Gefühle seiner Frau Eliza (Schriftstellerin Rachel Eliza Griffiths). Denn sie hatte große Angst um ihren Mann.
Das ist "Knife"
"Knife" reiht sich in das Werk Rushdies ein, wie die fiktionalen Werke davor. Nur ist dieses eben nah an ihm dran, an seinem Leben und fast sterben. Trotzdem schafft es der Autor auf mehreren Ebenen zu unterhalten, informieren und aufzuklären. All das mit dem typischen, entwaffnenden Rushdie-Ton ohne Moralkeule aber voller Klarsicht (die glücklicherweise nicht mit dem Verlust seines Auges abhanden gekommen ist). Dass ihm das bei diesem höchst persönlichen Thema gelang, zeichnet ihn noch mehr als Schriftsteller aus. Mehr zum Thema am Samstag, 20.4. auf den Buchseiten in ÖSTERREICH).
Das sagte Rushdie dem Stern über Rache
Rachegefühle gegenüber dem Attentäter, der ihn schwer verletzte und sein rechtes Auge zerstörte, hat Rushdie aber nicht. "Ich möchte, dass er für eine wirklich lange Zeit ins Gefängnis geht", sagte er. Doch bisher stehe nicht einmal fest, wann genau der Prozess beginnen werde. Wenn er dabei aussagen sollte, könnte das ein wichtiger Moment für ihn sein, so Rushdie weiter. "Er muss mich ansehen. Er hat mich angegriffen, aber auch verfehlt. Er hat sein Leben ruiniert. Und ich habe es geschafft, mein Leben zum größten Teil zurückzugewinnen."
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