''sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt''

Karmasin-Prozess: ''Habe das auf die leichte Schulter genommen''

25.04.2023

Ex-Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hat sich am Dienstag in ihrem Prozess wegen schweren Betrugs und wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren "nicht schuldig" bekannt. 

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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In Bezug auf die inkriminierten Bezugsfortzahlungen nach ihrem Ausscheiden als Ministerin habe sie zwar einen Fehler begangen, sich nach ihrem Dafürhalten aber nicht strafbar gemacht. Auch bezüglich der von der Anklage umfassten Studien für das Sportministerium habe sie keine Gesetze gebrochen.

Karmasin nahm am Wiener Landesgericht für Strafsachen ausführlich zur Anklage Stellung und wurde anschließend vom vorsitzenden Richter vernommen. Als der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) von seinem Fragerecht Gebrauch machen wollte, nahm Karmasin ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch. Aufgrund "der Traumata", die sie im Zuge des Ermittlungsverfahrens erlitten habe, werde sie keine Fragen der WKStA beantworten, erläuterte die 56-Jährige.

"Ich habe das auf die leichte Schulter genommen" 

Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik habe sie nicht in das Familienunternehmen zurückkehren können, das man aufgrund ihrer politischen Karriere zum Bedauern der Familie abgeben habe müssen, und aus einem in Aussicht gestellten Job sei nichts geworden, hatte Karmasin zuvor erklärt. Deshalb habe sie "sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt". "Ich habe das auf die leichte Schulter genommen", räumte sie ein. Ihr "naives Verständnis" sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren sei: "Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid. Aber ich habe das Doppelte des Brutto-Bezuges zurückbezahlt."

Mitte 2018 habe sie dann "ein Ein-Frau-Unternehmen" aufgezogen und sich beruflich umorientiert, schilderte Karmasin: "Ich habe ganz neu angefangen mit Verhaltensökonomie." Ihre neuen Ansätze wären im Sportministerium geradezu auf Begeisterung gestoßen: "Es war klar, dass ich ins Schwarze getroffen habe." Ein Sektionschef habe sich sehr für ihre Methodik interessiert und diese wissenschaftlich mit dem Thema Sport verbinden wollen: "Er hat mir signalisiert, dass er damit arbeiten und schnell in die Umsetzung kommen will." So sei eine erste Studie zum Thema Bewegung im Sport in die Gänge gekommen, und sie sei aufgrund ihrer Kompetenzen und Erfahrungen damit beauftragt worden - und zwar per Direktvergabe, wie die Ex-Ministerin feststellte.

"vermeintliche Angebote" besorgt 

"Das war für mich nachvollziehbar, weil ein Konzept unter 100.000 Euro so vergeben werden kann", betonte sie. Bei einem Gesprächstermin im Ministerium am 5. April 2019 habe man sie dann allerdings gebeten, "als Dokumentationszweck zwei weitere Angebote für die Akten" zu beschaffen: "Der Auftraggeber hat mich explizit gebeten, zwei vertrauenswürdige Unternehmen zu bringen und sie anzuleiten." Nur deshalb und nicht - wie angeklagt - wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen sei sie an ihre Ex-Mitarbeiterin Sabine Beinschab und eine weitere Meinungsforscherin herangetreten und habe "vermeintliche Angebote" besorgt, meinte die Ex-Ministerin.

Sie habe sich vom Sportministerium "einspannen lassen", bedauerte die Angeklagte: "Im Nachhinein hätte ich die Bitte des Auftraggebers ablehnen sollen." Ihr, aber auch ihren beiden Berufskolleginnen sei ja bewusst gewesen, "dass dieses Projekt nicht an sie (gemeint: die Konkurrenz, Anm.) gehen wird".

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht das diametral anders. "Sie wollte immer mehr, hatte nie genug, und zahlen sollten es die anderen", hatte Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic in seinem Eröffnungsvortrag in Richtung der Schöffen festgehalten. "Es geht hier um Sozialleistungsbetrug der für Sozialleistungen zuständigen Ministerin", fasste er die Anklage zusammen.

Mit unrechtmäßigen Absprachen ein Geld zu verdienen, "wäre bis heute so weitergegangen" 

Was die inkriminierten Studien für das Sportministerium betrifft, sei Karmasin mit diesen jeweils in einem "Scheinvergabeverfahren" beauftragt worden, sagte Adamovic. Ein mitangeklagter Abteilungsleiter im Ministerium sei daran "nicht als der große Rädelsführer", aber doch beteiligt gewesen sei: "Eine große Farce." Karmasins Praxis, sich mit unrechtmäßigen Absprachen ein Geld zu verdienen, "wäre bis heute so weitergegangen. Ihr jähes Ende hat sie (die Praxis, Anm.) nur gefunden, als wir vor ihrer Tür gestanden sind", meinte Adamovic unter Anspielung auf 21 gleichzeitig durchgeführte Hausdurchsuchungen, die am 6. Oktober 2021 im Rahmen der ÖVP-Umfragenaffäre stattfanden, darunter auch bei Karmasin.

Zur Beweislage bemerkte der WKStA-Vertreter grundsätzlich, die Suppe sei schon zu Beginn der Ermittlungen "nicht dünn, sondern ziemlich cremig" gewesen. Jetzt sei "die Suppe so dick, wenn man den Löffel auslässt, bleibt er stehen", bemerkte Adamovic.

Wess: Karmasin hätte sich nicht strafbar gemacht

"Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat den Sachverhalt großteils richtig ermittelt. Rechtlich ist die WKStA aber großteils falsch abgebogen", hielt dem Karmasins Erstverteidiger Norbert Wess entgegen. Eingeholte Vergleichsangebote seien "zu einem absurden Formalismus mutiert". Da sei Karmasin "naiv" gewesen, aber strafbar habe sie sich damit nicht gemacht. "Preisangemessenheit" sei bei den Studien gegeben, vergaberechtlich alles in Ordnung gewesen. Auch bezüglich der Entgeltfortzahlung sei die WKStA "rechtlich falsch abgebogen", befand Wess.

Die Rolle Karmasins in der ÖVP-Umfragenaffäre ist zwar nicht direkt Gegenstand dieser Verhandlung, wurde von Oberstaatsanwalt Adamovic dessen ungeachtet aber doch erwähnt. Karmasin habe von Dezember 2017 bis Mai 2018 beim sogenannten "Beinschab-Österreich-Tool" ordentlich mitgeschnitten, indem sie Beinschab für deren Tätigkeiten in der ÖVP-Umfrage-Affäre pro Auftrag jeweils 20 Prozent an Provision und für vorgebliche Beratung in Rechnung stellte, betonte Adamovic: "Insgesamt hat sie in dieser Zeit rund 55.000 Euro verdient, also mehr als 11.000 Euro im Monat." Trotzdem habe sie sich in dieser Zeit "sogar als Millionärin", wie der Ankläger sich ausdrückte, ihre Bezüge fortzahlen lassen. "Sie sind kein Justizopfer. Sie sind auch kein Opfer der Medien", sprach Adamovic direkt die angeklagte Ex-Politikerin an: "Die Opfer sind alle Steuerzahler, die Ihre Überbrückungshilfe bezahlt haben."

Lukrierten Provisionszahlungen seien die Idee von Sabine Beinschab gewesen

Die von ihr lukrierten Provisionszahlungen seien die Idee von Sabine Beinschab gewesen, behauptete Karmasin: "Im Jahr 2016 hat sie mich aktiv gefragt, ob sie Provision zahlen darf." Sie habe "dem zugestimmt", wäre aber nicht selbst "auf diese Idee gekommen." Auf die Frage des Richters "Was war ihre Leistung?", antwortete Karmasin, sie habe Beinschab den ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid vorgestellt. Ansonsten habe Beinschab sie hin und wieder nach Rat gefragt, "aber ich habe mich inhaltlich nicht dafür interessiert".

Karmasin war am 17. Dezember 2017 als Ministerin ausgeschieden. Unmittelbar danach soll sie laut Anklage mit betrügerischen Handlungen begonnen und sich widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortgesetzt hatte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll. Der zweite Anklagekomplex betrifft insgesamt drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt.

Urteil für 9. Mai geplant 

Mit Karmasin steht eine erste Person aus dem politischen Umfeld von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz vor Gericht, Ermittlungen gegen weitere Ex-ÖVP-Funktionäre von Kurz abwärts sind anhängig. Der Prozess ist auf drei Tage anberaumt und hat noch nichts mit der Rolle Karmasins in der ÖVP-Umfrageaffäre zu tun, in die sie wesentlich eingebunden gewesen sein soll. Diesbezüglich sind die Erhebungen noch nicht abgeschlossen. Im Falle einer Verurteilung drohen Karmasin und dem mitangeklagten, nach Einbringen der Anklage außer Dienst gestellten Ministerialbeamten bis zu drei Jahre Haft. Dieser bekannte sich ebenfalls "nicht schuldig". Die Urteile sind für 9. Mai geplant. 

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