EU wird Fiskal-Union

Die "Chefs" zu EU-Pakt & Sparen

03.12.2011

Werner Faymann und Michael Spindelegger über Euro-Rettungsplan.

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© APA/Hochmuth
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Der Kanzler jettete zum Mittagessen nach Berlin. Angela Merkel hatte zu Tisch geladen. Bei Lachstartar, Rindsroulade mit Rotkraut sowie Topfenmousse wurde als eigentlicher Hauptgang das neue Rezept für die Euro-Rettung präsentiert.
Merkel informierte ihren „Lieblings-Sozi“ Faymann, den bald letzten Roten der EU, über jenes EU-Reformprogramm, das sie morgen mit ihrem „Lieblings-Präsi“ Sarkozy vorstellen will.

Grundidee sei, so Merkel, „die EU endlich zu einer Fiskal-Union“ zu machen.

Dazu wäre es erforderlich, „der EU-Kommission endlich echte Eingriffe in die nationalen Haushalte zu erlauben“.

Schuldenbremse und harte Strafen für Sünder kommen

Konkret plant Merkel:

Eine Schuldenbremse, die alle EU-Staaten in ihre Verfassung aufnehmen müssen.

Eine Kontrolle aller Budgets durch die EU-Kommission auf Schuldenreduktion und Nulldefizit.

Ein Strafverfahren für alle, die gegen die Schuldenbremse verstoßen, durch den Europäischen Gerichtshof.
Jede Nichteinhaltung des Schuldenlimits soll künftig mit Strafen geahndet werden.

Noch nicht gelöst ist die Finanzierung der horrenden Schulden, die ab dem ersten Quartal 2012 zu zahlen sind.

Laut Spiegel sind 400 Milliarden Euro an zusätzlichen Schuldenmitteln fällig – allein Italien braucht im Jänner sagenhafte 100 Milliarden.

Sarkozy (und Faymann) wollen dafür Euro-Bonds, ­Angela Merkel ist strikt gegen Euro-Bonds, weil die das Triple A der Deutschen gefährden.

Faymann und Spindelegger mit anderen Positionen
So unterschiedlich die Meinung von Merkel und Sarkozy zur Euro-Rettung ist – so extrem anders sind auch die Positionen von Kanzler und Vize in den ÖSTERREICH-Interviews. Während Faymann voll auf Merkel-Linie ist, auch dem Europäischen Gerichtshof als Strafinstanz für Sünderstaaten zustimmt und sogar für Euro-Bonds votiert …

… hat Spindelegger ganz andere Ziele: Er ist strikt gegen den Gerichtshof als Strafinstanz bei Budgetsünden, klar gegen ein „Hineinregieren Brüssels in Budgets“ und strikt gegen Euro-Bonds. Die Herren haben für unsere Position Klärungsbedarf …

Faymann: Beim Sparen darf es kein Tabu geben

ÖSTERREICH: Droht die Eurozone zu zerbrechen?
Werner Faymann: Die Gefahr gibt es, wenn es uns nicht gelingt, mehr an gemeinsamen Rahmenbedingungen und Regeln zu schaffen, an die sich dann alle auch halten.

ÖSTERREICH: Was soll beim EU-Gipfel beschlossen werden?
Faymann: Wir brauchen eine Schuldenbremse, so wie wir sie in Österreich beschließen, in allen Ländern Europas. Es muss überprüft werden, ob die Mitgliedsstaaten die Budgetdisziplin einhalten. Dazu gibt es auch Überlegungen, den EU-Vertrag leicht zu ändern. Allerdings wird die Budgethoheit weiter bei den Staaten bleiben, daher braucht es in diesem Fall keine Volksabstimmung.

ÖSTERREICH: Und wie sollen die Schuldensünder künftig sanktioniert werden?

Faymann: Der Europäische Gerichtshof wird aufzeigen, wenn ein Land gegen die EU-Kriterien verstößt. Es ist aber erstmal in der Verantwortung des Landes, diese Verfehlungen auszubessern. Auch die Möglichkeit, Strafen für Schuldensünder auszusprechen, steht zur Debatte.

ÖSTERREICH: Was halten Sie von Euro-Bonds?
Faymann: Zuerst brauchen wir ein gutes Fundament. Es braucht gemeinsame verbindliche Regelwerke. Dann kann ich mir auch Euro-Bonds vorstellen.

ÖSTERREICH: Am Mittwoch entscheidet das Parlament über die Schuldenbremse. Rechnen Sie mit dem Ja der Opposition?
Faymann: Ich hoffe es, denn die Schuldenbremse ist zu wichtig, als dass man hier parteipolitische Forderungen in den Vordergrund stellt.

ÖSTERREICH: Wie hart wird das Sparpaket ausfallen?
Faymann: Das Konsolidierungspotenzial im nächsten Jahr liegt bei 2 Mrd., die wir einnahmen- und ausgabenseitig aufbringen. In den nächsten 3 Jahren sind es 6 Mrd. Dazu brauchen wir vermögensbezogene Steuern und eine Finanztransaktionssteuer. Das kann uns eine Milliarde bringen. Wir müssen die Subventionen durchforsten, das faktische Pensions­alter anheben und es schaffen, geringere Zinsen für Staatsschulden zu zahlen. Beim Sparen und bei gerechten Einnahmen darf es keine Tabus geben.

ÖSTERREICH: Heute werden die Beamtengehälter verhandelt. Was erwarten Sie?

Faymann: 2,5 % sind angeboten, es muss allen Beteiligten klar sein, dass wir keine großen Sprünge machen können. Es muss eine mäßige Lohnrunde geben. Und bei hohen Beamteneinkommen soll der Abschluss geringer ausfallen.

Spindelegger: Sparen bei ÖBB, Frust über FPÖ

ÖSTERREICH: Halten Sie die EU-Schuldenbremse für alle Staaten für richtig?
Michael Spindelegger: Das ist genau das richtige Rezept, das alle EU-Staaten jetzt brauchen. Wir haben alle in Europa einen viel zu hohen Schuldenberg, der muss weg.

ÖSTERREICH: Und dass es künftig harte Strafen für jene Länder gibt, die ihre Schuldenbremse nicht einhalten...
Spindelegger: Es muss klare Regeln für Schuldensünder geben. Im Detail muss man sich das ansehen. Ich bin dafür, dass man der EU-Kommission mehr Kontrollrechte gibt. Ich halte wenig davon, den Europäischen Gerichtshof jetzt auf jedes nationale Budget loszulassen. Und ich bin ein klarer Gegner, dass Brüssel künftig in Staaten hineinregiert.

ÖSTERREICH: Kommen die umstrittenen Euro-Bonds?
Spindelegger: Euro-Bonds kommen für uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage, weil dann wir Triple A-Länder de facto schlechtere Zinskonditionen in Kauf nehmen müssen, um den anderen zu helfen. Das wollen wir nicht und da gibt es von Österreich keine Zustimmung.

ÖSTERREICH: Werden Sie mit einer Oppositionspartei die Zwei-Drittel-Mehrheit für unsere Schuldenbremse in der Verfassung schaffen?

Spindelegger: Da bin ich sehr zuversichtlich. Es deutet alles darauf hin, dass das BZÖ genug Verantwortungsbewusstsein hat. Wir werden mit dem BZÖ heute noch konstruktive Gespräche führen und die Zwei-Drittel-Mehrheit schaffen. Sehr enttäuscht bin ich von FPÖ und Grünen. Vor allem die FPÖ, die sich ständig Heimatpartei nennt, hat Österreich in Wahrheit verraten und will das Land den Finanzspekulanten überlassen.

ÖSTERREICH: Sie waren immer für eine FPÖ-Koalition offen.
Spindelegger: Die Schuldenbremse ist eine Nagelprobe für die Regierungsfähigkeit der FPÖ. Eine Partei, die quasi den Austritt aus der EU verlangt, hat in einer Regierung nichts verloren.

ÖSTERREICH: Wie sieht Ihr Spar-Konzept aus?
Spindelegger: Wir wollen schon 2012 bis zu 2,5 Milliarden einsparen. Bei Frühpensionen, bei Verwaltungsreform, vor allem bei Förderungen. Allein bei den ÖBB will ich 1 Milliarde einsparen, indem wir eine Reihe von Infrastrukturprojekten stoppen.

ÖSTERREICH: Werden Sie einer Vermögenssteuer zustimmen?
Spindelegger: Vermögenssteuer auf Substanz lehne ich ab - das ist ein klares Nein. Neue Steuern diskutieren wir erst, wenn alle Strukturreformen fixiert sind.

Niki Fellner

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