Anschober-Nachfolger

Gruppenpraxis-Pionier soll Pandemie managen

13.04.2021

Nach Anschobers Rücktritt stellte Vizekanzler Kogler den neuen Gesundheitsminister vor.

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© APA/ROLAND SCHLAGER
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Wien. Der Mediziner und Ärztekammer-Funktionär Wolfgang Mückstein wird neuer Gesundheitsminister. Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hat Mückstein nur zwei Stunden nach dem Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober als dessen Nachfolger vorgestellt. Angelobt wird Mückstein am Montag, Fragen waren nicht zugelassen. Dem scheidenden Minister dankte Kogler für dessen Einsatz gegen die Pandemie und für dessen Beitrag zum Neustart der Grünen nach der Wahlniederlage 2017.

Allgemeinmediziner Mückstein ist einer der Leiter des Primärversorgungszentrums im sechsten Wiener Gemeindebezirk. In der Wiener Ärztekammer fungiert der Mit-Vierziger als Referent für Gruppenpraxen und neue Organisationsformen.

In seinem ersten Statement - Fragen waren nicht zugelassen - betonte Mückstein, dass ihm die Herausforderung bewusst sei: "Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie Gesundheitsminister zu werden und damit oberster Krisenmanager, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe." Den aktuellen Lockdown in der Ostregion hält der neue Minister zwar für eine unpopuläre, aber nötige Entscheidung um Menschenleben zu retten: "Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe." 

"Danke, lieber Rudi" 

Kogler bedachte den neuen Gesundheits- und Sozialminister mit reichlich Vorschusslorbeeren. Die Pandemie werde noch einige Zeit eine Ausnahmesituation bleiben, Politik, Gesundheitseinrichtungen und Mitarbeiter seien "voll gefordert", so der Vizekanzler: "Gerade deshalb brauchen wir jetzt jemanden, der mit Expertise und Kraft diese Gesundheitskrise managt. Neben mir steht jemand, der das kann."

Dem scheidenden Minister Anschober dankte Kogler dafür, dass dieser ohne Pause für den Gesundheitsschutz in Österreich gearbeitet habe. "Es ist eine Herkulesaufgabe." Außerdem habe Anschober auch Fehler eingestehen können. "Wenn so viel gehobelt wird, dann fallen auch Späne", betonte Kogler, der auch Anschobers Beitrag zum Neustart der Grünen nach 2017 würdigte: "Danke, lieber Rudi."

Gruppenpraxis-Pionier soll Pandemie managen  

Der Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kam nicht ganz unerwartet, auf den Namen seines Nachfolgers wäre aber vor ein paar Tagen noch kaum jemand gekommen. Wolfgang Mückstein ist zwar medial nicht ganz unbekannt als einer der Leiter des ersten Wiener Primärversorgungszentrums, politisch wäre er bisher aber so gut wie nicht aufgefallen. Einzig in der Ärztekammer ist Mückstein wohl bekannt.

Dort sitzt der Allgemeinmediziner für die Grünen mehr als ein Jahrzehnt etwa als Referent für Gruppenpraxen und neue Organisationsformen. Das verwundert insofern nicht, als Mückstein im sechsten Wiener Gemeindebezirk quasi das Urmodell eines Primärversorgungszentrums leitet und in dieser Funktion auch gerne gehörter Gesprächspartner von Medien war. Seinem Studium der Medizin hat er einen TCM-Bachelor hinzugefügt, ist also mit chinesischer Medizin vertraut.

Mit der alleine wird Mückstein das aus China eingeschleppte Virus kaum bekämpfen können. Auf den neuen Minister warten große Aufgaben, befindet sich das Land doch mitten in der dritten Corona-Welle und die Politik ist von Einigkeit mittlerweile weit entfernt. Anschober beklagte dies zumindest indirekt auch bei seinem Abschied aus dem Amt.

Ist Mückstein kein Naturtalent, wird er noch einige Nerven im Ringen mit Ländern und Koalitionspartner brauchen. Immerhin ist die Ausgangsposition keine ganz so schlechte. Mit dem Impf-Fortschritt könnte es sein, dass der neue Minister den Höhepunkt der Pandemie bald hinter sich haben wird. Dass er jetzt das Impftempo managt, ist nicht uninteressant. Denn noch im Jänner beklagte er in Interviews, in seiner Praxis bereit zu stehen, nur halt keinen Impfstoff zu haben.

Lockdowns um Menschenleben zu schützen

Aber auch der Alltag im Ressort ist kein leichter. Gesundheitsminister gelten angesichts der zersplitterten Zuständigkeiten traditionell als "Lame ducks". Die Position von Ärzten und Sozialversicherung sollte Mückstein reichlich bekannt sein, die der Länder zumindest nicht fremd. Da muss es kein Nachteil sein, wenn man aus dem System kommt. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist der 47-Jährige als "Mann der Praxi" der ideale Kandidat, um die Aufgabe zu bewältigen: "Er packt an."

Bekannt ist Mückstein beim Koalitionspartner schon seit den Regierungsverhandlungen, wo er in den Gesprächen im Gesundheits- und Sozialbereich eingebunden war. Vorgänger Anschober holte seinen Rat auch für eine Teststrategie im niedergelassenen Bereich ein. Die Amtsübernahme hat sich der verheiratete Vater von zwei Töchtern "gut überlegt", aber rasch Ja gesagt. Was anderes blieb ihm auch kaum übrig, denn Kogler hat erst gestern angefragt.

Einen ersten Pflock schlug Mückstein schon bei der Antrittspressekonferenz ein: Um Menschenleben zu schützen, müsse es auch Lockdowns geben.
 

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