Antonia Reininghaus

Die arme Millionärs-Tochter

07.11.2006

Antonia Reininghaus: Die private Tragödie der Millionärstochter - und wie Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ihre Freundin sah.

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Mit Elfriede Jelinek feierte sie in den Siebziger Jahren Triumphe, privat war ihr Leben eine einzige Tragödie. Am 3. November 1987 vergiftete Antonia Reininghaus ihre kleine Tochter (und führte Tagebuch über das Sterben), wollte sich dann selbst das Leben nehmen. Das Porträt einer Hochbegabten aus reichem Haus, die nie Tritt im Leben fand.

Das sagt Elfriede Jelinek
„Sie war eine der schönsten Frauen, die ich je gekannt habe, und sie hatte das Zeug zu einer ganz großen Schauspielerin', sagte 1987 in der Arbeiterzeitung eine, die es wissen muss: Elfriede Jelinek hat jenes Stück geschrieben, in dem Antonia Reininghaus ihren ersten großen Auftritt hatte. Nur eine Nebenrolle zwar, aber so mancher sprach nach der Premiere gar von „einer österreichischen Garbo“.

Elfriede Jelineks „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte“, wurde 1979 am Grazer Schauspielhaus aufgeführt. Vom Reinhardt-Seminar war Antonia Reininghaus damals abgesprungen und bekam auch prompt einen Einjahresvertrag am „Schauspielhaus“.

Arme Millionärs-Tochter
Abgesprungen war sie auch aus ihrer Familie, der Bierbrauerdynastie mit Millionenbesitz. In der Direktion der Grazer Bühne erinnert man sich, für wie wenig Geld die Reininghaus neben der „totalen Selbstverwirklichung als Schauspielerin“ gearbeitet hatte: „Es waren kaum mehr als 10.000 Schilling, die sie monatlich verdiente.“ Was sieben Jahre später zu Depression und Selbstmordversuch geführt hat, war damals scheinbar noch Nebensache. Vielleicht auch, weil der auf Teneriffa verstorbene Vater ein Millionenvermögen hinterlassen hatte.

Decken vorm Fenster
Man gab Wolfis Bauers „Memory-Hotel' und Clarks “Ist das nicht mein Leben?“, und Antonia Reininghaus war gefeierterweise dabei. Mit dem Spross der Wiener Nobeljuweliersfamilie Schullin zog die „Schwierige“ dann in Herrenhaus im steirischen Marktflecken Kitzeck. Im „Führerschlössel“ wie das leicht verfallene Anwesen von Dorfbewohnern genannt wurde, sah man immer nur Fenster, die mit Decken verhängt waren - die Reininghaus selbst mischte sich höchst selten ins dörfliche Treiben. Sinnbild einer inneren Emigration, die vorerst mit dem Sprung über den Atlantik endete.

Tochter mit Prochnow
Der Vertrag am Grazer Schauspielhaus wurde nie verlängert, der Durchbruch in den USA stellte sich nie ein. Am 4. November 1980 kam Tochter Johanna zur Welt. Vater war der deutsche Film-Bösewicht Jürgen Prochnow („Das Boot“).

Der vorläufig letzte Akt im „Abstieg der Antonia Reininghaus“ begann dann im September 1981: Ohne einen Groschen Geld in dar Tasche - im Kitzecker Landsitz häuften sich die unbezahlten Rechnungen - kehrte die damals Sechsundzwanzigjährige mit ihrer kleinen Tochter nach Graz zurück. Und fand die Familie in alle Windrichtungen zerstreut.

Da war Schwester Marina, mit einem Diplomaten verheiratet, längst in Ägypten zu Hause, Mariella Reininghaus geisterte durch Klatschspalten und Salzburger Tratschtischrunden als von Niki Lauda wie eine heiße Kartoffel Fallengelassene. Sie war vom Schlossberg zum Mönchsberg verzogen.
Und schließlich Mutter Reininghaus: Sie lebte damals schon seit Jahren mit ihrem Sohn Peter in Triest. Einzig Schwester Theresa war in der Heimat geblieben und studierte in den achziger Jahren Kunstgeschichte an der Grazer Uni.

"Falsche Männer"
Für Antonia blieb eine Mietwohnung in der Grazer Innenstadt und - die Notstandshilfe. „Sie wollte für andere Dinge anerkannt werden und stand sich dabei immer wieder selber im Weg“, sagt Langzeitfreundin Elfriede Jelinek.

Sie sieht den Weg in den Untergang auch als Folge „der falschen Männer, die sie immer hatte“.

Tagebuch über Sterben der Tochter
Das abgesonderte Leben der Antonia endete mit der Delogierung aus ihrer Wohnung in der Grazer Innenstadt und endete in Graz St. Peter. Hauptstraße 35b. In der Wohnung ihres damaligen Freundes, des 32jährigen Manfred S. Das Allerheiligenwochenende 1987 verbrachte er bei seinem Vater in der Oststeiermark, während Antonia Reininghaus den Abschiedsbrief aufsetzte. „Jetzt nehme auch ich die Tabletten“, schrieb sie und hatte zuvor der siebenjährigen Tochter Johanna sieben „Perdonal“ in den Honig gemischt.

Die Mutter führte genaue Aufzeichnungen, nachdem sie ihrer Tochter die Überdosis „Perdona“ verabreicht hatte. Demnach soll das Sterben des Kindes „einen ganzen Tag lang“ gedauert haben.

Manfred S. fand die „Garbo aus Graz“, den Oberkörper über den Tisch gebeugt. Tochter Johanna lag tot im Doppelbett. Neben der Bewußtosen: das Testament und ein letzter „Geschäftsbrief“ an ihren Grazer Anwalt.
In der Intensivstation auf der 1. Medizinischen Abteilung kämpfte ein Ärzteteam tagelang um das Leben der damals Dreiunddreißigjährigen.

Gewaltig war das mediale Echo, das familiäre hingegen war so gut wie nicht vorhanden. Ein Kriminalist jener Mordgruppe. die den „Fall Reininghaus“ bearbeitete: Von den Angehörigen hat sich noch bei uns gemeldet, Einziger Anrufer in der Grazer Polizeidirektion: der Vater der toten Johanna, Jürgen Prochnow.

Elfriede Jelinek hoffte damals: „Vielleicht schafft sie es noch einmal“.

Antonia Reininghaus schaffte die Genesung, musste nicht ins Gefängnis, wegen eines psychiatrischen Gutachtens nicht einmal vor den Richter.
Auf die Beine kam sie nie mehr.

Antonia Reininghaus starb 52jährig in ihrer Grazer Wohnung. Ihr Tod blieb zwei Wochen unentdeckt.

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