Insider am Weekend

Von Schnitzel bis Bargeld: Türkis wird immer blauer

11.08.2023

Nehammer versucht, Duell mit FPÖ zu suchen und Babler-SPÖ auszuschalten 

Zur Vollversion des Artikels
© TZOe MFellner
Zur Vollversion des Artikels

ÖVP-Kopiermaschine? Irgendwann reichte es auch Herbert Kickl. Am 4. August war es so weit. Nicht mal zwei Wochen nach einer Pressekonferenz zu dem Thema „Bargeld in die Verfassung“ war auch der Kanzler ausgerückt um ein vermeintliches Bargeldverbot – das im Übrigen eh keiner will – durch eine Verfassungsänderung zu verhindert. „Ist Ihnen Ihr Ideen-Diebstahl von der ‚bösen und extremen FPÖ‘ eigentlich nicht peinlich? Fällt Ihnen selbst überhaupt gar nichts Vernünftiges ein?“, wetterte der FPÖ-Chef.

ÖVP schließt Kickl aus, nimmt aber seine Inhalte

Radikal, aber gut. Dabei hat Kickl bisher gut damit gelebt, dass sich die ÖVP in der Koalition vom den Grünen abgrenzen wollten — und gezielt immer mehr FPÖ-Forderungen aufgriffen. Seit wenigen Wochen schließt man eine Koalition mit dem „radikalen Kickl“ zwar aus – seine Inhalte übernimmt man aber weiter gern:

  • Klimakleber: Noch im Dezember 2022 wollte Innenminister Karner die Aktivisten am liebsten ignorieren. Noch im Februar wies der Kanzler auf das Versammlungsrecht hin. Dann radikalisierte die ÖVP – angesichts von Attacken Kickls gegen den Kanzler („Handeln, bevor die Lage auf der Straße eskaliert“) – die Tonlage: Mitte Februar waren die Aktivisten laut ÖVP-General Christian Stocker „Saboteure der Zivilgesellschaft“ – am 27. Juli nannte Nehammer Klimakleber in einem Atemzug mit „Rechtsradikalen oder Identitären“ – eine Provokation für die Grünen.
  • Das Schnitzel: Seit 2019 verteidigt die FPÖ in zahllosen Kampagnen das Wiener Schnitzel gegen angebliche Versuche, es zu verbieten. Einmal droht wegen Muslimen in Kindergärten das Aus – ein anderes Mal sind es die Grünen, die so das Klima schützen wollen. An Verbote denkt zwar keiner, aber was soll‘s? Im März schließlich kündigt die ÖVP-FPÖ in Niederösterreich an, nach dem Tiroler Vorbild eine Wirtshausprämie einzuführen, aber nur wenn traditionelle Gerichte gereicht werden — Comeback also für Schnitzel, Knödel & Co. Drei Monate später ist der Kanzler mit dem Schnitzel da: „Es ist völlig okay, wenn wer vegan lebt“, gibt Nehammer ungefragt in der ZiB2 zu Protokoll, „aber niemand braucht ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er ein Schnitzel ist“.
  • Politikergagen: Manchmal braucht es keine vier Stunden bis die FPÖ-Forderung übernommen wird. Am 1. August berichtete die APA von einer Anhebung der Politgagen um 9,7 % – um 10.29 Uhr kam Kickls Forderung nach einer Nulllohnrunde – um 16.09 Uhr wurde sie von Nehammer und Vizekanzler Kogler verkündet.

Kurz-Strategie. Was die ÖVP will liegt auf der Hand: Die von Nehammers Vorgänger Sebastian Kurz gewonnen FPÖ-Wähler von Kickl wieder zurückzugewinnen. Schließlich hatte sich das „Polit-Wunderkind“ mit dem Aufgreifen des harten FPÖ-Ausländerkurses 2017 auch auf Platz 1 katapultiert. Und: SPÖ-Rivale Andreas Babler kommt bei diesem Duell nicht vor.

Experte sieht "falsche Panik-Reaktion"

Politik-Berater Peter Plaikner ist hingegen skeptisch, dass das Nehammer ebenfalls gelingt. Er sieht in der VP-Strategie eine „falsche Panikreaktion“. Plaikner: „Mit Themen wie dem Schnitzel oder dem Bargeld in der Verfassung erzeugt man viel Aufregung und auch negative Bewertungen von Experten ergeben Schlagzeilen“, aber: „Damit spielt man aber ausschließlich auf dem Spielfeld des politischen Gegners, wenn man die FPÖ im Fall der ÖVP überhaupt noch so nennen kann“. Die Folge: „Es besteht die Gefahr, dass die Wähler anstatt zum Schmiedl zum Schmied gehen – und das ist die FPÖ.“ Kein Wunder das Kickl im Urlaub Fotos in der Sonne liegend postete – Nehammer macht ohnehin seiner Arbeit. Tatsächlich sind ÖVP und FPÖ – sieht man fundamentale Unterschiede bei Ukraine-Krieg und Sky-Shield einmal ab – inhaltlich kaum noch zu unterscheiden.

"Das mit dem Kopieren ist ein Blödsinn"

Im Kanzleramt räumt man ein, dass man „in einigen Bereichen mit der FPÖ übereinstimmt – der Vorwurf, FPÖ-Themen zu kopieren sei „ein Blödsinn“. Beispiel Bargeld: Schon 2018 habe Türkis-Blau eine Verfassungsbestimmung geplant, die ÖVP wolle das seit 2015. Die Polit-Gagen hätte man auch ohne Kickls Zwischenruf gesenkt. Und das Schnitzel sei keine FPÖ-Erfindung, schließlich habe es Wiens Stadtchef Michael Ludwig es mit dem „Schnitzel-Gut­schein“ zuletzt zurück in die Politik gebracht.

Und jetzt noch Banken? Doch die nächsten Tage werden zeigen, wie resistent die ÖVP wirklich ist, Kickl hat wegen der steigender Zinsen, die zwar an Kreditnehmer nicht aber an Sparer weitergegeben wird, eine Übergewinnsteuer geplant.

Insider erzählen, dass in der ÖVP schon die Köpfe rauchen...

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel