Kanzler Faymann

"Bin für 6 Wochen
 Urlaub"

30.04.2015

Faymann sagt im kämpferischen Interview zum 1. Mai eine 
 Arbeitsplatz-Offensive an.

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© tzoe
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Heute wird Bundeskanzler Werner Faymann seine Rede beim traditionellen roten Maiaufmarsch auf dem Rathausplatz halten. Im ÖSTERREICH-Interview kündigt er bereits vorab eine Initiative zur Arbeitszeitverkürzung an, verlangt sechs Wochen Urlaub, fordert mehr Verteilungsgerechtigkeit und erklärt, warum er Großbritanniens Noch-Premier David Cameron in Sachen Atomkraft klagt.

 

ÖSTERREICH: Ist es richtig, dass Österreich das EU-Mitglied Großbritannien in Sachen Atomkraft klagen wird?

FAYMANN: Wir haben die Klage fertig und werden sie in ein paar Wochen beim Europäischen Gericht einbringen. Wir klagen gegen die Entscheidung der EU-Kommission, dass Großbritannien mit Steuermitteln den teuren Ausbau eines Atomkraftwerks finanzieren darf. Es darf nach Fukushima keine Renaissance der Atomkraft mit EU-Geld geben, es darf keine hohen Subventionen für die Atomtechnologie geben, die ja keine nachhaltige Energiequelle ist.

ÖSTERREICH: Sehen Sie diese Klage auch als Signal an ganz Europa?

FAYMANN: Das ist jedenfalls ein wichtiges Signal. Wir alle haben uns verpflichtet, den CO2-Ausstoß zu senken – aber das darf nicht durch eine Renaissance der Atomkraft geschehen, sondern das soll durch Energiesparen, durch Wasserkraft, durch Sonnenenergie erfolgen. Man soll mit Subventionen alternative Energieformen fördern – aber die Atom-Pläne des David Cameron wollen wir mit dieser Klage stoppen.

ÖSTERREICH: Die Klage sorgt für jede Menge Aufsehen – die Briten schwören uns schon Rache.

FAYMANN: Es kann schon sein, dass David Cameron – wenn er nächste Woche überhaupt wiedergewählt wird – uns in irgendeiner Form Schwierigkeiten machen will. Aber wir Österreicher sind bekannt dafür, dass wir in der Frage der Kernkraft eine klare Haltung haben, dass wir da auch Kampfkraft haben. Wir waren lange Zeit die Gallier Europas, die einsam und alleine gegen die Atomkraft gekämpft haben – und demnächst werden von 28 EU-Staaten bereits die Hälfte ohne Atomkraft auskommen. Das heißt, wir haben den Kampf gegen die Atomkraft schon zur Hälfte gewonnen. Und gegen die unverbesserlichen Zyniker wie David Cameron, die Brandreden für AKWs halten, werden wir jetzt mit Klagen vorgehen.

ÖSTERREICH: Ist das auch ein Schulterschluss des Kanzlers mit Grün?

FAYMANN: Ich habe schon verstärkt das Gefühl, dass die Zusammenarbeit vor allem mit den NGOs immer besser funktioniert. Das ist beim Kampf gegen die Atomkraft so, aber auch beim Kampf gegen TTIP, wo ich Sondergerichte für Konzerne unbedingt verhindern will. Auch da kämpfen wir mit den NGOs gemeinsam.

ÖSTERREICH: Ist es dann 2018 in Ihren Augen Zeit für eine rot-grüne Regierung in Österreich?

FAYMANN: Da ist noch viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe die Grünen für eine Regierung nie ausgeschlossen. Aber das entscheiden erstens die Wähler – und zweitens ist das kein Thema in einer funktionierenden Koalition mit der ÖVP.

ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie Rot-Grün in Wien?

FAYMANN: Mich stört, dass die Grünen in Wien den ersten Teil der Regierungsperiode nur über eine Begegnungszone und den zweiten Teil nur über das Wahlrecht gesprochen haben. Die Wiener Grünen haben die großen Themen Arbeitsplätze und Wohnen nicht besetzt – da führen ausschließlich SPÖ und Bürgermeister Häupl das Kommando.

ÖSTERREICH: Von Rot-Grün in Wien sind Sie also enttäuscht?

FAYMANN: Ich würde sagen: Da hätte ich mir von den Grünen mehr erwartet, zum Beispiel beim Thema Arbeit und beim Thema Wohnen. Wem diese Themen wichtig sind, der muss im Oktober SPÖ wählen. Nur Begegnungszonen und Wahlrecht sind für eine erfolgreiche Stadtpolitik zu wenig.

ÖSTERREICH: Der 1. Mai ist traditionell der Tag, an dem der SPÖ-Vorsitzende seine großen Visionen ansagt …

FAYMANN: Es ist der Tag der Arbeit. Deshalb ist es der Tag, an dem wir unseren Kampf für die Arbeitsplätze bekräftigen. Es geht darum, dass wir ausreichend Arbeitsplätze mit gerechtem Lohn haben – und von diesem Ziel sind wir gerade in Europa weit entfernt. Wir haben in Europa fast 25 Millionen Arbeitslose. Das heißt, wir brauchen ein großes Investitionsprogramm für mehr Jobs. Dafür müssen wir aber in Zukunft die Arbeit weniger besteuern und das Vermögen mehr. Wir haben in Österreich beim Thema „Weniger Steuern auf Arbeit“ einen Riesenschritt gemacht – aber beim Thema Vermögenssteuern und Bekämpfung von Korruption und Steueroasen ist noch sehr viel zu tun.

ÖSTERREICH: Da sind Sie in Ihrer Koalition gescheitert.

FAYMANN: Ganz sicher nicht. Ich habe in den letzten Jahren viele vermögensbezogene Steuern eingeführt. Aber mir geht das alles viel zu langsam. Ich habe die Ungeduld eines guten Sozialdemokraten, ich will viel mehr. Ich bin mit der größten Steuersenkung der Zweiten Republik sehr zufrieden, aber mit der Verteilungsgerechtigkeit noch lange nicht.

ÖSTERREICH: Bräuchte es nicht eine Offensive für den Aufschwung in diesem Land? Wir sind in puncto Wachstum das EU-Schlusslicht.

FAYMANN: Wir kommen ja von einem ganz hohen Niveau. Wir haben mit Deutschland die wenigsten Arbeitslosen.

ÖSTERREICH: Aber die Deutschen ziehen uns davon.

FAYMANN: Deutschland ist immer die Lokomotive für unseren Export. Geht’s der deutschen Wirtschaft gut, zieht Österreich nach. Wir haben nur das Problem, dass wir von der Krise in der Ukraine, in Russland, am Balkan besonders betroffen sind. Auch deshalb ist mir eine rasche friedliche Lösung so wichtig – und deshalb sehe ich auch weitere Sanktionen sehr kritisch und trete vehement für eine Friedensinitiative im Ukraine-Konflikt ein.

ÖSTERREICH: Rechtzeitig zum 1. Mai hat Ihr Klubobmann Schieder sechs Wochen Urlaub für alle gefordert. Sind Sie auch dafür?

FAYMANN: Ja, ich unterstütze die Gewerkschaft bei sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen für die sechste Urlaubswoche.

ÖSTERREICH: Die SPÖ Wien hat die 30-Stunden-Woche als Ziel beschlossen. Realistisch?

FAYMANN: Arbeitszeitverkürzung ist richtig – aber in klugen Schritten, im europäischen Gleichklang und natürlich nur in Übereinstimmung der Sozialpartner. Keine Gewerkschaft und schon gar kein Kanzler kann von heute auf morgen eine 30-Stunden-Woche einführen. Das geht nur in europäischer Übereinstimmung – aber in einer Welt, in der immer mehr Roboter die Arbeit übernehmen, ist es logisch, dass es auf kurz oder lang in Richtung Arbeitszeitverkürzung geht.

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