Fall Ott

Wüster Polit-Streit bei Sicherheitsrat

09.04.2024

Der Nationale Sicherheitsrat hat sich am Dienstagabend mit der Spionagecausa rund um den festgenommenen Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott beschäftigt.

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© APA/EVA MANHART
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Vor Beginn der Sitzung des Gremiums übten Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) scharfe Kritik an der FPÖ, diese wies dies zurück. Neue Erkenntnisse drangen danach nicht nach außen. Die SPÖ will nun die sogenannte DSN-Kontrollkommission einschalten, die NEOS signalisierten Zustimmung.

Einberufen wurde das Gremium durch den formal zuständigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf Initiative der Grünen. Die im Sicherheitsrat besprochenen Inhalte unterliegen der Geheimhaltungspflicht.

Vor der Sitzung äußerten vor allem ÖVP und Grüne scharfe Kritik an der FPÖ. Karner sagte in einer am Dienstagnachmittag kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, es stünden schwere Vorwürfe im Raum - Spionage, der Verrat von österreichischen Staatsgeheimnissen an Russland sowie Vorwürfe wie Amtsmissbrauch. Die von ihm geforderte lückenlose Aufklärung sei auch Teil der notwendigen Beratungen.

Forderung nach Ausdehnung der Befugnisse

Karner wies auch noch einmal auf seine Forderung nach einer Ausdehnung der Befugnisse der Ermittlungsbehörden hin: Eine lückenlose Aufklärung sei nur dann möglich, wenn die Polizei "als Ermittlungsbehörde im Auftrag der Staatsanwaltschaft" die "entsprechenden neuen und zeitgemäßen Möglichkeiten" bekomme, die auch notwendig seien, um "erfolgreich und restlos" zu einer Aufklärung zu kommen - "selbstverständlich nur nach richterlicher Anordnung". Hierbei gehe es um die "sogenannte Internettelefonie - Telefonie über Messengerdienste, die nicht überwacht werden können", so Karner. Zuletzt hatten die Grünen einem solchen Ansinnen eine Absage erteilt.

Scharfe Kritik richtete Karner - wie auch Vizekanzler Kogler vor der Sitzung - an die FPÖ. Es sei ein "Faktum", "dass es jemand gibt, der in diesem Haus Verantwortung getragen hat, nämlich ganz konkret (Ex-Innenminister und nunmehr FPÖ-Chef, Anm.) Herbert Kickl, in dessen Amtszeit es zu einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung im BVT (mittlerweile ausgelösten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Anm.) gab", sagte Karner. Mit diesem sei der Staatsschutz "zertrümmert" worden, und habe eine Zeit lang über keine internationalen Kontakte mehr verfügt, wiederholte Karner.

"Faktum" sei ebenfalls, dass es in Österreich mit der FPÖ eine Partei gebe, die mit der Partei von Russlands Machthaber Wladimir Putin "Einiges Russland" einen Freundschaftsvertrag habe, so Karner.

Hausdurchsuchung im BVT unter Kickl

Auch Kogler verwies vor Sitzungsbeginn darauf, dass die Hausdurchsuchung im BVT unter dem damaligen Innenminister Kickl stattgefunden hat. Wenn man zurückschaue, unter welchen Regierungen und Parteieinflussnahmen sich das alles besonders günstig gestaltet habe, sehe man schon, dass die Regierungsbeteiligungen der Jahre 2018/2019 hier mehr oder weniger "das Scheunentor offen hatte und das somit befeuert haben", sagte er zu den Spionagevorwürfen.

Es gehe darum, die Republik zu schützen, die Institutionen, die Bevölkerung. Und man müsse der FPÖ "auch einmal ausrichten": "Das ist auch Heimat, die Demokratie". Und wenn diese angegriffen und das auch zugelassen werde, "dann kann man auch davon reden, dass diese Heimat verraten wird. Und ich lasse mir nicht länger erklären, dass ausgerechnet die FPÖ die Heimat schützen will und gleichzeitig sind sie beim größten Verrat an Russland nicht nur irgendwo hintendran, sondern vorne mit dabei", so Kogler.

FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker wies die Vorwürfe sowohl vor als auch nach der Sitzung zurück. Die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates sah er in erster Linie als Vehikel der anderen Fraktionen, um der FPÖ "zu schaden". "Es ist so, dass die FPÖ seit Monaten stabil auf Platz 1 in den Umfrage liegt, gleichzeitig verliert die Bundesregierung immer mehr an Bedeutung." So gesehen müsse man "kein Stratege" sein, um zu merken, was "Sinn und Zweck dieses heutigen Schauspieles" sei. Doch dies werde ein "Bumerang" für die ÖVP werden, meinte er.

FPÖ-Mandatar sah Verantwortlichkeit bei ÖVP

Ganz grundsätzlich sah der FPÖ-Mandatar die Verantwortlichkeit rund um die Skandale um Jan Marsalek, Wirecard und das BVT bei der Volkspartei: "Wie man es dreht und wendet, auf jedem dieser Aktendeckel steht ÖVP drauf." Das BVT sei bereits vor der Übernahme des Innenministeriums durch Kickl "vollkommen kaputt gewesen". "Die ÖVP hat über 20 Jahre das Innenministerium geleitet. Es wird der ÖVP nicht glücken, all diese Unglaublichkeiten uns Freiheitlichen und Herbert Kickl umzuhängen."

Eher "reduzierte" Erwartungen an die Sitzung äußerte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner vor deren Beginn und wurde dann bestätigt: "Es gibt keine neuen Erkenntnisse, das kann ich ihnen berichten", meinte er nach Sitzungsende, mehr konnte er wegen der Vertraulichkeit nicht sagen. Die Sitzung habe die SPÖ aber in der Feststellung bestätigt, "dass wir die letzten Tage schon das Gefühl hatten, dass der Nationale Sicherheitsrat zu einer Inszenierungsbühne der ÖVP und des Bundeskanzlers missbraucht wird." Der ÖVP und Bundeskanzler Karl Nehammer traue er nicht zu, die Vorgänge aufzuklären. Denn dieser habe als damaliger ÖVP-Generalsekretär Kickl "völlige Rückendeckung" gegeben bezüglich der BVT-Razzia, es habe damals sogar eine entsprechende Presseaussendung der ÖVP gegeben.

Im Nationalen Sicherheitsrat habe die SPÖ - wie bereits vor Sitzungsbeginn angekündigt - beantragt, dass die sogenannte DSN-Kontrollkommission "jetzt tätig werden sollte", berichtete Einwallner. "Ich glaube, dass es eine unabhängige Überprüfung braucht, um Vertrauen wieder herzustellen und zu stärken." Die Kommission war Ende 2023 eingerichtet worden, und ist u.a. von der Juristen Ingeborg Zerbes besetzt.

Einbestellung der Kommission

Für die Einbestellung der Kommission braucht die SPÖ zumindest die Stimmen der NEOS im Unterausschuss "Innere Angelegenheiten", hieß es aus dem SPÖ-Klub auf APA-Anfrage. Man bereite das jetzt vor, Ziel sei, den Antrag noch diese Woche einzubringen.

Die NEOS signalisierten jedenfalls Zustimmung: "Das ist selbstverständlich gut, wenn diese Kontrollinstitutionen wirken können. Das ist zu unterstützen", sagte NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos. Auch er zog keinen Erkenntnisgewinn aus dem Sicherheitsrat: "Ich bin so klug als wie zuvor." Der russischen Einflussnahme müsse ein Ende gesetzt werden, betonte, er. Auch verwies er auf die Sicherheitsstrategie, die dringend geändert gehöre: "Wir können nicht akzeptieren, dass aktuell in Nationalen Sicherheitsstrategie nach wie vor Russland als strategischer Partner drinnen steht." Seine Parteikollegin Stephanie Krisper fordert im ORF-"Report" nach der Sitzung auch die Einsetzung eines U-Ausschusses zur Causa. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zeigte sich dafür offen: "Nach der Wahl können wir gerne darüber sprechen."

Scharfe Kritik an der FPÖ übten nach der Sitzung neuerlich die Grünen: "Die stückweise Aufdeckung der russischen Netzwerke nach Österreich - allen voran zur FPÖ - zeichnet ein erschreckendes Bild", erklärten nach der Sitzung Klubobfrau Sigrid Maurer sowie die Abgeordneten David Stögmüller und Agnes Prammer in einer Aussendung. "Im Zentrum dieser Machenschaften steht nicht etwa der längst zurückgetretene Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder etwa die mittlerweile nach Russland emigrierte Ex-Außenministerin Karin Kneissl: Nein, es ist Herbert Kickl, der aktuelle Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs höchstpersönlich."

"Vertiefende Erhebungen"

Es gehe nicht mehr um einen "Kuschelkurs" zwischen der FPÖ und Russland, "es geht nicht mehr um ein freundschaftliches Verhältnis: Es geht darum, dass die FPÖ seit Jahren als Handlanger Putins in Österreich agiert." Zur Forderung der SPÖ nach Einsetzung der DSN-Kommission sagte Stögmüller nach Sitzungsende vor Journalisten, er könne sich "sehr wohl vorstellen, dass die Kommission vertiefende Erhebungen macht".

Zwar etwas zurückhaltende, aber prinzipiell auch bereit, zeigte sich diesbezüglich nach der Sitzung Hafenecker: Man könne sich "zusammensetzen und drüber sprechen". Wenn man Eindruck habe, dass im Geheimdienst "einiges schief läuft", habe die FPÖ "grundsätzlich kein Problem damit".

Erstmals hatte sich zuvor am Dienstag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Affäre geäußert. Bei einer Pressekonferenz mit seiner Schweizer Amtskollegin Viola Amherd sagte er, er lese "mit Interesse" die Berichte über die Spionageaffäre. "Seien wir doch froh, dass etwas aufgedeckt wurde", sagte er auf eine Frage der APA. Der Fall zeige, dass "Mächte außerhalb der Europäischen Union" nicht nur durch Spionage Einfluss zu nehmen versuchen, sondern auch indem sie Stimmungen erzeugen. "Das kann schon nervös machen", so Van der Bellen, der zugleich betonte, dass die Klärung der Vorwürfe "Sache des Gerichts" sei.

Beratungsgremium der Bundesregierung

Der Nationale Sicherheitsrat ist ein Beratungsgremium der Bundesregierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er besteht aus Kanzler, Vizekanzler, Außenminister, Innenminister, Verteidigungs- und Justizministerin sowie Vertreterinnen und Vertretern der im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Parteien. Beratend zur Seite stehen ihm außerdem Vertreter der Präsidentschaftskanzlei bzw. der Landeshauptleutekonferenz, der Generalsekretär im Außenamt, der Generalstabschef, der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit sowie weitere Beamte.

Indes wurden am Dienstag weitere Details zur Causa Ott bekannt. Wie die APA erfuhr, soll Egisto Ott im Jahr 2022 die Wohnung seines Ex-Schwiegersohns in Wien-Floridsdorf zur Übergabe von widerrechtlich in seinen Besitz gelangten Diensthandys von Spitzenbeamten des Innenministeriums und eines SINA-Laptops mit geheimen, hochsensiblen nachrichtendienstlichen Daten eines EU-Staates an Vertreter des russischen Geheimdienst genutzt haben, ohne dass der Ex-Schwiegersohn davon wusste.

Die Diensthandys des ehemaligen Innenministerium-Kabinettschefs Michael Kloibmüller und zweier weiterer Spitzenbeamter hatte ein ehemaliger BVT-Beamter im Juli 2017 zur Datenrettung bekommen. Sie waren bei einem Bootsausflug des Innenministeriums ins Wasser gefallen. Der IT-Techniker übergab sie in weiterer Folge aus Gründen, die die Wiener Staatsanwaltschaft untersucht, Ott. Denn auch gegen den IT-Techniker ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Wie die Sprecherin der Wiener Anklagebehörde, Nina Bussek, am Dienstag auf APA-Anfrage bestätigte, wird gegen den Ex-BVT-Beamten wegen Veruntreuung ermittelt.

Disziplinarrechtliches Verfahren soll noch anhängig sein

Wie der "Kurier" berichtete ist ein mittlerweile pensionierter Beamter des einstigen Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Wien für neun Monate - bis Ende Mai 2023 - suspendiert worden. Ein Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt, ein disziplinarrechtliches Verfahren soll aber noch anhängig sein.

Aus Chats zwischen Marsalek und dem mutmaßlichen Anführer eines bulgarischen Spionagenetzwerkes geht hervor, dass der SINA-Laptop, der von Wien nach Moskau gebracht wurde, vom Iran gekauft werden sollte. Das berichteten der "Kurier" und der ORF-"Report" am Dienstagabend.

Warnungen vor russischen Infiltrationen

Laut der Wochenzeitung "Falter" hatte es intern im BVT wiederholt Warnungen vor russischen Infiltrationen gegeben. So warnte bereits 2016 - noch unter dem damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) - ein für Spionage zuständiger Beamter seine Vorgesetzten, dass der russische Nachrichtendienst seine Aktivitäten in Österreich und der EU "in einem enormen Ausmaß" intensiviert habe und mit den bestehenden Ressourcen in Österreich kaum eine Basisbearbeitung der hohen Zahl an Fällen erfolgen könne. Zwei Jahre später - unter Kickl - warnten BVT-Beamte abermals, dass es verstärke Anwerbeversuche von russischen nachrichtendienstlichen Personal in Österreich gebe, und beklagten, dass die Spionageabwehr gegenüber Russland "mit nur drei Mitarbeitern zu bewältigen" sei.

Innenminister Karner betonte dazu in der "ZIB 2" am Abend, dass es eine Personaloffensive auch für das DSN - Nachfolgeorganisation des BVT - gegeben habe und nun für russische Spionage "ausreichend Personal zur Verfügung steht".

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