Interview

E.Pröll: "Rücktritt muss zu denken geben"

13.04.2011

NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll im Interview zum Rücktritt des ÖVP-Chefs.

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© TZ ÖSTERREICH/Kernmayer
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Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll spricht im Interview mit ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner offen über den Rücktritt seines Neffen und die Zukunft von ÖVP und Regierung.

ÖSTERREICH: Wann haben Sie vom Rücktritt Ihres Neffen erfahren, und wie beurteilen Sie den Rücktritt von Josef Pröll?
Erwin PRÖLL: Ich wurde von ihm gestern um 6.50 Uhr in der Früh angerufen. Er hat gesagt, ich sei der Erste, den er von seinem Rücktritt informiert. Meine erste Frage war: "Wie geht’s dir wirklich?" Und er hat geantwortet: "Es geht, aber leider nicht so gut, dass ich weiter hundertprozentigen Einsatz bringen kann!"

ÖSTERREICH: Ihre Reaktion?
PRÖLL: Ich muss sagen, ich habe seit einiger Zeit befürchtet, dass seine Entscheidung in diese Richtung geht. Und ich habe wirklich zwei Seelen in meiner Brust: Da ist die familiäre Seele – da steh’ ich voll hinter seiner Entscheidung. Das höchste Gut jedes Menschen sind die Gesundheit und die Familie. Und die Situation seit dem Lungeninfarkt ist dramatischer, als viele wahrnehmen wollen. Die zweite Seele ist natürlich die politische – und da tut sein Rücktritt sehr weh. Ich halte Josef Pröll für ein politisches Talent, das der Republik noch sehr viel hätte bringen können. Er hat einen ausgezeichneten Job gemacht.

ÖSTERREICH: Wird seine Leistung zu wenig geschätzt?
PRÖLL: Was man noch sehr schätzen wird, ist, wie Josef Pröll als Finanzminister in der krisenhaften Zeit der letzten Jahre Österreich durch sein Engagement schwere Einschnitte und Rückschläge erspart hat. Er hat durch sein Agieren dafür gesorgt, dass unsere Banken die Krise ohne Probleme überstanden haben – und dass uns ein Schicksal wie Irland erspart geblieben ist. Da stand einiges an der Kippe, das hätte für Sparer und Staat dramatische Folgen haben können.

ÖSTERREICH: Hat er sich durch die Doppelbelastung als Parteichef und Finanzminister gesundheitlich übernommen?
PRÖLL: Sein Problem war, dass er mit seinem begeisterten Einsatz immer 200 Prozent an Leistung geben wollte – und dass er dabei im internationalen Einsatz für unser Land und im innenpolitischen Einsatz für die Partei das gesundheitlich Machbare übersehen hat.

ÖSTERREICH: Muss die Politik menschlicher werden?
PRÖLL: Ich glaube, ja! Es wird von Medien und Öffentlichkeit oft die physische und psychische Belastung in der Politik unterschätzt. Die Medien sollten fair und objektiv sein, bei aller Härte der Aufgabe.

ÖSTERREICH: Ist die ÖVP jetzt schwer in der Krise?
PRÖLL: Ich würde sagen, die ÖVP hat schon freundlichere Zeiten erlebt. Ich glaube, dass es jetzt entscheidend ist, dass die ÖVP nun rasch Handlungsfähigkeit zeigt. Und ich würde der Partei dringend raten, gleich heute im Parteivorstand die wichtigste Personalentscheidung für den neuen Parteiobmann rasch und einig zu treffen.

ÖSTERREICH: Soll Michael Spindelegger Parteichef werden?
PRÖLL: Er hat das Format, die Persönlichkeit und die Kraft für höchste Ämter. Ich traue ihm das zu, halte ihn für einen exzellenten Mann – aber das muss eine gemeinsame Entscheidung der Partei sein.

ÖSTERREICH: Braucht die ÖVP ­einen Neustart?
PRÖLL: Jetzt ist die Zeit für einen Neuanfang in der Partei, aber auch in der Regierung. Josef Pröll hat zum Abschied richtig gesagt, wir brauchen einen neuen Anstand in der Politik und eine Aufbruchstimmung. Wir brauchen aber auch einen neuen Umgang in der Regierung, wo gegenseitiger Respekt und Anerkennung wieder die Oberhand gewinnen. Und wir brauchen wieder Handschlagqualität in der Regierung und auch Mut zu unpopulären Maßnahmen. Der Bundeskanzler hat seinen Vizekanzler in letzter Zeit zu oft bei unpopulären Fragen im Regen stehen gelassen. Ich glaube, dieser Rücktritt sollte auch dem Kanzler und der SPÖ zu denken geben.

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