Haiders letztes Foto

Eine Flasche Wodka, dann startete er den Phaeton

17.10.2008

Vor seiner Todesfahrt kehrte Haider in ein Lokal ein, begleitet von einem Unbekannten, sie tranken Wodka.

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Ein Bild wird zum Zeitdokument. Das in der Tageszeitung ÖSTERREICH veröffentlichte letzte Foto von Jörg Haider, das den Kärntner Landeshauptmann nur zwei Stunden vor seinem Tod zeigt, sorgt auch international in Zeitungen und auf Internet-Seiten für Aufregung.

Weshalb der Schnappschuss von so großem Interesse ist und was ihn zum Dokument macht: Es klärt auf, was im bis dahin unbekannten Zeitfenster zwischen der Abfahrt Haiders aus Velden und seinem verheerenden Unfall passiert ist. Und es zeigt, wie es zu den 1,8 Promille Alkohol in Haiders Blut gekommen sein dürfte, die ihm schließlich zum Verhängnis wurden.

Ein ÖSTERREICH-Leser hat der Redaktion das Foto zugespielt. Es zeigt Jörg Haider mit einem unbekannten Mann in dem Klagenfurter Szenelokal „Stadtkrämer“. Vor den beiden: eine Batterie von Flaschen und gut gefüllten Gläsern: Wodka, Bier, Red Bull, Whiskey. Eine Flasche Wodka hätten die beiden im Laufe des ziemlich kurzen Aufenthalts getrunken, gab der Barkeeper später an.

Als Haider dann das Lokal kurz nach 1 Uhr verließ, soll der 58-jährige BZÖ-Chef Augenzeugen zufolge beim Gehen geschwankt haben. So bedenklich, dass ein besorgter Lokalgast anbot, ihn heimzufahren. Haider lehnte dankend ab.Damit lassen sich die letzten Stunden im Leben des Jörg Haider fast lückenlos rekonstruieren:

Haiders letzte Strecke:
(Zum Vergrößern auf das Bild klicken)


16.30 Uhr:
Im Klagenfurter Hotelcafé Moser-Verdino gibt Haider der Kleinen Zeitung sein letztes Interview. Danach fährt er heim, um sich auszuruhen und für Abendtermine umzuziehen. Er wechselt den Kärntner Anzug gegen ein beiges Leder-Sakko, Jeans und ein rosa Hemd. Entgegen ersten Meldungen gibt der Landeshauptmann seinem Chauffeur Friedl Schwager an diesem Freitag ab 19 Uhr frei, weil die Tage davor sehr stressig waren. Kurz nach 19 Uhr verlässt Haider seine Wohnung in Klagenfurt und setzt sich selbst ans Steuer seines Dienstwagens.

19.30 UHR:
Haider schmückt die Eröffnung der neuen Bar Bem ­Vindo am Klagenfurter Kardinalplatz. Dem Betreiber Hans-Peter Gasser gehört auch das Lokal Zum Stadtkrämer in der Spitalgasse 11 – ein Szene-Treff für Homo­sexuelle.

21.45 Uhr:
Haider besucht die Präsentation des neuen Hochglanzmagazins Blitzlicht-Revue im Veldener Schicki-Lokal Le Cabaret.


Haider im "Le Cabaret"

Laut Gastgeber Egon Rutter wirkt der Landeschef nüchtern und glänzt wie immer auch im Smalltalk. Um 22 Uhr scherzt Haider mit dem Haubenkoch des Spielcasinos (im gleichen Haus), danach gibt er dem Radiosender Antenne Kärnten ein launiges Interview.

22.30 Uhr:
Der VW Phaeton rollt aus der Tiefgarage des Casinos. Haider hat das Fest also viel früher verlassen als bisher bekannt. Nicht um Mitternacht, sondern um halb elf. Danach gibt es ein mysteriöses Zeitloch, das auch Haiders Sprecher Stefan Petzner beschäftigt: "Da fehlt uns ein Puzzle. Wir sind alle ratlos."


Lokal "Zum Stadtkrämer" in Klagenfurt

23.15 Uhr:
Haider taucht 45 Minuten später mit einem Unbekannten im Treff "Zum Stadtkrämer" auf (Fahrtzeit von Velden ca. 15 Minuten) und unterhält sich mit dem jungen Mann (Identität der Polizei bekannt). Beide trinken Unmengen (Augenzeugen berichten von einer ganzen Flasche Wodka). Der Landeshauptmann schwankt, als er draußen beim Auto mit dem Jüngling die Handynummern austauscht.

1.05 Uhr:
Haider setzt sich trotz Warnungen ans Steuer und fährt Richtung Bärental. Um 1.18 Uhr rast er südlich von Klagenfurt in den Tod.


Der zerstörte "Phaeton"

 

Petzner im Interview: "Ich will alles rekonstruieren"

ÖSTERREICH: War Jörg Haider nun offensichtlich alkoholisiert oder nicht?
Stefan Petzner: Ich hatte den Eindruck, dass er nicht beeinträchtigt war, als wir uns im „Le Cabaret“ voneinander verabschiedet haben. Ich habe ihn deshalb auch nicht davon abgehalten, mit dem Auto zu fahren.

Warum haben Sie und die Familie Haider gegen Staatsanwalt Kranz Anzeige erstattet?
Wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Indem er Ergebnisse aus dem Obduktionsbericht an Medien weitergab, hat er seine Kompetenzen überschritten. Er muss die Konsequenz daraus ziehen.

Wollen Sie noch herausfinden, wie es zu der Alkoholisierung kam?
Es ändert zwar leider nichts mehr am Tod von Jörg Haider, aber ich will versuchen, alles zu rekonstruieren, was nach dem Besuch im Le Cabaret passiert ist.

 

Familie zeigt den Staatsanwalt an
Haider-Anwältin Huberta Gheneff attackierte am Donnerstag den Leiter der Klagenfurter Staatsanwaltschaft, Gottfried Kranz, der von einem Lokalbesuch Haiders unmittelbar vor dessen Tod berichtet hatte.

Kranz hatte im ORF-Radio berichtet, dass Haider bei seinem Unfall nicht unter Drogeneinfluss stand und dass ihm bei einem Lokalbesuch vor seinem Unfall angeboten wurde, sich nach Hause bringen zu lassen. "Er hat überhaupt nichts zu sagen, er unterliegt der Amtsverschwiegenheit“, kritisierte Gheneff.

"Erst die Medien, dann die Familie"
Die Anwältin, die Haider zu Lebzeiten vertreten hat und nun für dessen Familie aktiv wird, kritisierte außerdem, dass die Familie nach wie vor keine Akteneinsicht habe. "Es ist beispiellos, dass Ergebnisse eines Obduktionsberichtes zuerst an die Medien und erst dann an die Familie gelangen“, so Gheneff mit Verweis auf Berichte über die Alkoholisierung Haiders.

Gheneff kündigte eine Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft und gegen Kranz wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses an. Außerdem sei der Verdacht des Amtsmissbrauchs zu prüfen. Eingebracht werden soll die Anzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft Graz und bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Kranz wollte sich Donnerstag nicht äußern.

Fotos: (c) APA, Raunig, AP

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