Preis für Zivilcourage

Conchita: Auftreten und Abräumen in Berlin

21.06.2014

Die Song Contest-Gewinnerin einte die gay community in Berlin.

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© AFP / Clemens Bilan
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Auch wenn die Homo-Szene der deutschen Hauptstadt zurzeit zerstritten wirkt und am Samstag in Berlin gleich mehrere Demos zum Christopher Street Day (CSD) anstanden: In der Nacht auf 11. Mai gab es einen Moment, der viele Lesben, Schwule und Trans*-Menschen einte. Es war der überraschende Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen.

Stonewall Gala
Am späten Freitagabend trat Wurst ("Rise Like A Phoenix") im Deutschen Theater bei der "Stonewall Gala" auf, einer Veranstaltung für die Rechte von Lesben und Schwulen, organisiert von dem in der Berliner Szene wegen konzeptioneller und kommerzieller Fragen umstrittenen CSD-Verein. Es moderierte Haudrauf-Comedian Ingo Appelt, der unter anderem witzelte, er wünsche sich eine komplett homosexuelle deutsche Bundeswehr - Motto: "Wir sind schwul in Kabul."

Zwar gab es Preise für Menschenrechtsaktivisten wie Dorothy Akenova aus Nigeria und Peter Tatchell aus Großbritannien sowie das Team der satirischen ZDF-"heute Show", die sich gern selbstironisch als Homolobby bezeichnet, doch Höhepunkt war der Auftritt von Ehrengast Conchita, die einen Sonderpreis aus der Hand des Schauspielers Georg Preuße erhielt (auch bekannt als Travestiefigur Mary).

Werben für Respekt
"Vielen, vielen, vielen Dank", sagte Wurst auf der Bühne. Seit ein paar Wochen sei sie "nur noch glücklich, von morgens bis abends". Der Nachrichtenagentur dpa sagte sie: "Ein Preis für Zivilcourage, der aus der Community kommt, ist natürlich enorm wichtig für mich, weil das einfach die Bestätigung dafür ist, dass ich keinen Schwachsinn rede, und dass ich was Gutes mache und dass die Leute das auch so empfinden." Sie wolle jedoch keine "Ikone" sein. "Ich bin kein Vorbild." Sie wolle auch nicht, dass sich jetzt jeder junge Mann eine Perücke aufsetze und dazu einen Bart trage. "So zu sein wie ich bin, das ist zuerst einmal nur meine eigene Wahrheit." Dennoch ist so viel Breitenwirkung fürs Anderssein und Werben um Respekt ist selten.

Zumal die gay community als sogenannte Randgruppe kein besonders gemeinschaftliches Bild abgibt und sich untereinander Scharmützel liefert. Das Nicht-Heterosexuellsein und das Hinausfallen aus der klassischen Geschlechterrolle schafft noch lange keine Solidarität untereinander. Anders zu sein aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft, ist allein nicht abendfüllend. Es sei denn, man heißt Conchita Wurst. An diesem Abend schaffte es die Frau mit Bart, zumindest in diesem Theatersaal in Berlin, ein Gefühl dafür zu geben, wie es wäre, wenn jeder Geschlechterrollen und Lebensweisen offener sehen würde.


 
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