"Feig und blöd"

Wirbel um Aussagen von Erste-Chef

16.05.2011

Wogegen der Banker seine Geschütze auffährt, wer sauer ist und wer applaudiert.

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Wegen der Verdopplung der Gagen für seine Aufsichtsräte hatte Erste-Group-Chef Andreas Treichl letzten Donnerstag massive Schelte seitens der Politik einstecken müssen - Freitagabend platzte ihm seinerseits der Kragen: Unsere Politiker seien "blöd, feig und ahnungslos", wütete er. Schauplatz war ein Diskussionsabend der Reihe "Zeitlinien" des ÖVP-nahen Seebrunner Kreises in Salzburg.

Treichl: "Politiker ohne Ahnung von Wirtschaft"
Die Veranstaltung mit rund 250 Gästen stand unter dem Motto "Lernfähig? Finanzwirtschaft nach der Krise". Erste-Chef Treichl (kassierte 2010 satte 2,8 Millionen Euro) saß am Podium. Im Laufe der Diskussion redete sich Treichl richtig in Rage.

 Wütend machen ihn vor allem die Regeln für die Kreditvergabe nach der Krise. Zwar habe die Politik die Bedingungen für Darlehen an Firmen verschärft, aber um Sicherheiten bei an Staaten ausgeliehenem Geld kümmere sich niemand. Mit folgenden Auswirkungen: Bei einem Kredit für eine vertrauenswürdige Firma brauche die Bank jetzt zehnmal so viel Eigenkapital wie für eine Anleihe an Griechenland, wo man jetzt schon wisse, dass die wenn, dann nur über den Steuerzahler zurückgezahlt werden könne.

Firmenkredit schwieriger als Griechen-Anleihe
 Hier habe die Politik versagt, meint Treichl. "Das ist eine Frechheit, ein ganz grober Fehler. Unsere Politiker sind zu blöd und zu feig und zu unverständig, um dagegen zu wirken, weil sie von der Wirtschaft keine Ahnung haben."

Die Finanzbranche habe zudem aus der Krise "wenig gelernt", meint der Erste-Chef. In Österreich und Zentraleuropa blieben die Banken zwar dem traditionellen Geschäft (Spareinlagen und Kreditvergabe) treu, aber international sei Spekulation an der Tagesordnung. "Wir haben eine Bilanzsumme von weit über 200 Mrd. Euro und spekulieren mit sieben. Eine deutsche Bank hat eine Bilanzsumme von 2.000 Mrd. und spekuliert mit 1.500. Das sind andere Dimensionen", so Treichl. l Das sei eine "riesige Gefahr". "Denn die Chancen, unfassbar schnell unfassbar viel Geld mit nicht traditionellem Geschäft zu verdienen, sind unheimlich hoch." Die nächste Krise werde "über Rohstoffe kommen".

Nach Treichls Äußerungen gingen die Wogen am Wochenende hoch. SP-Staatssekretär Josef Ostermayer findet, Treichl gebe "ein denkbar schlechtes Bild ab", Industriellen-Präsident Veit Sorger sieht Treichls Worte hingegen als Zeichen verbreiteten Unmuts. "Der Unmut und die Irritation in der Industrie sind groß", so Sorger zu ÖSTERREICH. Und Unternehmer Attila Dogudan, Chef von Do& Co, sagt schlicht: "Treichl hat recht."

 

Dogudan: "Treichl hat völlig recht"



Treichl sei nicht der Einzige, der so denkt, sagt Do &Co-Chef Attila Dogudan.

ÖSTERREICH: Herr Dogudan, empfinden Sie unsere Politiker auch als blöd, feig und ahnungslos?
Attila Dogudan: Zunächst: Herr Treichl hat meines Wissens keine konkreten Personen angegriffen, sondern die Politiker im Allgemeinen -und zwar in ganz Europa. Er hat eine schärfere Tonart gewählt, um Aufmerksamkeit zu bekommen - aber er ist nicht der Einzige, der so denkt.

ÖSTERREICH: Sie finden also, Treichl hat Recht?
Dogudan: Ja. Er bringt etwas ins Rollen. Fakt ist, dass die Politik nichts tut, damit der Wohlstand, den wir uns geschaffen haben, sich langfristig erhalten lässt. Menschen, die sich trauen, Wahrheiten auszusprechen, müssten eigentlich geschätzt sein. Es wäre gut, wenn einer nach dem anderen aufstünde und sagt: Treichl hat recht, wir müssen etwas tun. Aber in der Politik geht es immer nur um Wählerstimmen. Stellen Sie sich einen Unternehmenschef vor, der immer nur so agiert, dass er von den Mitarbeitern gewählt würde -die Firma wäre hin.

ÖSTERREICH: Aber erst Staatshilfe zu kassieren, dann wieder die Gagen zu erhöhen, aber gleichzeitig auf die Politik draufzuhauen, gibt doch wohl ein seltsames Bild ab?
Dogudan: Wir müssen endlich mit diesem kleinkarierten Wahnsinn aufhören. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob ein paar Aufsichtsräte Hausnummer 5 oder 10 verdienen. Denen muss man international wettbewerbsfähige Summen zahlen, sonst kriegt man keine guten Leute. Und welcher Bürger würde sein Geld in ein Unternehmen stecken, das von schlechten Leuten geführt wird? Meiner Meinung nach verdienen auch unsere Politiker zu wenig.

ÖSTERREICH: Was läuft denn falsch in der Politik?
Dogudan: Es ist gefährlich, wie sinnlos-polemisch heute diskutiert wird. Stichwort Griechenland: Wer kennt sich da schon aus? Es wird behauptet, die Griechen sparen nicht, verprassen unser Geld. Aber: Von den Politikern, die groß reden, weiß das keiner. Die Aufklärung der Politik den Menschen gegenüber reicht nicht. Es muss die Wahrheit kommuniziert werden, aber dafür muss sie jemand sagen. Insofern ist es sehr in Ordnung, was Treichl gemacht hat.

 

Ostermayer: "Arrogant"



Staatssekretär Josef ostermayer findet Treichls Kritik unpassend und arrogant.

ÖSTERREICH: Herr Ostermayer, was sagen Sie zur Politikerschelte des Erste-Chefs?
Josef Ostermayer: Es gibt ein denkbar schlechtes Bild ab, wenn man erst die Politik um Hilfe bittet, und wenn man die bekommen hat, gleich wieder Raffgier und Arroganz an den Tag legt. Tatsache ist: Ohne die Hilfe vom Staat gäbe es die Erste und andere Banken in dieser Form nicht mehr - und manche Bankdirektoren auch nicht.

ÖSTERREICH: Es steht Herrn Treichl also nicht zu, die Politik zu kritisieren?
Ostermayer: Ich erinnere mich gut, wie Treichl und andere gejammert haben, das Image der Banker hätte durch die Finanzkrise so stark gelitten -einen Beitrag, das zu ändern, hat er jetzt nicht gerade geleistet.

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