Laudas Bilanz

"Hamilton überstrahlt Selbstdarsteller"

05.11.2008

Nach der spannendsten WM-Entscheidung aller Zeiten zieht Niki Lauda gnadenlos Bilanz über Helden und Selbstdarsteller.

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ÖSTERREICH: Wie haben Sie das WM-Finish erlebt?
Niki Lauda: Ich war selbst in zwei knappe Entscheidungen involviert. Damals (1976, 1984) ging es um einen halben und um einen Punkt. Aber dass die WM jetzt wirklich erst in der letzten Kurve entschieden wurde, ist für mich die Sensation.

ÖSTERREICH: Stimmt es, dass Sie Hamilton zutrauen, den Schumi-Rekord mit sieben WM-Titeln zu brechen?
Lauda: So einen Blödsinn hab’ ich nie gesagt. Hamilton hat am Sonntag als jüngster Weltmeister eine unglaubliche Leistung gebracht, er hat alles richtig gemacht. Aber jetzt muss er sich weiterentwickeln. Ob er noch sechs WM-Titel gewinnt, kann jetzt kein Mensch sagen.

ÖSTERREICH: Was zeichnet Hamilton aus?
Lauda: Er wäre schon im Vorjahr in seiner ersten Saison fast Weltmeister geworden, das hat noch keiner geschafft. Er ist schnell, aggressiv, hat eine tolle Fahrzeugkontrolle und attackiert gerne – ein echter Vollblut-Rennfahrer.

ÖSTERREICH: Ist Hamilton der zurzeit beste Rennfahrer, oder sitzt er nur im besten Auto?
Lauda: Alonso, Massa oder Räikkönen sind vom Speed her gleich gut. Alles andere hängt von Tagesverfassung, Auto und Bedingungen ab.

ÖSTERREICH: Und Vettel?
Lauda: Der hat eine Super-Saison hingelegt, fast beeindruckender als Hamilton im Vorjahr. Er ist halt vom Auto her nicht so gut aufgestellt wie Lewis. Jetzt sollte sich Didi Mateschitz überlegen, wo er ihn weiterfahren lässt (bei Red Bull oder Toro Rosso). Es wäre doch absolut idiotisch, wenn man den besten Mann im Stall aufgrund irgendwelcher politischer Streitereien ins falsche Autopaket setzen würde.

ÖSTERREICH: Wie wird Massa die Enttäuschung über die knapp verlorene WM jetzt verarbeiten?
Lauda: Massa braucht überhaupt nichts zu verarbeiten. Er ist am Schluss ein perfektes Rennen gefahren, mehr konnte er nicht tun. Irgendwann gleicht sich alles aus.

ÖSTERREICH: Sie haben einmal den Formel-1-Gott erwähnt...
Lauda: Der hat wirklich wichtigere Sorgen, als sich in diesen Mini-Kosmos einzumischen. Die Formel 1 ist eine eigene Welt mit lauter Selbstdarstellern, die sich alle wichtig machen und glauben, es gibt nichts anderes. Weil es so spannend war, redet man ein paar Tage drüber. Aber lassen wir die Kirche im Dorf: Es ist nur ein Sportereignis, mehr nicht. Ich bin heilfroh, dass jetzt einmal fünf Monate Pause ist.

Interview: Knut Okresek/ÖSTERREICH

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