Tierschützer-Prozess

Monster-Verfahren kostet uns 4,8 Mio. €

01.03.2010

Am Dienstagvormittag hat am Landesgericht Wiener Neustadt der Prozess gegen 13 Tierschützer begonnen. Das Verfahren ist nicht unumstritten.

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In Wiener Neustadt hat am Landesgericht der größte Prozess des Jahres begonnen. Auf der Anklagebank: 13 Tierschützer, die Mitglieder einer kriminellen Vereinigung mit Mafia-ähnlichen Strukturen sein sollen.

Kosten explodieren bereits jetzt
Einzelrichterin Sonja Arleth rechnete bereits im Vorfeld mit einem Mega-Prozess und setzte 34 Verhandlungstage bis Mitte Juni an. Zum Prozessauftakt versammelten sich mehrere Dutzend Aktivisten und Sympathisanten - friedlich - vor dem Gebäude, um für den Tierschutz zu demonstrieren.

Nicht nur das Medieninteresse und die Verhandlungsdauer sind rekordverdächtig (werden alle 300 Zeugen der Anklage zugelassen, könnte der Prozess sogar bis März nächsten Jahres dauern). Auch die Kosten für Prozess und Ermittlungen explodierten bereits jetzt auf mindestens 4,8 Mio. Euro:

  • Allein für die „Soko Pelz“ mit 35 Spitzenbeamten sind in dreieinhalb Jahren Ermittlungsarbeit rund 4.410.000 Euro an Personalkosten angefallen. Der Aktenberg ist mittlerweile auf unglaubliche 200.000 Seiten angewachsen.
  • Bis zum Juni 2009 wurden 19 Tierschützer telefonisch überwacht. Die Kosten dafür: 158.988,10 Euro.
  • Für DNA-Untersuchungen im Tierschützer-Prozess zahlte der Staat 15.401,94 Euro, allein für ein einziges linguistisches Gutachten 35.000 Euro. Samt weiterer Gutachten kostet das insgesamt 210.000 Euro.
  • Hinzu kommen nun die Prozesskosten. Allein Richterin und Staatsanwalt werden bis Mitte Juni mindestens 28.112,35 Euro Personalkosten verursachen.
  • Und sollten die 13 Angeklagten freigesprochen werden, steht ihnen pro Person eine Rückerstattung der Anwaltskosten von 1.500 Euro zu. Insgesamt macht dies 19.500 Euro.

Der Prozess bildet nur den Höhepunkt im Kampf der Ermittler gegen die Tierschützer. Dreieinhalb Jahre wurde ermittelt, 16 Videofallen wurden installiert, Tausende E-Mails gelesen, fünf Monate allein der Hauptverdächtige Martin Balluch observiert. Mit diesen Ermittlungsergebnissen soll ihnen nun der Prozess gemacht werden.

„Aber in all den Jahren hat man uns keine einzige kriminelle Handlung nachweisen können. Nun hat man den Paragrafen 278a gewählt, um die ganzen ­Ermittlungen überhaupt rechtfertigen zu können“, so Balluch, der Hauptangeklagte und Obmann des Vereins gegen Tierfabriken.

Nach dem so genannten „Mafia-Paragrafen“ kann es aber auch zu einer Verurteilung kommen, wenn der Angeklagte nicht selbst eine Straftat vollzogen, sondern andere dazu (auch ideell) angestiftet hat. „Man unterstellt uns hier Hintergedanken, die wir nie ­hatten“, so Balluch.

Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, entgegnet: „Die Aussagen von Herrn Balluch kommentieren wir nicht, aber es wäre nicht zu einem Verfahren gekommen, wenn die Vorwürfe aus der Luft gegriffen wären.“ Alle Angeklagten wollen heute auf „nicht schuldig“ plädieren.

Erstmals sind Tierschützer nach dem sogenannten „Mafia-Paragrafen“ angeklagt. Vor Gericht wollen sie nun ihre Unschuld beweisen.
Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, der ÖSTERREICH vorliegt, lässt keine Zweifel offen: Den 13 Tierschützern, die sich ab heute vor dem Landesgericht verantworten müssen, wird vorgeworfen, Mitglieder oder doch zumindest Förderer von „militanten“ Tierrechtsgruppen zu sein, die auch vor „schwerwiegenden strafbaren Handlungen“ nicht zurückschrecken. Das Ziel der Gruppen: „Die Beendigung der Tiernutzung in sämtlichen Erscheinungsformen.“
Gleich mehrere Taten sollen so auf das Konto der Organisation gehen:

  • In mehreren „Kleider Bauer“-Filialen soll Buttersäure verspritzt und damit ganze Kollektionen zerstört worden sein. Auch der Mercedes des „Kleider Bauer“-Chefs soll von den Aktivisten gestanden sein: Er wurde mit Farbe übergossen. Die Sachschäden der Bekleidungskette sollen sich auf 434.000 Euro belaufen.
  • Ein Anschlag, ebenfalls mit Buttersäure, auf ein Lager von „Peek&Cloppenburg“ soll kosten von 68.000 Euro verursacht haben.
  • Auch Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly wurde Opfer der Tierschützer: Aus seiner Fasanerie sollen 300 Tiere „befreit“ worden sein.

Unterstützung von Straftaten. Fest steht: Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten weder vor, die Taten selbst begangen oder diese in Auftrag gegeben zu haben – also „Hilfestellung zur Kriminalität“ zu leisten. Allerdings doch, dass sie mit legalen Handlungen die Straftaten förderten – etwa durch das Filmen in Tierfabriken.
So kommt es nun dazu, dass erstmals gegen Tierschützer Anklage wegen des „Mafia-Paragrafen“ erhoben wird (§ 278a StGB). Bei einer Verurteilung drohen Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren.
So weit wollen es die Angeklagten allerdings nicht kommen lassen. „Insgesamt werden wir mehrere Hundert Zeugen zu unserer Verteidigung vorladen“, kündigt Rechtsanwalt Stefan Traxler an.
„Die Ermittler haben während ihren Untersuchungen bereits den Boden des Rechtsstaates verlassen. Nun muss das Gericht klären, ob ein verfassungsrechtlich geschütztes Verhalten, wie Demonstrieren, kriminalisiert werden soll“, so Anwältin Alexia Stuefer. Zugleich würden die Angeklagten mit Straftaten in Verbindung gebracht, an denen sie nie beteiligt gewesen seien. „Wir haben immer nur ganz normale Tierschutzarbeit betrieben“, so Angeklagter Martin Balluch. (mud)

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